Diskrepanzen

 

Triggerwarnung ||| Toxische Beziehungen. Victim blaming.
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Manche Menschen sagen: Du entscheidest selbst, wie du über diese oder jene schlimme Erfahrung denkst. Du hast immer eine Wahl. Entscheidend ist nur deine Haltung dazu, dein Umgang damit.

Andere Menschen sagen, dass eine Person, die eine toxische physisch und/oder psychisch gewalttägige Beziehung nicht schnellstmöglich verlasse, selbst schuld sei. Und sie sagen, es brauche zur Machtausübung ja immer zwei, die Machtausübenden und die, die es zuließen. Würden diese die Macht nicht mehr zulassen, würden die Machtausübenden aufgeben.

Menschen, die so denken, haben vermutlich noch nie in einer solchen Situation gesteckt. Wurden noch nie unterdrückt. Haben noch nie Mobbing, Übergriffe, Gewalt oder Ausgrenzung erlebt.

Ja, ich bin richtig allergisch auf solche Sätze. Sie sind in meinen Augen ebenfalls eine Art von Victim blaming – Täter-Opfer-Umkehr, Schuldumkehr – wie etwa der zu kurze Rock, der Schuld daran sei, wenn ein Vergewaltiger seine Hormone nicht unter Komtrolle habe.

Die Opfer werden dafür gescholten, dass sie sich nicht aus eigener Kraft aus ihrer Falle befreien. Und sie werden gern noch dafür beschuldigt, dass sie überhaupt in diese Situation geraten sind. Kurzer Rock und so.

Ich frage mich, ob Menschen, die so über andere urteilen, jemals wirkliches Leid erlebt haben.

Ein Mensch, jung oder alt, erwachsen oder Kind, ist in solchen Situationen gefangen in den Umständen, oft panisch und womöglich sogar in Todesangst.

Gewalt zu erfahren ist immer schrecklich und hört auch nicht einfach auf, wenn die akut erlebte Gewalt wieder aufgehört hat, denn später findet sie im Inneren statt und löst in der Erinnerung jedes Mal neu Angst und Schmerz aus.

Betroffene fühlen Hilflosigkeit, Ausgeliefertsein, oft auch Isolation, Resignation. Wie sollen sie da ausbrechen können? Wie sollen sie da an sich selbst glauben, woher die Kraft und den Mut nehmen? Und wenn sie es dann doch irgendwie herausgeschafft haben, steckt das Erlebte noch immer prägend unter ihrer Haut.

Jedes Mal, wenn ich Sprüche höre oder lese, wie dass es ja nur darauf ankomme, wie wir die Dinge bewerten und wie wir darüber denken, fühle ich diese krasse Diskrepanz zwischen dem, was viele wohl so denken und dem, was ich selbst erlebt und in Gesprächen mit anderen beobachtet habe.

Nein, wie es uns geht, ist nicht nur das Ergebnis dessen, wie wir über die Dinge denken. Es ist vor allem das Ergebnis dessen, was wir fühlen und erleben. Jetzt. Direkt und unmittelbar. Und es ist ein Ergebnis dessen, was wir bis hierher gefühlt und erlebt haben. Ganz ohne Bewertung.

Inzwischen weiß ich, dass wir traumatische Erfahrungen nur lösen können, wenn wir uns diesem Gefühl- und Erlebthaben stellen. Und das geht definitiv nicht über Rationalisierung und Anders-über-etwas-Denken.

Hört also bitte auf, zu sagen, dass Opfer auch immer irgendwie selbst schuld sind.

Nachgedacht: Über Angst und Mut

Ich denke ja über mich immer mal wieder, dass ich eine Schisserin bin. Und ja, ich habe Angst, vor ziemlich vielen Dingen sogar, rationalen ebenso wie irrationalen. Mehr als vor dem eigene Tod fürchte ich mich allerdings vor dem Verlust von Menschen. Die Aussicht liebe, liebste Menschen zu verlieren, ängstigt mich mehr als der eigene Tod. Auch langes Kranksein ohne Autonomie ängstigt mich mehr als zu sterben.

Heute allerdings will ich nicht über Angst schreiben, sondern über Mut, diesem vermeintlichen Gegenteil von Angst. Inzwischen vermute ich, dass Mut nicht der Gegenpol sondern eine Nachbarin von Angst ist. Denn Angst und Mut sichern zusammen unser Überleben. Vermutlich ist nämlich alldas, was die Welt ausmacht und das wir uns mit Polaritäten erklären, gar nicht so einfach, so monochrom, wie wir es uns vorstellen. Vermutlich ist alles viel vielschichtiger als wir gemeinhin annehmen.

Mut also. Die Erkenntnis kam gestern mitten in einer Geschichte, die ich mir auf dem Bildschirm angesehen habe: Da braucht einer verdammt viel Mut, hinzuschauen, zu reflektieren, sich selbst Rechenschaft abzulegen über das eigene Leben, über Vergangenes, Erlebtes, Erfahrenes und Gegenwärtiges.

So gesehen bin ich also vielleicht ein ziemlich mutiger Mensch.

All die Menschen, die sagen: Ach, das ist doch vergangen. Ach, darüber musst du nicht nachdenken. Ach, vergiss das besser. Ach, ich habe keine Lust, mich mit diesem unangenehmen Thema auseinanderzusetzen oder mit dieser Eigenschaft an mir oder mit diesem Problem oder mit der eigenen Herkunft oder Vergangenheit oder Familie … all diese Menschen, die weggucken, sind nicht eigentlich sie die wahren Schisser und Schisserinnen?

Probiere es aus, bevor du sagst, ich kann das nicht oder ich will das nicht!, hatte sie zu mir gesagt. Ich hatte genau das genau in diesem Moment gebraucht: ihre Ermutigung. Was passiert wäre, wenn ich es nicht ausprobiert hätte, weiß ich nicht. Manchmal sind es große Dinge, die wir ausprobieren sollten, manchmal reicht schon ein kleiner Standortwechsel, und schon sehen wir die Welt aus anderen Blickwinkeln. Wenn wir es denn wagen. Wenn wir etwas Neues ausprobieren. Wenn wir die Ermutigung annehmen. (Nicht immer, denn manchmal werden wir auch über unsere Grenzen hinausgedrängt und dann hilft nur ein klares Nein!)

Es braucht also – wie gesagt – Mut genau hinzuschauen, doch es braucht ebenfalls viel Mut, über die eine oder andere lange gepflegte Gewohnheit oder das eine oder andere Verhaltensmuster nachzudenken. Noch mehr Mut braucht es, uns einzugestehen, dass manche Gewohnheiten und Verhaltensmuster nicht mehr zu uns passen und aus dieser Erkenntnis heraus etwas in unserem Leben zu verändern.

Aber widerspricht
der Mut, mich verändern zu wollen
denn nicht
dem Mut, mich selbst so zu akzeptieren wie ich bin?

Nein, das ist kein Widerspruch, das eine schließt das andere nicht aus. Außerdem kann ich mich ja eh nicht gänzlich verändern und ein*e gänzlich andere*r werden (also hilft da nur Selbstakzeptanz). Trotzdem verändere ich mich stetig, da sich meine Perspektiven auf das Leben und auf die Welt ja stetig verändern, ganz im Sinne eines Reifeprozesses, einer Weiterentwicklung.

Außer ich stagniere und verharre in meinen Gewohnheiten. Was für mich allerdings keine Alternative ist.

Wir selbst sind unsere wichtigsten Baustellen. Hier können wir am meisten verändern und mit uns die Welt.

Was für eine tolle Tour!

Wir brauchen gestern zwar ziemlich viel Anlauf, aber irgendwann, es ist schon nach eins, kommen wir dann doch noch in die Gänge. Richtung Süden, der Reuß entlang, zieht es uns, zum Erdmannlistein, der in den Hügeln und Wäldern über Wohlen schon seit Tausenden von Jahren die menschliche Phantasie beflügelt. Menschgemacht oder ein Werk der Gletscherwanderung? Wer weiß es schon …

Wir radeln bei ziemlich starkem Gegenwind los. Unterwegs müssen wir immer wieder innehalten, an Brunnen und auf Schattenbänken Pause machen. Es ist heiß. Nicht hitzewellemäßig heiß, aber doch gute 29 Grad. Zum Glück schieben sich immer mal wieder ein paar Wolken vor die Sonne.

In Mellingen kommen Erinnerungen hoch. Weißt du noch, hier haben wir damals, vor neun Jahren, auf unserer ersten gemeinsamen Fernwanderung gepicknickt! Da und dort ploppen Erinnerungsfetzen auf.

Nach Fischbach-Göslikon geht es endlich in den kühlenden Wald, aufwärts allerdings, über Stock und Stein, und auf einmal sind wir da.

Nach einem Schwatz mit einem anderen Paar hängen wir unsere Hängematten auf und legen uns eine Weile hin. Es tut gut. Obwohl … mir ist es fast zu heiß und ich brauche lange, um mich abzukühlen. Normalerweise gelingt mir das in der Hängematte immer ganz schnell, da der Stoff so leicht und dünn ist.

Nach einer kleinen Zwischenmahlzeit radeln wir das erste Stück wieder so zurück, wie wir gekommen sind. Diesmal kann ich einem Hofladen in Fischbach-Göslikon nicht wiederstehen. Kürbisrisotto und Dinkelnudeln. Dazu sehr schön verpackt. Und glückliche Hühner-Eier. Und Salat. Hofläden machen einfach glücklich, uns und die Bäuerin.

Bei Niederwil wechseln wir auf die andere Reussseite, um von einer schönen Stelle aus in den Fluss hupsen zu können. Wie gut das tut!

Oh, wie genial ist das denn? Als wir wieder auf den Rädern sitzen, kurz nach Gnadenthal, einer Abkürzung zum Radweg folgend, findet der Liebste eine fast fünfzig Meter lange Brombeerhecke, die von reifen Früchten nur so überquillt! Ich bin daran vorbei gefahren, den Blick auf eine Wiese voller Krähen gerichtet, die Gruppendynamik dieser klugen Vögel zu ergründen versuchend. Ich fahre gern ein Stück zurück, denn zum Glück ist Irgendlinks Blick am rechte Straßenrand entlang gewandert. Was für Beeren! Und wie lecker sind die denn?! Wir füllen einen Sack mit reifen Beeren, doch ein Gutteil kommt direkt von Strauch in den Mund. So schmecken Beeren einfach am besten.

Später, bei Tägerig, entscheiden wir uns für einen anderen Rückweg. Wohlenschwil, Mägenwil, Birr-Lupfig … und als wir daheim anlangen ist es schon fast acht Uhr und auf dem Tacho stehen fast 50 Streckenkilometer. Für mich Couchpotato mein bisheriger Tagesrekord ever! Wie dankbar ich doch meinem Motörchen bin, ohne das ich das nicht geschafft hätte.

(Eigentlich nichts Neues) über die Liebe

Unsere Sehnsucht nach Geliebtwerden: Ich glaube, das einzige Mittel, das uns dagegen hilft, der Liebe anderer nachzurennen, ist radikale Selbstliebe. Nur damit werden wir vermutlich den ’Egoismus des Geliebtwerdenwollens’ abstreifen können.

Manchmal wird ja über Achtsamkeit als eine gut getarnte Möglichkeit das Nur-um-sich-selbst-Kreisens gestänkert. Das sei nichts als gut getarnter Egoismus. Das sehe ich ganz und gar nicht so. Gerade für Menschen, die von klein auf nicht gelernt haben, auf die eigenen Bedürfnisse zu achten – und sich selbst und die eigenen Grenzen stattdessen ständig übergehen, weil ihnen niemand beigebracht hat, sich selbst wertzuschätzen, Bedürfnisse haben zu dürfen und ernst zu nehmen –, ist der Weg der Achtsamkeit(smediation) ein Segen.

Darüber stänkern tun übrigens eh meist nur jene Leute, die sowieso ein gesundes Selbstvertrauen mit auf den Weg bekommen haben und von daher keine Ahnung haben.

Sich selbst als wertvollen, liebenswerten Menschen zu betrachten, sich Gutes zu gönnen, mit sich selbst liebevoll umzugehen und – ganz wichtig! – Selbstmitgefühl zu haben, das zu Mitgefühl für andere ermächtigt, ist das krasse Gegenteil zur egozentrischen Lebenshaltung wirklicher Egoist*innen.

Momentaufnahme

Ich komme mir nicht hinterher.
Nicht mit der Erledigung all der Dinge, die auf meinen Listen stehen.
Nicht mit Agieren und Reagieren – weder persönlich, noch per Mail oder Chat, geschweige denn in den Sozialen Netzwerken.
Nicht mit all den Büchern, die ich lesen und hören will.
Nicht mit all den Filmen und Serien, die ich mir anschauen will.
Nicht mit all den Nachrichten über Katastrophen, Kriege und Menschenrechtsverletzungen, die ich begreifen will.
Nicht mit dem Verfassen eines Jahresrückblicks. (Das schon gar nicht. Wozu auch.)

Ich kann mich schlecht konzentrieren und fokussieren.
In meinem Kopf springen Hasen herum.

Draußen schneit es sei gestern, abwechselnd mit Schneeregen.
Ziemlich optimal ist das.
Es sieht hübsch aus und muss nicht weggeschippt werden.

Es ist mir zu kalt und zu nass zum Rausgehen.
Trotz der zwei Paar Wollsocken übereinander.

Es ist mir nach Winterschlaf.
Oder nach Bücher lesen und hören,
und nach Filme gucken.
Am liebsten mit Decke übern Kopf
und um mich rum.

Aber nur Input geht ja auch nicht,
irgendwo muss das Viel an Geschichten ja auch wieder raus,
das ich da verschlinge.

Wie machen das andere, die nicht schreiben?
Wie reflektieren andere, was sie denken, tun und fühlen?

Ach, und ist es das, was Kommunikation eigentlich ist:
Verdauen?

Will ich schreibenderweise mehr als nur laut zu denken?
Will ich Spuren hinterlassen?
Wenn ja, für wen und warum?
Geht es darum, irgendwem irgendetwas zu beweisen?
Geht es hier gar um Unsterblichkeit?
Mir nicht.

Lass gut sein, Sofasophia,
es ist, wie es ist.

Und sie erlaubte sich und dem Jahr einen ruhigen Abschluss.

THE END

(Oh, es ist ja noch gar nicht Silvester.)

Der neunte Tag und endlich ein kleiner, vorsichtiger Optimismus

Vor neun Tagen hatten wir die ersten Symptome. Von Anfang an habe ich privat darüber Tagebuch geschrieben.

Ich frage mich zwischendurch immer mal, ob es sinnvoll – im Sinnne einer Art öffentlichen Archivierung/Chronik – und möglicherweise sogar hilfreich für andere sein könnte, wenn ich (gelegentlich) mein privat verfasstes Corona-Tagebuch hier veröffentliche. Ich denke da noch darüber nach. Immerhin ist es ja noch nicht ausgestanden.

Die ersten Symptome waren beim Liebsten stärker als bei mir,. Er hatte ja auch einen Tag Vorsprung. Ich habe drei Tage lang ‘nur’ ein leicht benommenes, mit Schluckweh einhergehendes Unwohlsein mit Müdigkeit und matschigem Kopf, erst ab Tag 3, abends, kippt es. In dieser Zeit ist es Irgendlink, den das Virus regelrecht und buchstäblich für etwa sechzig Stunden in die Knie, respektive in die Horizontale zwingt.

Als er langsam wieder auftaucht, fängt es bei mir an, aber so richtig. Das Schluckweh glüht bis in die Ohren und die Temperatur klettert für über drei Tage – achtzig Stunden – stabil über 38 Grad. Einzig wenn ich ein Ibu futtere, sinkt sie für einige Stunden.

An Tag 2 annulliere ich traurig meinen 2. Booster-Termin. Schade. Knapp verpasst. Ich hätte ja lieber einen Impfarm als Covid gehabt.

Der PCR-Test vom – Tag 2 – ist noch negativ und auch die Selbsttests bleiben bis Tag 3 negativ, weshalb wir uns in der Wohnung mit Maske begegnen, außerdem haben wir getrennte Schlafzimmer, viel Lüften. Viel dösen, viel Hörbuchhören (ich), ab und zu ein bisschen Lesen, Social Media, Filme gucken.

Ich weiß innerlich spätestens ab Tag 4, dass ich positiv bin, aber den nächsten Schnelltest mache ich doch erst am Tag 6, weil ich kaum mehr Tests habe und damit ich an Tag 7, einem Samstag, nochmals zum Testen (für Statistik und Sicherheit) in die Apotheke gehen könnte. Was ich dann auch tue. Und der Liebste auch. Wir fahren nämlich, da es ihm zum Glück inzwischen deutlich besser geht, an die deutsche Grenze, wo er seine Tests (Schnell- und PCR-) gemacht bekommt und ich die online bestellten neuen Tests im Paketshop abholen kann. Beide sind wir positiv, auch noch am siebten Tag seit Symptombeginn. So ist das nämlich.

Seit Tag 7 ist mein Fieber auf dem Rückzug. Nur noch ab und zu guckt es noch raus. Was bleibt, sind Halsweh, Husten, Schnupfen und Schlappheit. Und dieses matschiges Gefühl im Kopf. Konzentrationsprobleme. Mitten im Satz nicht mehr wissen, was ich sagen wollte. Und immer wieder Erschöpftsein nach kleinen Tätigkeiten.

Letzte Nacht der Umzug zurück ins Schlafzimmer. (Ciao Sofa, war schön mit dir!)

Heute ist das Schluckweh endlich nur noch ein kleiner Nachhall, der Schnupfen schleicht sich ebenfalls langsam davon, noch brennen die überreizten Schleimhäute. Zum Glück ist der Husten ziemlich zur Ruhe gekommen.  Alles dauert bei mir länger als sonst.

Als Privileg empfinde ich, dass wir diese Krankheit, hier bei mir, Seite an Seite durchstehen konnten, uns gegenseitig unterstützen, mit Zugang zu Badewanne und Co., und mit zwei Rückzugsräumen. Dazu liebe Freund*innen im echten und im virtuellen Leben, die Mut machen und liebe Nachrichten schicken, die nachfragen und Hilfe anbieten. Das macht uns sehr dankbar.

Vermutlich hatten wir einen sogenannt leichten Verlauf, obwohl ich mich nicht erinnern kann, je vorher mal soo krank gewesen zu sein. Hoffentlich sind wir bald wieder ganz genesen. Und noch hoffentlicher bleibt nichts von alledem zurück.

Aber was wäre wohl gewesen, wenn wir die Ur-Variante (oder Delta) dieses Shaiz-Virus – dazu noch ungeimpft –, bekommen hätten? So ‘leicht’ – äh, leicht war es nicht wirklich – wären wir vermutlich nicht davon gekommen.

Und ausgestanden ist es ja, wie gesagt, noch immer nicht. Aber da ist wieder vorsichtiger Optimismus irgendwo.

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Bitte tragt euch und euren Mitmenschen Sorge, lasst euch impfen und/oder boostern und tragt Masken. Für jene, deren Immunsystem nicht so stabil ist, aber eigentlich für alle.

Platz tut gut

Es war im Herbst oder Winter 2009. Wir saßen mit Freund S. draußen am Feuer. Er war der erste uns bekannte iPhone-Besitzer, also begutachteten wir das gute Stück – ein iPhone 3S – zuerst skeptisch, doch mit wachsendem Interesse. Besonders bei Irgendlink war die Neugier groß. Ob sich damit wohl von unterwegs Bilder ins Blog stellen ließen?

Mit dem Kontaktgift in Berührung gekommen – so nannten wir diesen Moment, in welchem wir S.s Smartphone das erste Mal angefasst hatten. Von diesem Moment an war klar, dass wir über kurz oder lang auch so ein Teil wollten.

Bei Irgendlink dauerte es nicht mehr lange, denn er plante das fotografierenkönnende und internetfähige Telefon in seine im Frühling 2010 geplante Reise ein, seine erste digital gestützte Radreise. Nach Andorra. Eine zehn Jahre zuvor erstmals gefahrene Rad-und-Kunst-Tour nachstellen, die alten Bildstandorte – damals noch ohne GPS – aufsuchen, die Bilder nachstellen, den Wandel dokumentieren – so der Plan.

’Zweibrücken-Andorra’ wurde unser erstes Reiseabenteuer mit ihm als Radler und mir als Homebase. Und was für ein Abenteuer! Damals entwuchsen die iPhone-Apps erst allmählich den Babysocken. Die WordPress-App konnte, soweit ich mich erinnere, zwar Texte, aber noch keine Bilder. Wir wichen darum auf andere Blog-Apps aus, doch weil das Bildereinfügen per App doch sehr mühsam war, mailte mir Irgendlink schließlich seine mit dem iPhone geschossenen Bilder zu, wann immer er in ein freies WiFi-Netz gelangte. Oder er verschickte sie über das damals noch sehr teure Funknetz.

Bereits wenige Monate später, bei unserer Sommerreise an den norwegischen und schwedischen Polarkreis, war die Technik deutlich besser. Ich hatte mir zum 45. Geburtstag ein iPhone 3S geschenkt. Das erste und letzte neue iPhone, das ich mir seither gekauft habe. Damit fuhren wir nach Schweden und Norwegen und bloggten live von unterwegs. Und damit fing ich im Winter darauf an, mit Bildbearbeitungsapps Bilder zu bearbeiten, womit ich Irgendlink ansteckte. Und damit traten wir im Frühling 2011 einer internationalen, iphone-kunstbegeisterten Gruppe bei. Eine große Zeit war das. Eine von Pioniergeist beflügelte. Ein Quantensprung in Irgendlinks Künstlerlaufbahn. Und in meiner natürlich auch.

Bald einmal kamen die Nachfolgemodelle mit besseren Kameras auf den Markt und so kaufte ich kurz darauf Freund S. sein gebrauchtes 4S ab, als dieser aufs 5S umstieg – aus Gründen der Nachhaltigkeit ebenso wie aus finanziellen Gründen. Mein eigenes 5S kaufte ich Jahre später gebraucht per Internet und mein 6S bekam ich vor anderthalb Jahren für 50 € von einer lieben Freundin. Einziger Nachteil dieses tollen neuen Teils war der knappe Platz, doch da ich damals rasch ein 6S gebraucht hatte, griff ich zu. (Grund: Damals liefen die Covid-Apps leider noch nicht auf dem 5S.)

Man kann sich fragen, warum ich iPhones über all die Jahre so treu geblieben bin, wo es doch inzwischen auch andere smarte Telefone mit schnellem Internet und guten Kameras gibt. Dazu preisgünstiger und mit mehr Platz, SD-Karten-Schlitz und was immer Herzen höher schlagen lässt.

Die Antwort? Sie ist vielschichtig und letztlich persönlich. Die Nutzungsgewohnheit ist nur ein Aspekt von vielen. Ich habe nämlich auch eine geradezu persönliche Beziehung zu meinen Lieblingsapps, besonders zu jenen zum Navigieren und Bilderbearbeiten. Ich habe auf meinem Android-Tablet, das mein eReader und mein Fernseher ist, viele Apps getestet und bin mit sehr wenigen Ausnahmen einfach nicht glücklich mit den androiden Lösungen. (Gewohnheit oder mein sehr hoher Qualitätsmaßstab?) Außerdem nervt mich die viele Werbung bei vielen kostenlosen Apps (was leider bei iOS-Apps inzwischen auch nicht mehr soo viel besser ist). Außerdem mag ich ganz einfach die Handhabung und die Übersichtlichkeit bei den Apps und in den Einstellungen. Und dass ich kein Virusprogramm brauche. Und-und-und …

Aber ja, es gibt auch ein paar Dinge, die mich nerven. Allen voran die Tatsache, dass Betriebssystem und Datenspeicher viel Platz beanspruchen, was bei iPhones mit kleinem Gesamtspeicher ganz schön ins Gewicht fällt. Steht 16 GB auf dem Handykarton müssen davon schon mal ungefähr 7 GB aus Systemgründen von der Speichernutzung abgerechnet werden.

Als Gern-Fotografin und Viel-Apperin fühlte ich mich nach der anfänglichen Euphorie über das neue iPhone 6S schnell einmal sehr stark limitiert. Ich musste den Bilderspeicher regelmäßig löschen, um wieder Platz für Neues zu schaffen, was an sich ja nicht schlecht ist. Doch wenn man gerne am Handy Bilder  bearbeitet, wird das mit so wenig Platz schwierig, denn sowohl für die Bearbeitungsapps als auch für neue Bilder fehlte mir schlicht der Platz. So schrumpfte mit der kleinen Speichermenge sehr rasch meine Lust, Bilder zu bearbeiten. Was mir zunehmend schmerzhaft fehlt, denn Kreieren tut mir gut und ist wohltuend. Ich wurde immer geiziger mit meinem wenigen Platz, obwohl ich nur sehr wenige Apps auf dem Handy installiert hatte.

Achtung, jetzt wird es philosophisch: Nach und nach fühlte sich dieser wenige Platz auf dem Handy für mich so an wie ein zu enger Raum oder wie zu klein gewordene Schuhe … Das alles lässt sich durchaus auf das Bedürfnis auf Lebensräume übertragen, auf den Wunsch nach mehr Platz, auf mehr Daseinsberechtigung. Ja, genau: Ich sehnte mich nach mehr Platz – eben auch auf dem Handy.

Weniger und mehr? Mehr oder weniger? Wie lassen sich solche Bedürfnisse in einer Zeit mit schwindenden Ressourcen, Klimakrise, Überbevölkerung rechtfertigen? Mit einem kleinen Budget in Einklang bringen? Persönliche Ökonomie versus Ökologie – sprich größtmögliche Nachhaltigkeit – in Konjunktion zu den eigenen Bedürfnissen nach mehr Platz – kompliziert! Darf ich mir das leisten, soll ich mir das gönnen? (Fragen, wie ich sie mir praktisch vor jedem Kauf stelle … und die den meisten Menschen vermutlich gar nicht erst einfallen.)

Unterm Strich also die banale Frage: Brauche ich ein Handy mit mehr Platz tatsächlich?

Vor einer knappen Woche, als ich die Frage endlich mit einem klaren Ja beantworten konnte, suchte ich das Internet nach einem refurbished* iPhone 6S mit mindestens 32 GB ab. Und möglichst tiefpreisig. Farbe egal.

Bald wurde ich bei einem deutschen Anbieter fündig: 64 GB für € 110.–. Da irgendwo ist meine Schmerzgrenze gewesen. Geliefert wird aus Spanien, garantiert innert 48 Std., allerdings wird vom Anbieter nicht in die Schweiz verschickt, weshalb ich, wie oft, Irgendlinks Adresse als Lieferadresse angebe.

Keine 24 Stunden später schickt mir der Liebste ein Foto des soeben eingetroffenen Telefons. Da er kurz darauf zu mir gefahren ist, bin ich inzwischen stolze Besitzerin eines 64 GB-iPhones, das erste Mal in meinem Leben soo viel Platz! Das Teil ist wie neu und der Akku scheint kälterobuster und überhaupt besser zu sein als der Alte.

Ja, das macht mich gerade sehr glücklich. Ja, wirklich. Es macht mich verdammt glücklich, dass ich nun wieder Appen kann. Und drauflos fotografieren. Platz für Bildbearbeitungsapps, Platz für Fotos.

Drei Spiegeleier in Pfanne digital verändert und verfremdet zu einem Gesicht. Grundfarbe blau mit Sprenkeln in grün und orange.

Der frühere Platz-Geiz – reicht der Platz noch für ein kleines Video oder kann ich danach keine Bilder mehr machen? – löst sich allmählich auf.

Übersetzen lässt sich das alles auf ganz viele andere, limitierende Umstände. Armut zum Beispiel. Wie sehr Armut unser Handeln, unsere Teilhabe einschränkt kann sich wirklich nur vorstellen, wer es selbst erlebt oder erlebt hat.

Was mich ebenfalls zurzeit sehr glücklich macht, ist spielen. Neulich habe ich es auf Twitter entdeckt, ein englisches Wörterrätselspiel namens Wordle.

Gesucht wird täglich ein neues englisches Wort mit fünf Buchstaben. Wie beim analogen Steckspiel Mastermind, das meine Generation geliebt hat, sagt das Programm, ob die Buchstaben im von mir gewählten Wort die richtigen oder die falschen sind und vielleicht sogar schon am richtigen Ort stehen. In möglichst wenigen Schritten soll so das Tageswort erraten werden.

»Der Erfinder des Spiels, der Programmierer Josh Wardle, will mit »Wordle« erstaunlicherweise kein Geld verdienen. Weder sammelt er persönliche Daten über die Nutzerinnen und Nutzern, noch brüllen einem von der beinahe elegant wirkenden Website Anzeigen entgegen.

Zugleich gibt es aber noch einen Kniff, der das Spiel zum sozialen Erlebnis macht: Jeden Tag gibt es nur ein Rätsel, das für alle gleich ist.«

Quelle: Wordle-Entstehungsgeschichte. Die romantische Geschichte hinter dem Spiel gibt es bei Spiegel.


*Was sagt Wiki über Refurbishing

Deutschland/Europa: backmarket.de
Schweiz: revendo.ch

(Werbung durch Namensnennung, ohne Gewinn/Vorteile)

Zwischen den Jahren

Ich mag sie wirklich sehr, diese Tage von Noch-Nicht und Nicht-Mehr. Von Jahresrückblicken und guten Vorsätzen habe ich mich längst verabschiedet, darum dürfen diese Tage bei mir einfach viel Nichts enthalten. Nichts müssen, nichts sollen, nichts planen, nichts erreichen …

Als wir noch reisen konnten, früher, in präpandemischen Zeiten, verbrachten wir diese Tage oft irgendwo im Süden Frankreichs. In den Bergen oder am Meer. Eingemietet in winzigen, günstigen Ferienwohnungen oder -häuschen erkundeten wir die nähere oder nicht ganz nahe Umgebung, suchten nach Geocaches, entdeckten Wälder, kleine Städtchen, Rebberge, Hügel und Berge. Fotografierten drauflos … Mit einer Sorglosigkeit, die ich mir heute fast nicht mehr vorstellen kann.

Ja, zugegeben, das vermisse ich und jammere hiermit ein wenig. Auf hohem Niveau? Vielleicht.

Was mich dennoch dankbar macht? Dass ich Erinnerungen habe. Dass ich Bilder habe. Dass ich über Fantasie verfüge.

Und dass ich diese Tage, jetzt, zwischen den Jahren, zwischen den Jahren 2021 und 2022, so verbringen kann, wie es mir gut tut.

Natürlich machen wir zwei nicht ganz nichts. Wir treffen liebe Menschen. Unsern Freund S. zum Beispiel, der es ohne Frage den Impfungen verdankt, dass er Covid und die Intensivstation überlebt hat, und der wegen vieler Vorerkrankungen zu den besonders schützenswerten Menschen gehört.

Auch wenn ich in Sachen Menschheit und Menschlichkeit dieses Jahr noch desillusionierter geworden bin als letztes Jahr, gibt es doch auch vieles, was mich mit Dankbarkeit erfüllt. Die meisten mir wirklich wichtigen Freundschaften sind allem zum Trotz geblieben und gewachsen. Und es sind sogar neue dazugekommen. Nein, ich werde jetzt nicht rührselig (höchstens ein bisschen). Dankbarkeit darf immer. Ganzjährig. Und vielleicht ist sie neben der Liebe sogar der Stoff, aus dem das Leben im Wesentlichen aufgebaut ist, aus Liebe und Dankbarkeit.

Davon wünsche ich uns allen – im Rückblick, im Augenblick, im Ausblick und trotz allem erlebten Schei** – immer genug.

Gute Tage zwischen den Jahren und einen guten Abschluss und Neuanfang wünsche ich uns allen von Herzen!

Danke, dass ihr da seid.

Es hat schon ziemlich früh angefangen

Ich war vielleicht elf oder zwölf Jahre alt, als mich die Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit in Sachen Weihnachtszeit einholte. Und nachhaltig erschütterte. Nicht nur interfamiliär sondern auch konsumtechnisch setzte damals mein heftiger Ekel vor dem ganzen Weihnachtsbrimborium ein: Haben und Sein. Wunsch und Wirklichkeit. Unerfüllte Wünsche. Nicht gehörte, nicht ernstgenommene Wünsche. Globales und Persönliches.  Die scharfe Schere zwischen denen, die viel haben und denen, die wenig haben. Der Druck, mitzumachen, um dazuzugehören. Schenken, um zu bekommen. Heuchelei.

Ich spielte solange mit, wie ich es aushielt. Sobald ich selbst bestimmen konnte, verschwand Weihnacht mehr und mehr aus meinem Jahreslauf, verschwand schließlich irgendwann ganz.

Ich litt und leide an der Unmöglichkeit, Weihnacht als etwas Sinnvolles betrachten zu können. Wobei, eigentlich leide ich selbst gar nicht so sehr an diesem meinem Unvermögen, eher tut es meine Mitwelt, während ich an deren Unvermögen leide, mich zu verstehen. Und damit wären wir beim eigentlichen Thema, dem Druck, den ’gutgemeinte’ gesellschaftlich-konditionierte Ideale in anders denkenden Menschen aufbauen kann.

Das allseits etablierte und weitestgehend gesellschaftlich und persönlich verinnerlichte Ideal zum Beispiel, dass niemand an Festtage allein sein sollte, setzte mich ganz besonders in meinen schlimmsten Alleinsein-Zeiten nach meinem Worst Case mehr unter Druck als das Alleinsein an sich. Allein zu sein finde ich an sich ziemlich toll, ich verbringe gern Zeit mit mir allein. Nicht nur, aber auch.

Dass dieser von mir gemochte Zustand des Allein-mit-mir-Seins auf einmal Ende Jahr, wenn sich alle Welt am Glitzerkrambaum versammelt, als etwas Schlimmes betrachtet wird, machte mir sehr zu schaffen, denn damit wird mir sozusagen das Recht abgesprochen, frei über meine Zeit zu verfügen.

Klar, es ist natürlich löblich, sich um andere kümmern, an andere zu denken,  aber – und hier wird es grenzwertig –, für andere zu entscheiden, dass sie nicht allein sein sollen, ist übergriffig. Von sich und den persönlichen Idealen auf den Rest der Menschheit zu schließen, ist problematisch.

Ideale können zuweilen ganz schön zynisch sein, wenn wir sie vom persönlichen in einen gesellschaftlichen Kontext bringen.

Es ist ja nur gut gemeint? Tja, gut und gut gemeint sind zweierlei. Ach und noch was: Das mit Idealen, die man bitte nicht verallgemeinern solle, lässt sich übrigens auch auf religiöse oder andersweitige Erkenntnisse übertragen. Bitte, Danke!

Zurück zum Weihnachtsding: Es ist übrigens, obwohl ich nicht an Göttliches glaube, noch nicht mal das religiöse Ursprungselement des Festes, mit dem ich allerdings nichts anfangen kann, es ist vielmehr dieses maßlos überfrachtete, mit sozialen und materiellen Erwartungen vollgepackte Ding, das in den letzten Jahrzehnten und Jahrhunderten aus dem geglaubten Geburtstag einer göttlichen Erlösungsidee geworden ist, das mich anekelt. Ja, Ekel trifft es ziemlich gut.

Und ich meine wirklich nicht das, wonach wir uns alle insgeheim sehnen: Familie, Frieden, Geborgenheit. Kindheitsträume und -erinnerungen. Nein, nein, das alles nehme ich niemandem weg. Genießt es, so ihr es könnt.

Zur Weihnachtsmuffelin bin ich unter anderem deshalb geworden, weil ich die Unmöglichkeit durchschaut habe, dass nicht plötzlich innerhalb weniger Tage im Jahr gelingen kann, was im ganzen Jahr davor nicht gelungen ist. Diese Heuchelei, dieses Hochhalten von Fassaden, der ganze kitschige Klinkerkram … ja, Ekel trifft es in der Tat sehr gut.

Dennoch sei es all jenen herzlich gegönnt, sich in diesen Tagen das, was ihnen gut tut, zu tun. Und Kinderherzen mit Liebe und Geborgenheit zu füttern ist eh immer wohltuend.

Frieden, Liebe und Geborgenheit kann es nie zu viel geben. Und davon wünsche ich dir und dir und euch allen mehr als genug.

Nachdenkinspiration über Ressourcen und Strukturen

Ich bedanke mich herzlich bei H. C. Rosenblatt für die nachfolgenden Gedanken zu ihrem Umgang mit Kraft- und Zeitvorräten. Da ist ganz viel Wiedererkennen bei mir.

»Für viele traumatisierten Menschen ist Vorhersehbarkeit die einzige Sicherheit über die sie sich beruhigen und Kraft sammeln können, sich dem Leben zu stellen«, antworten sie auf meinen Kommentar. Genauso ist es – jedenfalls bei mir.

»Jahres-, Monats-, Wochen- und Tagespläne sind mir noch nie ein Korsett gewesen, nie ein Angriff auf meine persönliche Freiheit – viel eher sind sie der Grund dafür überhaupt in die Situation zu kommen, mich frei entscheiden zu können. Denn ich kann weder entspannen, noch ruhen, noch Kraft tanken, wenn ich nicht weiß, was in den folgenden Stunden und Tagen noch auf mich zukommt und wie ich was wann wie genau kompensieren kann und darf.

Im günstigsten Fall mag ich die Art der Störungen des üblichen Ablaufs einfach nicht oder bin nur irritiert. Dann finde ich Stabilität und Ruhe in Stimming oder meinen Projekten. Problematisch wird es, wenn ich mit den Ressourcen schon so weit runter bin, dass ich weder von Stimming noch von irgendetwas anderem profitiere. Am schlimmsten ist es, wenn der Ablauf über so lange Zeit gestört oder beeinflusst wird, dass ich überhaupt keinen üblichen Ablauf mehr ausmachen kann.

[…]

Viele Menschen denken und planen nicht so weit im Voraus wie wir, weil sie es nicht müssen. Ihr Jetzt ist ein anderes als meins – ist nicht so leicht zu zerstören von morgen, bald oder nachher. Und viele Menschen schieben einfach gern auf, weil sie die Kraft für alles auf einmal aus einem viel tieferen, größeren Fass schöpfen als ich. Um in dem Bild zu bleiben, habe ich genau eine Tasse, aus der ich schöpfen kann und ich bin maximal geizig mit jedem noch so kleinen Tropfen, weil ich es muss. Nicht, weil es so schlimm ist, erschöpft zu sein, sondern weil „eine volle Tasse“ zu haben für mich a) nicht bedeutet, nicht erschöpft zu sein und b) weil auch das Management dieses Budgets, die Erfassung, die Planung, die Kommunikation des Budgets bereits daraus geschöpft wird.

Ich habe nie einen fixen Stand von 100 % und daraus kann ich dann hippy happy Leben gestalten – ich muss bereits 40 % weggeben, um in der Lage zu sein, mein hippy happy Leben erfassen, mich selbst darin fühlen und verstehen zu können. Und das ist, was die meisten Menschen – auch „meine Menschen“ – manchmal einfach vergessen: Die meisten Menschen müssen aus ihrem größeren Kraftfass vielleicht 10 oder 15 % dafür weggeben und das oft nicht einmal bewusst. Und am Ende eines Tages haben sie immer noch 20 bis 30 %, um zu verarbeiten, was sie erlebt haben.«

Quelle: H. C. Rosenblatt, https://einblogvonvielen.org

Bitte lest gern bei ihnen den ganzen Artikel.