Offline wolle ich sein während unserer Wanderung, schrieb ich vor dreizehn Tagen. Digital Detox für eine Internetsüchtige wie mich. Offline bin ich auch, oft. Meistens sogar. Aber am Morgen und Abend checke ich doch kurz meine Mails und ab und zu gibts ja sogar ein Blogbild.
Heute weiche ich sogar noch ein bisschen mehr von der Offline-Regel ab. Was wäre das auch für eine Regel, wenn ich sie nicht hin und wieder brechen würde? Ist doch wahr!
Wie naiv und unwissend ich doch vor kurzem noch war!
Vor zwei Wochen hatten wir noch keine konkrete Ahnung, wohin uns unsere Wanderung führen würde. An Gotthardpass hätte ich nicht im Traum gedacht. Kiental im Berner Oberland, Via Mala in Graubünden, Wandern an der Reuss oder einem andern Fluss standen zur Diskussion. Reusswandern wurde immer mehr zum Favoriten, da wir diesem Fluss ja direkt ab Haustür folgen konnten. Immer mit dabei die Option, einfach jederzeit einen neuen Weg einzuschlagen, falls wir das wollten. Außerdem klang Reusswandern moderat oder zumindest am wenigsten anstrengend. Das sollte doch wohl auch eine wie ich, die noch nie länger als zwei Tage am Stück gewandert ist – und erst recht noch nie mit einem fünfzehn Kilogramm schweren Rucksack – schaffen. Dachte ich. Ha!!!
So schloßen wir am vorletzten Freitag um zwei Uhr nachmittags die Haustür ab und liefen los. Eine Pilgerreise sollte es für mich werden, beschloss ich, wozu Irgendlink meinte, dass letztlich jede Reise eine Pilgerreise sei. Recht hat er.
Knapp wusste ich Geographie-Banausin, dass die Reuss aus der mir fast unbekannten Innerschweiz in den Aargau floss. Aus dem Zugersee vermutete ich. Ja, in Geografie hatte ich einen Fensterplatz, ich gestehe es.
Die ersten drei-vier Tage waren landschaftlich so schön-urig-wildromantisch-lieblich, wie sie körperlich hart waren. Danach wurde die Sache mit dem Wandern mit jedem Tag besser. Die Blasen zwischen den Zehen sind auch schon fast verheilt. Kopf und Herz sind klar und leicht.
Unser Wanderübermut und unsere Lebensfreude, gepaart mir Neugier und Erforschungsdrang haben uns reusswärts immer weiter südlich geführt. Der Weg wächst, wenn wir ihn gehen, heißt es in Irland. Wie wahr!
Wir lernten die Reuss als Freundin kennen und erfuhren in Gesprächen mit Menschen unterwegs, woher sie kommt. Und von Wikipedia. 🙂
In Hospental, auf 1450 m. ü M. trafen wir die tolle Entscheidung, der Gotthardreuss zu folgen (der Furkareuss folgen wir vielleicht ein ander Mal?).
Drei Stunden dauere die Wanderung, meinte die Rössli-Wirtin gestern morgen. Mit Rasten und Fotostopps unterwegs, schweren Rucksäcken auf den Rücken und vom Regen auf dem letzten Drittel ausgebremst, brauchten wir fast viereinhalb. Egal – es war eine wunderwunderbare Wanderung! Nein, Regenwandern ist nicht toll, kein Zuckerschlecken wahrlich, aber die ersten zwei regenfreien Drittel durch hochalpine Vegetation, Alpenrosen, Riesenfarne, gurgelnde Bäche, ab und zu ein Sonnenscheinchen, waren einfach nur GRANDIOS. So was wollte ich ja mit Irgendlink schon lange mal machen (allerdings nicht unbedingt mit fünfzehn Kilo auf dem Rücken). Tja …
Auf ungefähr neun Kilometern sechshundertfünfzig Höhenmeter ersteigen ist für Wander- und Pilger-Elevinnen wie mich eine tolle Leistung. Hut ab, Sofasophia, *schulterklopf*! Dazu Regen. Alles (ausser die Kleider unter der wasserdichten Regenjacke) klitschnass, ein Fußbad vom feinsten in den Wanderschuhen. Und dies alles ohne zu Murren, denn es war das, was ich wollte: auf den Berg hoch. Außerdem konnte ich es ja nicht ändern (ob ich wohl by the way ausdauernder und zäher geworden bin? Vermutlich.).
Im Ospizio haben wir ein Zimmerchen bezogen und so herrlich heiß geduscht, dass die Haut kribbelte und sich rötete. Mit Föhn und Heizkörpern haben wir Kleider und Dinge trockengelegt und ein köstliches Loblied auf die Zivilisation gesungen.
Und jetzt? Gehts weiter Richtung Süden. Vielleicht gibts da ja ein paar Sonnenstrahlen?
Ich saß am Wegrand und lauschte
und hörte des Käfers Lied.
Nur wenige Meter weg rauschte
Verkehr durch das Neubaugebiet.
In neu ausgehobenen Teichen
hatten Enten sich breitgemacht.
Dort lag ich im Gras, im weichen,
alleine dann – die ganze Nacht.
Der Käfer
Ich sah keine Sterne funkeln,
der Stadthimmel war viel zu hell.
Und Angst hatte ich nicht im Dunkeln
vor heftigem Hundegebell.
Verschont blieb ich vom Regen
in dieser lauwarmen Nacht,
als einsam im Gras ich gelegen
hab’ und über Glück nachgedacht.
Montagmorgens um perversfrüh halb acht auf dem Bahnhof B.. Menschen fluten die Treppe herunter, die ich hinauf muss. Ab und zu bleibe ich stehen, um nicht angerempelt zu werden. Oder um niemanden anzurempeln.
Meine zweitletzte Fahrt mit dem Zug nach Bdf steht mir bevor. Anderthalb Stunden bis ins Büro, am Abend nochmals. Ich datiere meine Fahrkarte und gehe langsam, mich um die andern Pendlerinnen und Pendler schlängelnd, zu meinem bevorzugten Einstiegsort fast in der Mitte des Perrons, zwischen den Treppen. Dort wird am wenigsten geplappert, auf dem Steig und im Zug. Kaum bin ich dort, fährt der Zug ein. Immer bin ich knapp, nie habe ich ihn verpasst und nur gerade zweimal in einem ganzen Jahr kam ich wegen technischer Probleme zu spät. Verschlafen habe ich mich nie, ich Schweizerin. Dafür war ich ein paar Mal krank. Resümée im Zug auf Handytastatur.
Lemminge. Der Zug fährt immer langsamer, ruckelt nur noch in Dezimetersprüngen, und bleibt schließlich stehen. Wir tun es ihm gleich. Wie Japanerinnen mit kleinen Füßchen ruckeln wir Wartenden möglichst nahe zur Tür, ellbögeln uns unauffällig in die erste oder zumindest in die zweite Reihe.
Die Türen öffnen sich mit schrillem Gejammer, dann kotzt der Zug Menschen aus. Nach der letzten Frau – ist es eigentlich immer eine Frau, die zuletzt aussteigt? – wechselt die Fließrichtung. Wie bei den Lachsen. Oder ist es ein großer Magnet, der uns Menschen in den Zug hineinzieht, uns Lemminge?
Ich finde einen Platz in einem Viererabteil, das ich mit einer jungen Frau teile. Bereits macht sich die Sommerferienzeit bemerkbar. Der Zug ist weniger voll als sonst. Wir fahren los, während ich mein Phone aus dem Rucksack hole um diese Zeilen hier zu tippen.
Nächster Halt: B…! Ein Raunen und Lächeln geht durch den Zug, einige (ich zum Beispiel) blicken verstohlen aus dem Fenster. In B. bin ich doch vorhin eingestiegen? Bin ich im falschen Zug? Fahre ich gar rückwärts, zurück ins kuschelige Bett? Nächster Halt: A…!, klingt nun die korrekte Ansage durch die Lautsprecher. Fehler sind menschlich, aber sie müssen korrigiert werden.
In A. spuckt der Zug wieder viele Leute aus und saugt mit seinem großen Magnet neue Leute an. Billettkontrolle! Alle Billette bitte! Kollektives Kramen in Taschen, Hosen, Jacken und Rucksäcken. Ich hatte immer ein gültiges Billett dabei, ergänze ich meine Kopfstatistik. Nein, falsch, einmal bin ich dunkelgrau gefahren. Ich wollte kurzfristig ein Handybillett lösen, da ich erst auf dem Bahnhof gemerkt hatte, dass die Mehrfahrtenkarte voll war. Dummerweise konnte ich mich partout nicht ins Internet einloggen und doppelt dumm war, dass ich ausgerechnet an jenem Morgen mein Portemonnaie zuhause im andern Rucksack vergessen hatte. Doch das Glück war mir hold und an jenem Morgen gab es keine Kontrolle. Im Büro hatte ich mir Geld für die Rückfahrt ausgeliehen.
Wir treffen pünktlich in O. ein, Ausstieg in Fahrrichtung links, schallt es aus den Lautsprechern. Ob es wohl noch ein anderes Land gibt, dass sich in der Durchsage für seine Pünktlichkeit rühmt? Japan vermutlich? Früher, als sowieso alles besser war und die Züge immer pünktlich fuhren, pünktlicher als heute, brauchte es diese attributive Aus- und Ansage nicht.
Pünktlich auf die Minute steige ich in O. aus, lasse mich mit dem Fluss der PendlerInnen treiben, in die Unterführung spülen und eine weitere Treppe hoch. In einen andern Zug. In einen noch sehr stillen Zug. Vielleicht zehn Nasen bis L., voller wird der Zug erst in H.. Ich packe mein Joghurt und meine Karotte. Mein bewährtes erstes Frühstück. Zuhause bringt ich außer ein paar Feigen noch nichts runter. So früh morgens kann ich nichts essen.
Durch ihre Augen
Nachher suche ich den E-Book-Reader und lese bis ich um zwanzig vor neun in Bdf. ankomme. Der zweitletzte Bürotag mit Austrittgespräch.
***
Stunden später. Es ist Abend. Viertel nach fünf. Wieder besteige ich einen Zug. Nachhause. Heute ist der Feierabendzug nur halbvoll. Die andere Hälfte der Menschheit ist in den Ferien. Angenehm ruhig ist es. Nicht zu heiß, nicht zu kalt. Manchmal wünsche ich mir ja auch im richtigen Leben diese Ausgewogenheit, aber lauwarm passt nicht wirklich zu mir.
Ach, dieses Gehen auf den Straßen der Stadt, wie es mich ablenkt und unterhält, abstößt und dann wieder mitreißt in den Fluss der winzigen Ereignisse und mit flüchtigen Begegnungen füttert, welche eine Mitschrift fordern, heute anders als gestern und morgen wieder neu.
Gleich beim Raustreten, diese Lichtfülle: blendend heller Sonnenschein, ein Vademekum auf einer Runde, die mich zunächst kurz den Stadtpark durchstreifen lässt. Dort springen mir die samtig grün in der Sonne leuchtenden Baumrinden in die Augen. Vereinzelt kommen mir Jogger mit ihren Leidensmienen entgegen, und eine walkende Rentnerschar kreuzt meinen Weg, aus deren Mitte ich das Satzfragment „schlau machen über die grünen Damen“ vernehme. Bevor ich länger über den möglichen Sinn dieser Verlautbarung ins Grübeln gerate, lenkt mich schreiender Graffitikitsch ab, der die strenge Tektonik einer Backsteinwand mit einer silbern glänzenden Haut und einem mir unbekannten Schriftzug bedeckt. Ich schlendere weiter, ohne Mühe und Not, überspringe federleicht die Baumschatten, höre in der Ferne das Lärmen der Spielplatzhirsche, schaue zwei Eichhörnchen beim Umkreisen eines Stamms im flotten Tanz ihres Liebesspiels zu, und pfeife dem dunklen Begleiter an meiner Seite ein munteres Liedchen.
Kurz hinter dem Park komme ich an einem „Space Art Center“ vorbei, in dem „TranceEvents“ angeboten werden. Amüsiert über diese „multikreative“ Erlebnishilfestellung erfreue ich mich am Anblick einer gewöhnlichen Plastiktüte, die durch den böigen Wind aufgeblasen und auf die Straße gefegt wird. Ein Auto überfährt sie mit einem hellen Ton, durch den einige Passanten erschrocken ihren Gang unterbrechen und innehalten. Die Ramschauslage eines Buchladens lasse ich aus Gründen meiner leichten Verführbarkeit lieber links liegen und trotte weiter durch verminte Grünanlagen, überhole einen übergewichtigen Briefträger mit honiggelbem Bürstenhaar, in dem sich Pappelsamen verfangen haben, und treffe in einer Einkaufsstraße auf rastlose Beauty-People beim Konsumglücksspiel, die ich treidelnd umgehe.
An einer Baustelle beneide ich für einige Momente den Kranführer wegen seiner Übersicht, mit der er das Wimmelleben unter sich zu betrachten in der Lage ist, bis mich das Wort „Tageszulassung“ in dem Schaufenster eines Autohauses zu einer Instant-Meditation über Tage mit und ohne Zulassung anregt: etwas loslassen, sich gehenlassen, andere fallenlassen, alles oder nichts zulassen. Als lässliche kleine Sünde gönne ich mir bei einer Bäckerei drei Quarkbällchen und gehe weiter, um nach wenigen Schritten einen Vertreter der Generation Golf beim Parken einzuweisen und dafür ein geschäftsmüdes Lächeln als Dankeschön zu erhalten.
Parfümbomben explodieren in der Nähe der „Wohnsinn“-Anlagen, wo betuchte und statusbewusste Mütter in spe ihren Nachwuchs stolzgeschwellt vor sich hertragen. Eine der Hochschwangeren wendet angeekelt den Blick von dem Schauspiel ab, das sich an der nahegelegenen Ampel ereignet. Dort taumelt ein junger Mann unruhig umher. Er versucht offenbar mit seiner rechten Hand aus der Hosentasche ein paar Münzen zu fischen, warum und zu welchem Ende bleibt auf immer unerkannt. Eine ewiglange Minute verbringt er mit dieser Tätigkeit in einer unbequemen, wankenden Körperhaltung. Als er sich aufrichtet, sehe ich, dass eine glühende Zigarette lose in seinem halboffenen Mund hängt. Dann nimmt er die beiden neben sich stehenden Bierflaschen an sich und torkelt bei Rot über die Straße. Von keinem Auto erwischt, doch von vielen Umstehenden ungläubig und missgünstig beobachtet, erreicht er unversehrt die andere Seite und entschwindet bei der nächsten Ecke in der Menge. Ich wundere mich über den passgenauen Satz, den ich unvermutet auf einem Mülleimer zu lesen bekomme: „Drink your Beer and Mosh“.
Zuletzt fällt mir noch ein „ReadyMix“-Lkw auf, der mich freudig heimkehren lässt, da dieser Name an meine promisken Augenreisen auf den Straßen der Stadt erinnert. Es ist ein ständiger Wechsel der Szenen, in die ich nicht eintrete, ein Puzzle zufälliger Bilder, die mein Blick isoliert und dann wieder dem Fluss der Erscheinungen übergibt, zwischen Sehen, Würdigen und Loslassen pendelnd, einzig betreut von meinen Assoziationen und inneren Texten, mit dem Vorteil, am Ende eines jeden Spaziergangs weder vollkommen zufrieden noch wirklich enttäuscht zu sein. Und so werde ich weiter hoffnungsfroh meine Tage verwalsern und dabei im steten Vertrauen auf den nächsten Schritt diese verspielt hinfälligen Scherben des Alltags sammeln: Was braucht man andere Abenteuer!
Spaziergänge mit struppigen Hunden sind eine gesunde Sache, sagt der Doktor, schon wegen der vielen Hundehaare, die man beim Gehen einatmet und die sich weiträumig ums Herz legen und es abfedern.
Lebt man zudem im Bergischen Land, im fiebrigen Wupperdelta, in der Neuen Eisenzeit, wo die Wälder wieder rauschen, dann ist das Herz mehr als gewappnet.
Dann darf man noch viel längere Spaziergänge machen.
Oder, wie mein türkischer Arbeitskollege Erhan vor Jahren zu sagen pflegte, bevor er sich beim Ein-Euro-Job wieder mal in die Kulissen verdrückte: “Erhan jetzt Spazirrgehen bla-bla-bla!” Dann streckte er einem die Zunge raus und war weg für den Rest des Tages.
Ein Wort, das fatalerweise in der Kindheit an die Tugendhaftigkeit verfüttert wurde, an biedere Sonntage mit Oma und Opa. Dabei ist es ein Streunen. Ein wildes Klettern, ein Raufen im Morast! ein Brennen! Ein Erobern von Landschaft! Den Göttern folgen, in ständiger Vorfreude auf den nächsten Schritt!
voran!
*
“Das ist nicht schön!” schnaubt die Gräfin.
Na, da hat sie recht.
Das ist in der Tat nicht schön, wenn man aus der Haustüre tritt und es wabert ein Geruch durch die Luft, als habe der mopsige alte Mann von gegenüber Leberwurstbrötchen gegessen und in der Folge mehrmals kräftig aufgestossen.
“Ich hab überhaupt keine Lust mehr auf Spazierengehen”, jammert sie.
“Ja ich denn?” jammere ich zurück.
“Leberwurst”, denkt der Hund, die Nase hart im Wind.
Ach was! Spaziergang am frühen Abend! Zur besten Sportschau-Zeit im Herbst! Leichter Regen! Ritual! Abenteuer!
Wir drehen eine Runde über die Felder. Es riecht nach Leder und Licht, nach unserer Erde. Nach wenig Schlaf und kess durch die Zellen klimpern. Nach Radfahrern, die von hinten heranflattern, nach Hundekötteln am Wegesrand, dick wie Sonntagsbuchstaben.
Alle drei Meter bleibe ich stehen und notiere etwas. Eine Idee, ein Bild, ein kleiner Satz.
“Was schreibst du denn da andauernd auf?”
“Drei Meter Sätze”, sag ich.
*
Wir biegen in den Wald ein. Der Wald in den Wupperbergen ist eine große dunkle unheimliche Truhe. Man kann dreißig Mal an derselben Stelle abbiegen und glauben, jeden kleinen germanischen Feuerbusch zu kennen, doch biegt man aus Versehen auch nur einen halben Meter zu weit rechts ab, tut sich gleich unbekanntes Terrain auf, die neue, die andere Welt.
Spaziergang.
Ein kleines Blatt, das AUGENSCHEINLICH keine Lust hat, zu Boden zu fallen, steht mitten in der Luft. Regungslos. “Ich bin ein Wunder”, säuselt es wie angetrunken und schwebt auf uns zu, tänzelt wie am unsichtbaren Faden. Den Trick offenbart das Gegenlicht: das kleine Blatt ist tot vom Baum gefallen und hat sich in einem Spinnennetz verfangen, das quer über den Weg gezimmert wurde, in Kopfhöhe.
“Dass der Tod so schön sein kann, so leicht”, murmelt die Gräfin.
Jäh reißt ein Windstoß das Blatt fort; wie eine Sternschnuppe saust es um mich herum und kracht mir mitten auf die Stirn, samt Spinnennetz. Die Gräfin lacht frei heraus. Es sind kleine LSD-Tränen.
Sie steht da wie das Sterntalermädchen.
*
Wir alle sind nur da Mensch, wo wir uns fallen lassen können, ohne wenn und aber, keine Stützräder und keine Fixseil, wo wir ohne Angst in den Augenblick hineinrauschen.
Geschlagene anderthalb Stunden sind wir auf dem alten Postweg unterwegs. Andauernd bleibt einer stehen, um sich etwas anzugucken, der andere schliesst auf und schaut es sich auch an. Wir kreisen wie Satelliten um die eigene Geschichte.
“Das ist kein Gehen, das ist relativ flottes Stehen”, übernehme ich die Deutungshoheit.
Wir verlassen den Andromedanebel der gesicherten Pfade und kraxeln die Wupperberge rauf und runter, der Hund begeistert voran. Das ist sein Metier. Unterwegs in unwegsamen Gelände, die Nase am Boden, ein Trüffelschwein.
“Molli riecht wie meine alte Blockflöte”, schnupperte die Gräfin am Fell des Hundes, “wenn das Mundstück nass war, voller Speichel.”
*
Erinnerungen an die Kindheit waren unsere Morgengabe, vom ersten Moment an. Wenn man sich kennenlernt, spürt man instinktiv, ob der andere ähnlich aufgewachsen ist. Ob man in etwa das gleiche braucht im Leben. Als wir uns kennenlernten, war da als erstes dieses Muttermal über ihrer Oberlippe, diese Schokoperle. Ich hatte ein Grübchen, in dem ein Muttermal Platz hatte. Das ging in Ordnung. Das passte.
Es konnte losgehen.
*
Als Frau Moll noch klein war, gerade dem Welpenalter entwachsen, räuberte sie oft mit Spikey, einem Rüpel von einem Schäferhundrüden aus der Nachbarschaft. Die Nahkämpfe der Beiden endeten oft mit Zahnfleischbluten und ausgerupften Fellbüscheln, sie knallten mit den Rippen aneinander, dass es nur so schepperte, unter Einsatz des ganzen schnaubenden Hundekörpers.
Doch Frau Moll ist nicht mehr so beweglich, sie knickt schon mal mit den Hinterläufen ein, gerät ins Stolpern.
“Unsere alte Oma”, ruft die Gräfin verliebt.
*
Der Wald, ein Körbchen voll schräger Geräusche. Eicheln gehen zu Boden, Kastanien klackern. Eine Krähe kräht im Fliegen mit ihrem Kumpan um die Wette.
“Krah-krah!”
“Wenn man im Herbst vorüberfliegende Krähen hört, ist man innerhalb Sekunden im Mittelalter”, meint sie. “Dieser Herbst ist uralt.”
“Bronzezeit”, schätze ich.
Wir stöbern in Schonungen, entdecken einen verwunschenen, illegalen Grillplatz, wir rücken dem Wald tiefer auf die Pelle: über den alten Postweg, wo uns alle anderthalb Meter ein frischer Kuhfladen auflauert.
“Wie zum Teufel kommen Kühe in den Wald?”
“Zu Fuß”, vermute ich. “Die grillen hier. Das ist ein uralter Grillplatz der Kühe.”
Auf Laub geht man weich, wie auf frischen Leichen.
*
Ich kann nicht anders. Mir entfährt ein “kleil!”, weil sich mein Sprachzentrum auf die Schnelle nicht entscheiden kann zwischen “Klasse!” und “Geil!”, als die Gräfin sich die rote Lederleine von Frau Moll um die Hüfte wickelt, drapiert mit okkergelbem Laub tanzt sie die Herbst-Domina, im Napoleonmantel.
KLEIL!
Die Gräfin, ein seltsames, ein seltenes Arrangement von Frau.
Wie lange noch.
Nasses Laub glimmt tief im Forst, abseits der Pfade, der Hund buddelt im Erdreich, im Windschatten unserer Worte.
Die Gräfin nimmt sich vor, in Zukunft nicht mehr so viel und sorglos zu plappern, (“ach du Schande!” rufe ich aus, “mein armes Notizbuch!”), sondern ihre Gedanken lieber ins Nichts rascheln zu lassen, “dann bin ich glücklich.”
“Na schön”, sag ich. “Dann lauere ich mit dem Notizbuch künftig im Nichts.”
Geht in Ordnung. Auch gut.
*
Entlang der Bahngleise. Im Schotter nach Gegenständen fahnden, die Leute aus dem Regionalzug werfen, der alle zwanzig Minuten zwischen Solingen, Wuppertal, Remscheid verkehrt:
3 mumifizierte dunkle Rosen im Gleisbett.
“Eine Rose ist noch ein bisschen schön”, sagt die Gräfin, und legt sie zurück. “Vielleicht ist hier mal jemand tödlich verunglückt. Was meinst du? Vielleicht ist das eine Kultstätte.”
“Kann sein.”
Es kann vieles sein. Und es ist auch viel. Gewesen, vor allem. Vergangenheit überall. Solange der Mensch lebt, produziert er Vergangenheit. Und je mehr Menschen auf der Erde leben, desto mehr Vergangenheit ist in der Welt. Es ist eine mächtige Überproduktion. Man weiss nicht mehr wohin mit all der Vergangenheit. Große Deponien bedecken schon den Kontinent: VERGANGENHEIT! Ein Maximum an FRÜHER, wohin man auch den Blick wirft.
(Weil wir die Zukunft nicht kennen, multiplizieren wir einfach unsere Vergangenheit und glauben, hundert Archen werden kommen und uns retten.
Ja sicher.)
*
Ein warmer Herbstschauer pixelt vorübergehend die Gegenwart. Die Haut. Es regnet – Bindfäden?
“Wieso Bindfäden? Nein, es regnet – Bleistifte! Graphit!” ruft sie.
Und mutmaßt sofort: “Oder meinst du, der liebe Gott gurgelt? Es riecht sogar ein bißchen nach Odol.” Sie schnuppert an ihrem Ärmel. “Hier. Riech mal.”
“Leberwurst?” frag ich vorsichtig, weil ich nicht gut rieche.
“Odol! Blödmann!”
*
Pferdegetrappel in der Ferne, ein Streifen Sonne fegt heiß über unsere Köpfe, als ur-plötzliches Bügeleisen.
“Wo kommt denn die Sonne auf einmal her..?”
Ist schon wieder verschwunden.
“War nur ne Bügelvisite.”
*
Plötzlich Kuddelmuddel in der Luft. Zwei Vogelschwärme geraten aneinander, kurzfristiges Aufbrausen, denn genauso schnell wie es begonnen hat, wird die Kollision für beendet erklärt, und jeder fliegt wieder seines Luftraums.
Der Waldweg verläuft eine Weile schnurgerade, ist sogar mit Kopfstein gepflastert. Ein Biker kommt uns entgegen, mit Stirnlampe und Leuchtdioden an den Knöcheln. Fesch und sportiv rumpelt er übers Pflaster, doch als wir auf gleicher Höhe sind und grüßen, stösst er nur ein klägliches “Moin..!” aus, wie ein defektes Hodenkehlchen.
“Schätze, sein Skrotum ist angegriffen von allerhand Überlandfahrten”, so die Gräfin.
Dann doch lieber Spaziergang. Ein tugendhaftes, zutiefst biederes Wort, in der Kindheit an langeweilige Sonntage verfüttert. Dabei ist es ein Streunen. Ein Klettern und ein Raufen im Morast! Den Göttern folgen, in ständiger Vorfreude auf den nächsten Schritt! weiter!
voran!
Da taucht eine Buche vor uns auf. Präsentiert längst vergangene Botschaften, eingeritzt ins Holz. ONLY TO MY LADY-FRIEND.
Manche Zeichen sind tief in die Baumrinde gesunken, lassen sich kaum noch entziffern, anderes wirkt wie gestern erst eingeritzt. Es ist diese plötzliche Präsenz, die verblüfft, die Wiederentdeckung eines Evergreens.
Selbst die Sonne sucht sich ein Loch in den Wolken und schaut uns zu.
MARCH 1946. HENRY U. BELLA. (Ich folge einem Pfeil zur anderen Seite des Stamms..) HENRY AND BELLA IN THE WOOS TONIGHT! Es wurde ein D vergessen im August 1946, IN THE WOODS TONIGHT. War es ein Soldat der Alliierten, der sich am bergischen Frollein (Bea) bediente?
“Hallooo.. ihr Zweiiiii!” hallt es durch die Wupperberge, eine erregte Walddurchsage der Gräfin, die bereits den Hang hoch ist. Ich blicke den Hund an, der Hund bellt mich an: nichts wie hinterher!
Feuerahorn raschelt unter unseren Füßen und Pfoten.
Der Herbst ist die einzige Jahreszeit, wo es im Wald brennt, aber niemand muss löschen, hatte sie am Morgen gemeint, als wir loszogen. Der Herbst ist der Feuerläufer.
Zunächst ist es der Tanz mit den Kurven, der Kupplung, dem Schaltknüppel und den Bremsen, während der Blick über blühende Löwenzahnwiesen, weisse Kirsch- und Pflaumenbäume gleitet, hin zu den verblühten Fliederbüschen im Tal und den frischen Holunderblüten.
Was … jetzt schon? Ich staune. So, wie ich immer staune, wenn die Ebene in einem Kleid erscheint, das auf dem Berg noch im Schrank hängt. Surreal wirkt die leuchtend rote Klatschmohnwiese unter dem Alupalast, zwischen der Höhe und unten angekommen.
Nach all dem Gleiten und Schalten von oben nach unten hat mich irgendwann der Sog der Strasse wieder. Der Sog, der mich immer mal wieder, am Ziel angekommen, fragen lässt, wer sich nun eigentlich bewegt hat: die Strasse unter den Rädern, einem Fliessband gleich, oder eben doch ich den faradayschen Käfig? Wären da nicht die Pausen und damit mein Blick von aussen auf die Bahn, mit einer eigenen Komponente von Unwirklichkeit, wüsste ich es manchmal nicht mit Gewissheit zu sagen. Fahren auf der Autobahn kommt oft einer Trance gleich, einer mit hellwachen Sinnen, immer das Obachtschild im Kopf, die Strasse und ihr Geschehen im Auge.
Geschichten von damals und vordamals weben sich ins Jetzt hinein. Manchmal genügt ein Kennzeichen und schon halte ich Ausschau nach Menschen aus längst vergangenen Zeiten. Oder es ist eine Ausfahrt zu einem Ort, wo ich einst jemanden kannte oder selbst einmal lebte oder Besuche machte und mache, nur nicht gerade jetzt, oder es ist eine Raststätte, ein Parkplatz wo sich Geschichten über das Jetzt legen. Sie kommen und gehen im Takt der vorwärts rollenden Räder.
Weisst du noch … es erzählt sich von selbst …
… diese drei schweren Jungs von vor ein paar Wochen, ihre Blicke so finster, wie das gesamte Drumherum … drei schwere Jungs und die Helden der Dreispurigkeit im Allgemeinen, ihre Ungeduld, ihr Gedrängel, ihre Lichthupen und ihre bösen Blicke, wenn ich endlich rechts einschere, um sie vorbei rasen zu lassen. Manchmal gerate ich dabei in zu viel gesehene amerikanische Spielfilme, halte kurz den Atem an, spüre fast schon den Aufprall auf der linken Seite, als ob sie mich endgültig von der Bahn schubsen wollten …
unterwegs | copyright by Ulli Gau
Brumm, brumm, brumm der olle Grimm, der fährt herum, wer ihn anschaut oder lacht, kriegt den Buckel voll gemacht …
Ausatmen, weiterfahren, den schweifenden Blick geradeaus, nach hinten und zur Seite. Felder bestückt mit Windrädern, neuerdings auch mit Sonnenkollektoren,neben blühenden Rapsfeldern. Die junge Gerste schaukelt ihre Grannen im Wind … Die nächste Raststätte kommt. Pause.
Seltsam leer ist es hier und ich frage mich, ob sie nicht ganz geschlossen wurde. Steige aus, trete ein. Drinnen palavern zwei Italiener an der leeren Lounge. Ich folge dem WC-Schild. Als ich zurückkomme, palavern beide, nun auch von lebhaften Gesten untermalt, mit zwei Polizisten: ###„Ein LKW-Fahrer, er sprach nur schlecht Deutsch, hat uns gesagt, dass dort hinten eine Frau liegt. Tot ist sie nicht. Aber wir wissen auch nicht. Sie reagiert nicht.“
Dann bin ich auch schon wieder draussen. Was war das denn? Ich steige ein, fahre weiter und lausche der Fortsetzung des Krimihörbuchs von Hakan Nesser …
Pinkelpausen müssen sein. Das nächste Mal ist es ein Parkplatz. Der Wald ruft. Auf dem Weg kommt einer, der sich gerade den Hosenstall hochzieht von rechts, ich gehe nach links. Gut so … denn nur kurz dahinter kommt schon der Zweite. Autobahnstrich für Kerle? Seltsam … Was passiert hier?
Die nächste Geschichte kommt, die von den Wohnwagen, die neben der Strasse in einem Waldstück abgestellt wurden, mit Herzchen verziert und leuchtenden roten Lämpchen am Abend. Von hier geht es zu den verdreckten Dünen vor den Türen Roms, zwischen denen ausgemergelte farbige Frauen auf Campingstühlen sassen, einer wackeliger als der andere …
Vielleicht sollte ich beim nächsten Mal ein anderes Hörbuch wählen, eins, das mich zum lachen bringt, wie vor einigen Wochen der Hundertjährige, der aus dem Fenster sprang, vielleicht finden ja dann die kleinen Krimis innerhalb der Realityshow auf anderen Pausenplätzen statt. Oder ich höre wieder nur Musik, Lieder bei denen ich laut mitsingen kann, Töne finde, die ich sonst zurückhalte, nur nicht in meinem faradayschen Käfig, dem einzigen Käfig, in den ich mich gerne freiwillig begebe.
Auf meinen Wegen von Süd nach Nord und zurück liegen die Geschichten und Bilder am Wegesrand, ich muss sie nur pflücken.
Wir sind zu Fuß unterwegs, mit dem Zug oder mit dem Bus oder Taxi. Zu Fuß finden wir nicht immer gleich, was wir suchen, denn in Japan haben nur manche Straßen einen Namen. Wenn die Straße oder Haltestelle einen Namen hat und er steht auch noch auf einer Karte, fühlen wir uns als Analphabeten. Und doch ist es schön zu Fuß unterwegs zu sein. Besonders in Fukuoka genießen wir die Ampeln, bei Grün erklingen bekannte Melodien. Bei Mozart überqueren wir eine große Kreuzung.
Wir sind sicher, denn an jeder Baustelle wird uns von wenigstens einem, meist zwei Winkern der Weg gewiesen. Diese Sicherheitsfachleute haben rot leuchtende Westen und Leuchtstäbe wie Laserschwerter. Unterwegs trinken wir kalten Grüntee aus dem Automaten und manchmal Melonenlimonade, kalten Kaffee, oder Match – einen Energiedrink. Wir trinken aus und wissen nicht wohin mit der Dose oder Flasche, Mülleimer sind selten. Wir wissen wohin mit der vollen Blase, denn Toiletten sind häufig und sauber.
Wir benutzen die Bahn, den Shinkansen oder einen Expresszug. Die Expresszüge fahren unruhig, denn die Spur ist schmal, das erschwert den Klogang erheblich. Die Shinkansen sind schnell und bequem. Innen wie außen gleichen die Schnellzüge einem Flugzeug. Wie bei einer Concorde hat der Triebwagen eine lange Schnauze, damit wird der Tunnelknall vermieden und in Japan gibt es viele und sehr enge Tunnel. Der Zug zittert, wenn er in den Tunnel eintaucht. Die Shinkansen sind pünktlich, ein Zugführer muss sich schriftlich erklären, wenn er sich um mehr als 15 Sekunden verspätet. Alle Shinkansen in Japan zusammen verspäten sich um weniger als 5 Minuten am Tag. Gibt es einen einzigen ICE der sich nur um 5 Minuten verspätet? Man stelle sich den Aufwand vor, wenn sich deutsche Zugführer für ihre Verspätungen rechtfertigen müssten. Unser Shinkansen nach Hiroshima hat 60 Sekunden Verspätung, diese Fahrt kostet den Zugführer vermutlich die nächste Beförderung. Die Shinkansen sind schnell, sie benutzen ihr eigenes Schienensystem und halten fast nie. Wenn sie halten, dann nur kurz, zum schnellen Onboarden muss man am richtigen Waggon stehen. Wir fahren vorzugsweise das Modell N700, die aktuelle Generation mit Neigetechnik und einem Interieur der 90er Jahre. Sie sind sicher. Einer ist mal entgleist, doch da war gerade Erdbeben, eines, das auch einem Atomkraftwerk Schwierigkeiten machte.
Schaffner im Zug sind sehr freundlich, bevor sie den Waggon wechseln, drehen sie sich nochmal um und verbeugen sich vor den geschätzten Fahrgästen, auch wenn diese alle mit dem Rücken zu ihm sitzen. Schaffner sind Männer, Frauen servieren Getränke und kleine Speisen, sie sammeln den Müll ein.
Wir benutzen Busse und in Nagasaki und Hiroshima die Straßenbahn. Bei unserer allgemeinen Sprachlosigkeit zählen wir immer wieder Stationen durch. Wir fragen den Fahrer, wo wir sind oder wo wir aussteigen müssen, er nickt und wir denken – hat er auch verstanden? Haben wir verstanden? Spricht er gerade Japanisch oder Englisch? Straßenbahnfahrten kosten 120 Yen fix, das ist gut.
Wir fahren Taxi, Toyota Crown oder einen Nissan Crew. Autos im Design der frühen 80er Jahre, die es wohl nie bis nach Europa geschafft haben und so robust sind, dass sie niemals sterben. Das Alter der Taxifahrer passt zum Kraftfahrzeug. Die Fahrer sind elegant, sie tragen Schirmmütze und weiße Handschuhe. Ich denke auch, die Taxifahrer fänden Straßennamen oder Hausnummern toll. Ich wüsste gern, wie die Navigationssyteme hier funktionieren. Die Taxis sind gelb, schwarz oder weiß. Unter den Luxusautos ist weiß die populärste Farbe. Deutsche Autos werden also meist in weiß geordert, und mit vier Auspuffrohren. Wenn schon ein deutsches Auto, dann mit allen Extras, dem großen Motor und am besten von AMG, bei den Einfuhrbeschränkungen fallen die Kosten für Extras nicht ins Gewicht. Das macht Japan zu einem attraktiven Gebrauchtwagenmarkt, wenn man einen wirklich seltenen und unverbastelten Youngtimer sucht, obwohl das Lenkrad auf der falschen Seite ist. Und was in Deutschland schwarz bedeutet, ist in Japan weiß, die Farbe der Trauer. Ist es deshalb die häufigste Autofarbe? Weiß, habe ich gelesen, bedeutet auch Macht und Männlichkeit, denn die Unterwäsche der Samurai war weiß. Das erklärt selbstverständlich viel. In Japan fahren also japanische Autos. Besonders Suzukis Wagin R, oder ähnliche Modelle, passen in die kleinen Parklücken. Diese „Kei Cars“ werden dann aufgepimpt, dann sehen sie von außen böse aus oder innen wie eine Disneyphantasie.
Eine Woche werden wir uns noch in Japan bewegen und ich bin schon gespannt auf die U-Bahn in Tokyo, mal sehen, ob wir noch reinpassen.
ich war unterwegs
zum größten moment
meines lebens
kurz davor
berühmt zu werden
also: quasi prominent
gerade fühlte ich mich froh
da merkte ich voller schreck:
mein fahrschein war weg
und zwei sitzreihen weiter
stand der kontrolleur
also ich ging vorsichtshalber
aufs klo
während ich
um das gesicht zu wahren
tat, was man so tut
an diesem ort,
ging der moment vorbei –
das war vor ein paar jahren
doch meine Stimmung
blieb heiter
ich bin unterwegs
zum größten moment
meines lebens
kurz davor
berühmt zu werden
also: quasi prominent
zurück tretende textilien
artige Schattierung
pinkes Polypropylen gepolstert
Gähnen aus dem offenen Fenster klettern
Pflanzgefäße
der Ein- und Ausstieg wartet im Druckbereich neben dir
fassen sich Paare an mit behandschuhten
Flächen