Das neue also …

Alles ist anders geworden? Quatsch, alles ist gleichgeblieben.
Alles? Na ja, immerhin eine Zahl hat sich geändert. Also jedenfalls hier bei uns. Bei anderen Menschen in anderen Ländern ist davon nichts zu merken.

Das neue Jahr also. Was wissen wir darüber? Wenig. Na ja, ich werde einen runden Geburtstag begehen. Dabei mag ich die Fünf. Und eigentlich mag ich eh lieber ungerade Zahlen.

Was noch? Das Leben, der Alltag, geht ab Morgen wieder los. Die Läden machen wieder auf. Die Welt tut so als ob. Immer tut sie so als ob.

Was bleibt? Was ändert sich; und warum? Änderungen brauchen Kraft. Nein, es ist nicht das neue Jahr, das über meine Kraft bestimmt. Wie viel, das mit betrifft, gestalte ich eigentlich selbst und wie viel geschieht – so oder anders –, weil ich mich nicht entscheiden wollte, mich nicht entschieden habe, mich nicht in mein eigenes Leben eingemischt, es nicht mitgestaltet habe? Wem gebe ich die Schuld, wenn es nicht passt, wenn es nicht wird, wie ich es mir passiv erhoffte?

Viel oder wenig. Mehr oder weniger.

Pläne lassen sich selten exakt in die Wirklichkeit übertragen. Auch Wünsche und Sehnsüchte nicht, aber deshalb nicht zu träumen und nicht zu planen ist ja eigentlich auch doof.

Hoffen? Gern, aber worauf? Werden wir es schaffen, wir Menschen, unseren Zerfall aufzuhalten?

Das neue Jahr also. »Sei uns freundlich gesinnt« würde ich dich bitten, wenn du denn handlungsfähig wärst. Dabei bist du nur vergängliche Zeit und bewegst dich, weil wir uns bewegen. Anders die Erde, die sich immerzu dreht, was immer wir auch tun. Und lassen. Und unterlassen.

Aus der Zeit gefallen

Bei unserm kleinen Spaziergang am Samstagnachmittag denke ich über meine Wahrnehmung der Zeit nach. Und über die Dinge, die ich beim Durchschreiten der Zeit so tue. Normalerweise klebe ich Erlebnis an Erlebnis, Ding an Ding, eins ans nächste, und webe mir so aus den Dingen, die ich tue, ein dichtes Alltagsgewebe. Jedes Ding, das getan ist, hake ich ab, froh und erleichtert, es getan und nun hinter mir zu haben, selbst wenn es etwas Schönes war.

Ein einziges Hinter-mich-bringen-von-Dingen ist Leben letztlich, ein einziges Verschieben von Dingen von A nach B, bildlich und physisch, zumindest bei mir. Am Morgen auf den Abend schielend, wo ich auf die getanenen Dinge zurückschauen werden kann – mit einem übrigens durchaus guten, befrieidigenden und zufriedenen Gefühl, das ich natürlich auch tagsüber beim Tun von Dingen erlebe. Nur ist eben immer dieses Getrieben-Gefühl mit im Spiel: mein Zeiterlebnis als voranschreitende Bewegung auf einer Linie mit einem immerwährenden Schnell-Schnell-Schnell im Innenohr – Konditionierung sei Dank.

Doch dann gibt es auch diese wahrhaftigen Momente, diese Dinge, diese Erfahrungen, diese Erlebnisse, diese Tun-Dinge, bei denen ich aus der Zeit falle. Das sind für mich die wahren Zeiten, obgleich sie unmess- und unfassbar sind. Die Glückszeiten. So wie gestern, als wir etwa zwei oder drei Stunden collagiert haben. Das Ergebnis am Schluss ist weniger wichtig als das Aus-der-Zeit-Fallen. Ich erlebe das auch beim Spazieren, Wandern, Radeln oft … In der Natur. Und beim Lesen oder Hörbuchhören …

Geht es also womöglich beim Sich-Finden nicht letzlich irgendwie darum, sich zu verlieren, sich in der Zeit zu verlieren?

Herbst

Da isser ja, der Herbst. Und mit ihm wieder einmal ein kleiner Test, äh, Text, um zu testen, ob meine ActivityPub-Verbindung wieder geht.

Ich wundere mich

Nach meiner Pechsträhne voller Krankheiten und Unfälle kurz nach dem Umzug – eine Woche Fieber, dann die Iliosakralgelenk-Rückenschmerzen, die Augenverletzung und schließlich letzte Woche noch die Fingerwunde durch einen dummen Nähunfall – könnte ich ja jetzt versuchen, die Nachhalle dieser Ereignisse als kleine Alltagswunder zu betrachten und mich herzlich darüber zu wundern.

Meine Rückenschmerzen sind nach »nur« knapp drei Wochen verschwunden, statt – wie von der Physiotherapeutin vorausgesagt – sechs Wochen zu bleiben. Wow!

Das verletzte Auge hat sich nicht infiziert und ist in Rekordzeit verheilt. Ebenso der linke Zeigefinger, den ich mir letzten Donnerstag – am Nationalfeiertag ausgerechnet! – beim Nähen mit einer abgebrochenen Maschinennähnadel durchstochen habe. Eine reine Fleischwunde übrigens, ohne Knochen- oder Nagelverletzung. All das heilt sehr gut. Wunderbar ist das.

Und gestern gleich noch so ein Wunder. Wir kamen von unserer dreißig Kilometer langen Radtour zurück nach Hause. Als ich mein Rad abschließen wollte, stellte ich das Fehlen meines Schlüsselbundes fest. Wir durchsuchten alle Taschen, doch da war nichts. NICHTS!

Die Haustür war mit dem hölzernen Bremsklotz halb geöffnet, sodass wir eintreten konnten. Ich schlug vor, dass wir uns auf die Treppe vor der Wohnung setzen sollten und ich von dort aus einen Schlüsseldienst anrufen könnte. Was sah ich, als ich gerade auf der Treppe Platz nehmen wollte? Mein Schlüsselbund! Da lag er, auf meinem Schuhkasten. Vermutlich hatte ich den Schlüssel an der Tür steckenlassen – es wäre nicht das erste Mal! –, als ich nochmals in die Wohnung gegangen war und den vergessenen Radtacho geholt hatte. Danke, Danke, Danke, liebe Nachbarinnen!

Ich hoffe, dass ich jetzt das Pech dieses Jahres aufgebraucht habe und vor allem, dass ich endlich wieder achtsamer und aufmerksamer leben kann. Und stressfreier.

Ohne Hoffnung geht irgendwie gar nichts

Heute in einem Monat – wenn alles gut geht, was ich hoffe, denn ohne Hoffnung geht nämlich gar nichts – sitze, esse, dusche und schlafe ich unter einem neuen Dach. Und das nicht nur für ein paar Ferientage, sondern weil ich ab Juli eine neue Wohnung im selben Ort haben werde.

Seit drei Wochen weiß ich es. Seit drei Wochen bin ich am Ausmisten. Am Freitag war ich auf Entsorgungstour in verschiedenen Brockenhäusern und in den Wochen davor habe ich schon mindestens einen (Schweizer) Zentner Altpapier und anderes zum Recyclinghof gebracht. All das, was ich nicht mit umziehen will, ist nun raus. Wobei sicher auch jetzt noch, wenn ich mit Packen angefangen haben werde, noch das eine oder andere rausfällt.

Noch ist vieles ist unklar, die Nachmiete, der Umzugstermin, doch aus Erfahrung weiß ich, dass sich nach und nach alles fügt. Womit wir wieder bei der Hoffnung sind. Und bei gemachten Erfahrungen.

In zwölf Jahren hat sich viel angesammelt. Und bei den beiden letzten Umzügen habe ich leider wenig ausgemistet. Es gab viel zu tun.

Diesmal werde ich mit weniger Gepäck in eine größere und günstigere Wohnung umziehen. Am meisten freue ich mich darauf, bald einen separaten Arbeits- und Kreativraum zu haben. Und ein Gäst*innenzimmer. Mehr Platz. Ich freue mich aufs Einrichten. Auf den Neuanfang.

Die letzten zwölf Monate waren voller Abschied und Neuanfänge. Todesfälle, neue Diagnosen, einige erste Male und jetzt noch eine neue Wohnung. Meine Seele hinkt hinterher. Das Herz schlägt manchmal zu schnell, zu laut. Ängste melden sich. Vor nicht abschätzbaren Kosten beispielsweise. Und weil es noch an Menschen fehlt, die beim Umzug und beim Putzen ganz konkret Hand anlegen können. Menschen, die die Kraft dazu haben. (Bisher sind wir zu dritt.) Aber auch das wird sich, so hoffe ich, irgendwie lösen lassen.

Hoffentlich.


In eigener Sache: Mein Umzugssparschweinchen und ich freuen uns über Futter. Danke.

Vorhang

Frühmorgens. Schon wach. Der große Tag. Am Nachmittag kommen die Umzughelfenden und wir füllen gemeinsam den LKW, den J. am Montag vollgepackt über die Grenze fährt. Doch heute und bis dahin ist noch viel zu tun.

Heute Abend dann dies hier, lange Wochen vorfreudig erwartet:

Büne ist Meccano Destructif Commando. Zwei Monate lang. Und heute in meinem Lieblingskulturraum. Was für ein Schlussbouquet!

Mehr dazu unter: http://www.buenehuber.ch/

Doch vorher heißt es in die Hände spucken 🙂

deshalb

Im Straßenverkehrsamt sitzend auf die neuen Autonummern zu warten ist eins. Dies aber im Wissen zu tun, dass ich mit zwei Nummernpaaren statt einem das Amt verlassen werde, lässt mich grinsen.

Mein Auto gehört ab heute offiziell meinem Lieblingsbruder, wir teilen es uns aber. Offiziell. Die alten Nummern, vor Jahren von meinem Garagisten für die Ewigkeit und einen Tag mit Schrauben befestigt, kann ich vor dem Amt trotz massivem Kraftaufwand nicht entfernen. Trotzdem bekomme ich die neuen samt Ausweis ausgehändigt. Geht also doch!

Und natürlich muss ich die alten subito zurückschicken. Aber so kann ich bis zuletzt meine Parkkarte verwenden, super! Rostseidank …

Meine Entsorgungstour hat mich bei meiner Lieblingskioskfrau anhalten lassen. Sie kauft neuerdings Bücher an und verkauft sie weiter. Etwa einen Drittel bin ich los und um ein bisschen Bargeld reicher. Ihrem Bekannten, der sich in zwei Bücher verliebt hat und ihr habe ich gleich noch privat ein paar Bücher geschenkt. Win-win für alle.

Wohin nun mit den Blumentöpfen? Die wolle niemand, sagte die Frau von der Friedhofsgärtnerei. Hm. Wegwerfen? Umziehen?

Kleine Probleme, die ich da habe.

ewig leben lieber nicht

Mir Träumen erlauben und sie erfüllen. Wer weiß schon, wie lange ich noch lebe, dachte ich als ich vor zwei Stunden über den Friedhof spazierte. Seit siebeneinhalb Jahren gehe ich hier regelmäßig vorbei. Früher häufiger. Das Grab meines Sohnes – in mitten all der anderen Kindergräber – ist mir ein tröstlicher Ort der Ruhe. Nach einem sehr arbeitsreichen, sehr anstrengenden und auch irgendwie sehr befriedigenden Arbeitstag – der am Nachmittag eine Sitzung mit einer junger Flüchtlingsfrau beinhaltete, die im hintersten Dorf inmitten der sanfthügeligen Landschaft des tiefsten Emmentals wohnt –, gönnte ich mir eine kleine friedhöfliche Auszeit. Morgen bin ich krankgeschrieben. Mein Kreislauf rotiert und kommt kaum mehr zur Ruhe. Wenn ich jetzt nicht die Bremse ziehe, weiß ich auch nicht, wie ich die nächste Woche überleben soll. Das große Event, auf das hin wir seit Monaten arbeiten, wird endlich – am Mittwoch – Wirklichkeit. Und am Tag danach feiere ich meinen Büroabschied. Zwei Tage später laden wir den Umzugswagen. Vier Tage später ist Bern Vergangenheit. Wirklichkeit dies alles? Oder nur ein paar Ideen im Kopf? Wer weiß schon, was morgen ist?

Sich Träume erlauben. Ihre Erfüllung zulassen. Angesichts des Super-GAU in Japan vielleicht die einzige Alternative zu leben, sagte Irgendlink sinngemäß. Gegenwart ist die einzige Wirklichkeit.

Auf dem Friedhof ist ein weiteres Feld erneuert worden. Wie viele Grabkreuze habe ich in den letzten siebeneinhalb Jahren verschwinden sehen? Und wieder sind viele alte Kreuze und Grabsteine entfernt und viele über zwanzig Jahre alte Gräber ausgehoben worden. Nun ist von den Menschen, die einst unter Tränen dort begraben worden sind, nichts mehr da. Selbst die Knochen wurden, gemeinsam mit vielen anderen Knochen, dem endgültigen Zerfall überlassen und werden wieder zu Erde. Nichts ist mehr da. Oder endlich alles. In homöopathischen Dosen. Im Wasser, in der Erde, wie gesagt, und in der Luft. Und in hundert Jahren sind auch meine Knochen Erde, habe auch ich mich aufgelöst. Ganz ohne SuperGAU. Nein, das meine ich nicht zynisch. Ein Fakt. Ein Trost sogar. Irgendwie. Und eine befreiende Erkenntnis

Mit ihr ging es sich auf einmal ganz locker durch die Gräberreihen. Was rackere ich mich auch ab? Eines Tages ist ja eh nichts mehr da. Von mir nicht und von niemandem mehr. Kein Stress mehr und keine Sorgen. Kein Leid und kein Schmerz. Und auch kein Lachen mehr. Kein Garnix. Wozu also sich sorgen?

Da war doch dieser Tage jenes Gespräch über ein möglichst langes Leben?
Nein, ich will nicht möglichst lange leben, aber glücklich!, hatte ich gesagt. Genau. Alle meine Lebensträume drehen sich um ein glückliches und sorgloses Sein. Zufriedenheit. Nicht in Saus und Braus muss ich leben, sondern im Frieden mit mir selbst. Dazu umgeben von Menschen, die ich mag und wo Liebe, Freundschaft und Respekt im Zentrum stehen. Außerdem jederzeit bereit zu gehen. Mir meiner Vergänglichkeit bewusst.

Ein schöner Traum. Idealistin, die ich bin, ewige.

(verfasst am 16.3., abends)

Von Übergängen und anderem Überzöix

Übergänge wäre ein guter Titel. Oder genug. Nein, eher zu viel. Womit wir doch wieder bei den Übergängen wären, die sich irgendwo zwischen genug und zu viel im Niemandsland aufgebaut haben. Zollposten gleich.

Zwischen den rotweißen Balken stehe ich irgendwo. Zwischen drin. Weder innen noch außen. Noch nicht drüben und nicht mehr hier. Wie in einem der Lieder meiner Lieblingsband. (Nonid u schonümm, Seite 4) Kaum auszuhalten sind solche Phasen und mein Körper reagiert mit Erschöpfung. Seit vier bin ich wach. Das laut und schnell klopfende Herz ließ sind auch mit Baldrian nicht beruhigen. Um halb sechs, nach anderthalb Stunden mich hin- und herwälzender Unruhe, griff ich zum Krimi und konnte mich so zum Glück ein bisschen ablenken. Ablenken von all den Pflichten, die mich im Büro erwarteten. Zu viel. Zu viele Pflichten, die mir einerseits mein den Urlaub genießender Scheff aufgetragen hat, andererseits Pflichten, die zu meinem Alltagsjob gehören und dann auch solche, die mit meiner Funktion als Mitglied der Arbeitsgruppe Öffentlichkeitsarbeit zusammenhängen. Nicht zuletzt mein Anspruch von Perfektionismus. Besonders in Bezug auf die Übergabe meiner Aufgabenbereiche an meine Nachfolgerin, die vor drei Tagen angefangen hat.

Die Zeit, sie rennt. Sagen derzeit alle. Überall. Schreibt Irgendlink. Oder sie versteckt sich vor mir und macht sich klein.

Alles baut sich auf, scheint es mir, alles spitzt sich zurzeit zu, der Spannung vor einem Gewitter gleich. Alles verdichtet sich in meinem Leben und fokussiert das Monatsende. Das Finale in Bern. Täglich schieben sich neue ToDos in meinen eh schon ziemlich vollen Kalender. Dazu wollen mich liebe Freundinnen und Freunde nochmals sehen und Abschied nehmen. Und ich natürlich auch von ihnen. Mir ist, als würde ich nach Australien auswandern, nicht bloß in die Pfalz. Was im Grunde nicht viel weiter ist als in die Süd- oder Ostschweiz. Nur eben über die Grenze. Und das ist doch ein ziemlich großer Schritt, zugegeben.

Obwohl. Grenzen überschreite ich zurzeit täglich, meine ganz persönlichen. Nicht immer zum guten, leider, denn meine eigenen Ressourcen kommen kaum nach sich zu erneuern. Ich gestehe, ich fühle mich überfordert.
Wie eine Decke, an der alle ziehen,
sagte ich heute zu Kollegin M., meiner Nachfolgerin. Mein Körper bremst mich aus. Fieber, seit heute Morgen, nicht hoch, aber doch genug, damit ich begreife, dass ich entschleunigen muss. Zum Glück habe ich drei Tage frei.

Heute eine Einladung zum Mittagessen bei Freundin C.. Soll ich absagen? Mit Fieber werde ich keine tolle Besucherin sein, überlege ich ihm Büro. Nein, halt, ich will C. sehen!, entscheide ich und radle los. Zu spät zwar, aber besser als nie.
C., du hast mir das Leben gerettet!, sage ich ein paar Stunden später, beim Abschied. Little-F., der kleine Strahlemann und seine Mama winken zum Abschied. Mein mentales Gleichgewicht ist trotz des Fiebers wieder im grünen Bereich.

Heißes Bad, Grog, schlafen … hilft alles zusammen ein bisschen. Doch noch dröhnt der Kopf. Noch bin ich zu aufgekratzt um loszulassen. J. kommt heute Nacht, will in den nächsten fünf Tagen das Bern-Meisterwerk vollenden. Und mich sehen auch, natürlich, und ich ihn. Trotz meiner Erschöpfung, die sogar Vorfreude frisst.

Grad wünsch ich mir nichts sehnlicher als das ganze Überzöix wie Pflichten im privaten und im Berufsleben einfach wie eine Schlangenhaut auszuziehen, abzulegen und mich fallen zu lassen.