Abschied nehmen

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Es klingt immer relativ einfach in den Filmen, wenn die Angehörigen beschließen, die Maschinen auszuschalten. Dann geht sie hin, die Ärztin, drückt ein paar Knöpfe und der Patient schläft friedlich ein.

In Tat und Wahrheit ist es ein harter Kampf, der bei Freund S. aka Journalist F. über einen Monat gedauert hat. Vor etwa einem Monat hat er sich selbst ins Krankenhaus eingewiesen, weil die Schmerzen unerträglich geworden sind. Ein Quäntchen Hoffnung auf Besserung hatte er damals noch gehabt. Darauf, dass eine OP seine tauben Hände vielleicht noch retten und ihm ein wenig der in den letzten Monaten verlorenen Autonomie wieder zurückbringen könnte. Er willigte ein. Was hatte er auch für eine Wahl? Die Lähmung war – zusätzlich zu all den anderen Einschränkungen und Krankheiten – täglich schlimmer geworden. Seine Hände gehorchten ihm nicht mehr. Die Unterschrift unter die OP-Einwilligung konnte er – ich stelle es mir bildlich vor – wohl eher schlecht als recht kritzeln, sehen tat er ja auch kaum mehr und ob er, wegen seiner starken Schwerhörigkeit, die Infos zur OP und ihren möglichen Folgen verstanden hat, wissen die Göttinnen. Hatte überhaupt jemand an die Hörgeräte und funktionierende Batterien gedacht?

»Ich habe alles unterschrieben!«, sagt er zu Irgendlink, der ihn am vermeintlichen Vorabend zur großen OP besucht. Zusammen nehmen die beiden sicherheitshalbe eine Audio-Patientenverfügung auf, in der naiven Hoffnung, dass das reicht, falls die OP nicht gelingt.

Am nächsten Tag fährt Irgendlink für vier Tage zu mir in die Schweiz, naiv hoffend, dass der Operierte am Abend bereits wieder fitter ist. Ist er nicht. Im Gegenteil. Die OP fand nicht statt. Irgendlink überlegt, am nächsten Tag mit meinem Autochen von der Schweiz aus nochmals die 300 Kilometer zur Klinik zu fahren, um mit den Ärzten zu reden. Aber zum Glück ist das nicht nötig, der Arzt (oder war es eine Ärztin?) kann telefonieren. Die OP sei auf die folgende Woche verschoben worden – warum auch immer.

Unser aller Freundin F. besucht S. und überbringt ihm unsere lieben Wünsche, informiert ihn. Aber es geht ihm da bereits sehr schlecht. Kaum mehr erträgliche Schmerzen. Wir überlegen, weit weg in der Schweiz, ob er wohl jetzt von seinem Notfallplan Gebrauch machen wird. Als Dialytiker, so hat er uns immer wieder erzählt, werde er – wenn er keine Hoffnung mehr auf Besserung seines Zustandes habe und ein gewisses Maß an Lebensqualität nicht mehr erreichbar sein werde – die Dialyse verweigern, sich in Palliativpflege begeben und sich vom Leben verabschieden.

Über diese Möglichkeit und Absicht hatte er besonders im letzten Jahr immer wieder gesprochen, immer häufiger, je schlimmer der körperliche Zustand geworden war. Und der seelische auch gleich, denn die Depressionen waren wieder sehr präsent geworden. Bei unserm letzten Besuch im Pflegeheim – Mitte April – hatte er mich gebeten, seinen Betreuenden zu sagen, dass er dringend eine Therapie brauche. Jemanden zum Reden, jemanden, der ihm – außer uns Freund*innen – helfe, seine Last zu tragen, die der Schmerzen, die des mentalen Drucks, der Angst vor einem Hirnschlag (CovidseiDank), vor noch mehr Schmerzen, vor noch mehr Einsamkeit, mentaler Unterforderung und fehlender Stimulation … Ich sprach diese eine Betreuerin, die mit dem Hundchen, direkt darauf an und sie versprach, sich zu kümmern. Doch so weit kam es ja dann gar nicht mehr, da Journalist F. nach einer seiner dreimal wöchentlich stattfindenden Dialysen gleich im Krankenhaus blieb. Die tauben Hände waren noch tauber geworden. Jeden Tag ein wenig mehr.

Die OP (Spinalkanalstenose) kam vermutlich zu spät.

Es folgten viele Tage auf der Intensivstation, viele, fast tägliche Besuche dort, viele Gespräche mit Pflegenden und Ärzt*innen. Irgendlink, als Freund S.s Betreuer/Beistand, der sich mit der Ethikkommission anlegt und schließlich gewinnt. Der Gewinn? Dass Journalist F. würdig und ohne Maschinen sterben darf.

Am Freitagnachmittag wurde er von der Intensiv- auf die Palliativstation verlegt. Gestern Morgen, um 8:00 rum, ist S. dort friedlich und für immer eingeschlafen.

Ich durfte gestern bei der Arbeit früher gehen, belud mein Autochen und fuhr 300 Kilometer zum Liebsten. Gemeinsam haben wir gestern S. ein letztes Mal besucht und uns von seiner irdischen Hülle verabschiedet. Er hat nun keine Schmerzen mehr, weder seelische noch körperliche. Darüber sind wir froh. Aber traurig, dass wir nicht mir mit ihm reden, lachen, philosophieren und blödeln können.

Wie er daliegt. Bereits irgendwie durchscheinend, wächsern … So werden wir alle daliegen, tot, eines Tages, denke ich. Du. Ich. Irgendlink und ich halten uns aneinander fest. S. fehlt. 🖤

Ich werde nie mehr Hörbücher auf sein Handy laden. Keine Heimbesuche mehr. Wir werden nie mehr mit ihm lachen. Nie mehr mit ihm durch den schönen Park des Pflegeheims rollen. Nie mehr Witze über die anderen Insassen reißen. Nie mehr über das miserable Essen lästern, nie mehr mit ihm rauchen, nie mehr Obst, Nikotinkaugummis, Ibuprofen und Hörgerätebatterien für ihn kaufen. Der berühmte Erinnerungsfilm läuft bei mir seit Tagen auf Hochtouren.

Ich sitze auf dem Stuhl neben seinem Bett in diesem sehr schönen, hellen, sauber duftenden Zimmer und begreife erst allmählich die Endgültigkeit. Sein hart erkämpftes Sterbendürfen – statt von Maschinen künstlich erhaltenes Lebenmüssen ohne Hoffnung auf Besserung – ist erlösend für ihn, erleichternd für uns und dennoch unglaublich schmerzhaft.

Auf dem Nachttisch stehen eine Engelskultpur und eine schwarze Kerze. Auf S.s Bauch liegt eine Blume. Ich glaube, das hätte ihm gefallen.

Die sehr herzliche Schwester auf der Palliativstation sagt, dass wir jederzeit anrufen und Fragen stellen dürfen. Und dass S. doch bitte zeitnah von einem Bestattungsunternehmen unserer Wahl abgeholt werden solle. Darum kümmert sich die Schwester, sagt Irgendlink. Wie gut es doch ist, dass er und F. sich bei dieser gemeldet haben, als S. noch lebte. So konnten noch Worte des Verzeihens und der Vergebung ausgesprochen werden.

Ein Leben ist vollbracht, so, genau so, fühlt es sich an. Kein ’zu früh’, sondern ein ’genau richtig’.

Danke, lieber Freund!

+++

Ich glaube ja, den Himmel haben sich die Menschen nur ausgedacht, weil sie mit der Tatsache und Endgültigkeit des Todes nicht klarkamen. Aus dem gleichen Grund haben sie sich Gott ausgedacht. Sie brauchen jemanden, dem sie die letzte Verantwortung und all die ungelösten und unlösbaren Fragen in die Schuhe schieben konnten.

Eigentlich anders

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Eigentlich wollte ich dieser Tag hier einen liebevollen, begeisterten, einladenden Text über das geplante Live-Kunst-Reiseprojekt des liebsten Irgendlink schreiben. Einen Text über seine Pläne, via Helsinki ein weiteres Mal ans Nordkap zu radeln. Einen Text über die Umsetzung eines Traumes, der seit Mitte Pandemiezeit immer konkreter wurde und dieses Jahr in die Wirklichkeit geholt werden sollte.

Uneigentlich ist alles ganz anders. Gestern Nachmittag fand ein Gespräch statt, von dem wir uns erhofft hatten, dass danach unser lieber Freund S. endlich und seinem Wunsch, seiner mündlichen Patientenverfügung, entsprechend, von seinen unheilbaren Schmerzen befreit wird.

Diese existentielle Fragen liegen uns schwer auf Mägen und Herzen. Es geht um Würde und Autonomie bis zuletzt, und es geht um Fragen zu Lebenmüssen und Sterbendürfen. Um Entscheidungen, die wir für einen lieben Menschen treffen müssen, der sich nicht mehr zu Wort melden kann. Ich bin ja ’nur’als Mitmensch und langjährige Freundin im Boot, der Liebste jedoch als Beistand. Schwere Entscheidungen. Wir machen es uns keineswegs leicht.

Mein Herz ist schwer. So viele Erinnerungen an unseren lieben Freund S. tauchen auf, während ich an seinem Bett stehe. Die letzten Besuche im Pflegeheim. Mein letzter vor dem aktuellen Klinikaufenthalt war jener, bei welchem wir ihm das von Freunden finanzierten E-Mobil geliefert hatten. Das er aber, weil er von seiner zweiten Covid-Erkrankung noch so geschwächt war, noch gar nicht hatte probefahren können.

Leider hat das gestrige Gespräch nicht das erhoffte Ergebnis bewirkt, nämlich das Freund S. von seinen Leiden erlöst werden darf. Nochmals neun Tage Abwarterei. Heute oder jedenfalls bald bekommt S. einen Luftröhrenschnitt, dann soll das Morphin ausgeschlichen werden und alsdann soll S. bitteschön höchstpersönlich sagen, dass er nicht mehr weiterleben will. Obwohl wir eine Tonaufnahme von eben dieser Aussage haben. Und diese auch in verschriftlichter Form vorliegt. Und der Liebste immerhin S.s juristischer Beistand ist. Dass S. vor einem Monat jener einen OP zugestimmt habe, die ihn von seiner zunehmenden Lähmung erlösen sollte, sei doch Zeichen dafür, dass S. weiterleben wolle. Dass die OP eher nicht erfolgreich war, wird ignoriert.

Es ist ein Trauerspiel. Wir geben nicht auf.

Des Liebsten Reise ist jedenfalls gecancelt. Aber vielleicht ist ja aufgeschoben nicht aufgehoben. Bestimmt würde sich S. sogar freuen, wenn Irgendlink nochmals vom Nordkap in die Ferne gucken könnte. Ganz bestimmt sogar.

Zwischen den Jahren 22-23 #1

Endlich haben wir dort, wo wir zwischen den Jahren hingefahren sind, wieder einmal ein paar Geocaches gehoben. Lange her seit den letzten Malen. Um es uns ein bisschen abwechslungsreicher zu machen, haben wir uns sogar für einen Monat ein Premium-Abo für 6.99 Euro gegönnt, denn inzwischen sind die schönsten Caches hinter einer Bezahlschranke.

Lange haben wir uns gegen diese kapitalisierende Maßnahme des doch eigentlich sehr naturnahen und versponnenen, so gar nicht gewinnorientierten Geocaching gewehrt, doch diesmal sind wir – temproär – eingeknickt.

Tupperdose mit blauem, feucht angelaufenem Deckelrand zwischen Moos und Steinen
Tupperdose mit blauem, feucht angelaufenem Deckelrand zwischen Moos und Steinen

Früher allerdings, damals, vor dreizehn Jahren, als mich der Liebste in Bern ins Cachen eingeführt hatte, war alles noch viel geheimer, komplizierter, nerdiger gewesen. Wir hatten uns noch gern gebückt und irgendwo im Dreck gebuddelt, um eine versteckte Dose mit einem Logbüchlein oder Logpapierstreifen zu finden. Wir hatten länger gesucht als heute und weniger schnell aufgegeben.

Inzwischen mögen wir ja am liebsten an Bäumen hängende Döschen, die  sich nach ein bisschen Suchen in Augenhöhe zeigen. Stehtischcacher*innen sind wir geworden, sagten wir dieser Tage zueinander, der Liebsten und ich, als wir uns dreimal überlegten, ob wir jetzt noch weiter nach einem offenbar irgendwo in Bodennähe versteckten Cache fahnden sollten. Und auf einmal sehen wir ihn, da, sieh doch! Wie konnten wir dieses Döschen, das da vor unseren Augen in der Efeuhecke baumelt, so lange übersehen?

Siebenundzwanzig neue Funde sind in den Tagen zwischen den Jahren dazugekommen. Die meisten davon in der Kategorie Mikro – also klein, kleiner oder etwa gleich groß wie eine Streichholzschachtel oder eine Filmrolle.

Niemand schaut mehr merkwürdig, wenn erwachsene Menschen sich mit Handys durchs Unterholz navigieren, an Steinmauern herumlungern oder unter Bänken tasten. Die App ist inzwischen recht genau geworden und hat die früheren GPS-Geräte abgelöst. Und Muggels, wie Nicht-Geocacher*innen genannt werden, stellen heute keine allzugroße Gefahr mehr dar. Die allgemeine Toleranz merkwürdigen Hobbies gegenüber scheint gestiegen zu sein. Obwohl es dann doch immer wieder Caches gibt, die von Uneingeweihten zerstört werden. Einen haben wir eine ganze Weile gesucht, nur um in den digitalen Logkommentaren zu eben jenem Cache ein Foto zu finden, das den kaputten Cache, auf dem Boden liegend, zeigte. Tja.

Die Vorteile? Wer sich geocachend eine vorher unbekannte Region vornimmt, kommt an Orte, an die normale Reiseführer nicht heranreichen. Oftmals werden Geocaches in Spazier- und/oder Wanderrunden ausgelegt, so dass du das eine – Wandern – aufs Angenehmste mit den andern – Geocaches finden – verbinden kannst. Und da wären wir beim einzigen mir einfallenden Nachteil. Manchmal bin ich nämlich so verpeilt mit Blick aufs Handy-Navi, dass ich fast schon vergesse, die Schönheit der Natur, durch die ich mich wandernd bewege, zu betrachten. Aber zum Glück nur manchmal.

Es hat uns beiden unglaublich gut getan, jeden Tag der letzten Woche draußen zu sein. Bei Wind und Wetter. Ein paar Bilder gibts im nachfolgenden, passwortgeschützten Blogartikel.

(Gern verrate ich euch dieses auf Anfrage.)

+++

Ach, und  was ich noch sagen wollte: Danke, dass ihr da seid. Alles Gute für das neue Jahr, das vor wenigen Tagen begonnen hat. Tut euch Gutes, achtet auf euch und eure Mitmenschen, bleibt so gesund wie irgendwie möglich und lasst euch nichts Schlimmes gefallen.
Und bleibt mir gewogen.

Der neunte Tag und endlich ein kleiner, vorsichtiger Optimismus

Vor neun Tagen hatten wir die ersten Symptome. Von Anfang an habe ich privat darüber Tagebuch geschrieben.

Ich frage mich zwischendurch immer mal, ob es sinnvoll – im Sinnne einer Art öffentlichen Archivierung/Chronik – und möglicherweise sogar hilfreich für andere sein könnte, wenn ich (gelegentlich) mein privat verfasstes Corona-Tagebuch hier veröffentliche. Ich denke da noch darüber nach. Immerhin ist es ja noch nicht ausgestanden.

Die ersten Symptome waren beim Liebsten stärker als bei mir,. Er hatte ja auch einen Tag Vorsprung. Ich habe drei Tage lang ‘nur’ ein leicht benommenes, mit Schluckweh einhergehendes Unwohlsein mit Müdigkeit und matschigem Kopf, erst ab Tag 3, abends, kippt es. In dieser Zeit ist es Irgendlink, den das Virus regelrecht und buchstäblich für etwa sechzig Stunden in die Knie, respektive in die Horizontale zwingt.

Als er langsam wieder auftaucht, fängt es bei mir an, aber so richtig. Das Schluckweh glüht bis in die Ohren und die Temperatur klettert für über drei Tage – achtzig Stunden – stabil über 38 Grad. Einzig wenn ich ein Ibu futtere, sinkt sie für einige Stunden.

An Tag 2 annulliere ich traurig meinen 2. Booster-Termin. Schade. Knapp verpasst. Ich hätte ja lieber einen Impfarm als Covid gehabt.

Der PCR-Test vom – Tag 2 – ist noch negativ und auch die Selbsttests bleiben bis Tag 3 negativ, weshalb wir uns in der Wohnung mit Maske begegnen, außerdem haben wir getrennte Schlafzimmer, viel Lüften. Viel dösen, viel Hörbuchhören (ich), ab und zu ein bisschen Lesen, Social Media, Filme gucken.

Ich weiß innerlich spätestens ab Tag 4, dass ich positiv bin, aber den nächsten Schnelltest mache ich doch erst am Tag 6, weil ich kaum mehr Tests habe und damit ich an Tag 7, einem Samstag, nochmals zum Testen (für Statistik und Sicherheit) in die Apotheke gehen könnte. Was ich dann auch tue. Und der Liebste auch. Wir fahren nämlich, da es ihm zum Glück inzwischen deutlich besser geht, an die deutsche Grenze, wo er seine Tests (Schnell- und PCR-) gemacht bekommt und ich die online bestellten neuen Tests im Paketshop abholen kann. Beide sind wir positiv, auch noch am siebten Tag seit Symptombeginn. So ist das nämlich.

Seit Tag 7 ist mein Fieber auf dem Rückzug. Nur noch ab und zu guckt es noch raus. Was bleibt, sind Halsweh, Husten, Schnupfen und Schlappheit. Und dieses matschiges Gefühl im Kopf. Konzentrationsprobleme. Mitten im Satz nicht mehr wissen, was ich sagen wollte. Und immer wieder Erschöpftsein nach kleinen Tätigkeiten.

Letzte Nacht der Umzug zurück ins Schlafzimmer. (Ciao Sofa, war schön mit dir!)

Heute ist das Schluckweh endlich nur noch ein kleiner Nachhall, der Schnupfen schleicht sich ebenfalls langsam davon, noch brennen die überreizten Schleimhäute. Zum Glück ist der Husten ziemlich zur Ruhe gekommen.  Alles dauert bei mir länger als sonst.

Als Privileg empfinde ich, dass wir diese Krankheit, hier bei mir, Seite an Seite durchstehen konnten, uns gegenseitig unterstützen, mit Zugang zu Badewanne und Co., und mit zwei Rückzugsräumen. Dazu liebe Freund*innen im echten und im virtuellen Leben, die Mut machen und liebe Nachrichten schicken, die nachfragen und Hilfe anbieten. Das macht uns sehr dankbar.

Vermutlich hatten wir einen sogenannt leichten Verlauf, obwohl ich mich nicht erinnern kann, je vorher mal soo krank gewesen zu sein. Hoffentlich sind wir bald wieder ganz genesen. Und noch hoffentlicher bleibt nichts von alledem zurück.

Aber was wäre wohl gewesen, wenn wir die Ur-Variante (oder Delta) dieses Shaiz-Virus – dazu noch ungeimpft –, bekommen hätten? So ‘leicht’ – äh, leicht war es nicht wirklich – wären wir vermutlich nicht davon gekommen.

Und ausgestanden ist es ja, wie gesagt, noch immer nicht. Aber da ist wieder vorsichtiger Optimismus irgendwo.

+++

Bitte tragt euch und euren Mitmenschen Sorge, lasst euch impfen und/oder boostern und tragt Masken. Für jene, deren Immunsystem nicht so stabil ist, aber eigentlich für alle.

Erstens kommt es anders …

Eigentlich dachten wir ja, dass wir fünfzehn Tage auf Wanderschaft sein würden. Mach keine Pläne, Sofasophia, sie werden eh nicht funktionieren! Nicht in einer Welt voller Katastrophen, großen und kleinen. Und dann ist uns tatsächlich dieses Leben dazwischen gekommen. Das Leben mit seinen Krankheits- und Gesundheitsdingen, dazu ein fertig gelebtes Leben. Ein Tod.

Und jetzt bin ich also wieder daheim und der Alltag schließt mich wieder in seine heißen Arme.

Acht Tage lang habe ich ziemlich erfolgreich alles, was nicht unmittelbar mit unserer Ferienreise und unseren nächsten Menschen zu tun hatte, ausgeblendet. Das fühlt sich immer wieder sehr ambivalent an. Einerseits so, als würde ich verdrängen, dass es da draußen Viren, Kriege und Katastrophen, Tod und Krankheit gibt, andererseits weiß ich, dass ich das hin und wieder brauche, dieses Auf-Durchzug-Schalten, weil es einfach notwendend ist und gut tut.

Ich habe trotz der Kürze unserer Reise Kraft geschöpft. Die in der Natur erlebte Ruhe hat meinen inneren Akku aufgefüllt. Hoffentlich hält die neue Energie eine Weile vor.

Falls ihr lesen mögt, was wir so erlebt haben: Im Flussnotenblog lässt sich alles chronologisch geordnet lesen. Dazu gibt es viele Bilder, die die liebe Ulrike für uns verbloggt und in Karte und Galerie eingebettet hat.

Fluss und Mensch, Wandern und Worte | #flussnoten22

Gestern habe ich das sechs Jahre alte Flussnoten-Blog, das Herr Irgendlink und ich für unsere Rheinreise ins Leben gerufen haben, entstaubt.

Wir könnten doch eigentlich?!, hatte Irgendlink neulich gesagt, als wir uns über unsere Reisepläne unterhalten hatten.

Die Rhône! Schon seit unserer präpandemischen Aarewanderung (2019) von der Grimsel nach Bern vor drei Jahren hatte sich die Rhône immer mal wieder in unsere Reisephantasien geschoben. M. und B. sind schuld, die uns damals,  als sie uns auf die Grimsel gefahren hatten, von der Rhône, die »gleich da drüben!«, am Furkapass, entspringt, erzählt haben.

Grimsel- und Furkapass sind Wasserscheiden, hier die Aare in die eine Richtung, dort die Rhône in die andere Richtung. Das gefällt mir. Ich mag außerdem Quellen. Ich mag Anfänge.

Beim Stöbern im sechs Jahre alten Blog finde ich einen Entwurf. Keine Ahnung mehr, wann ich ihn erstellt habe.

Der Fluss und der Mensch, das Menschenleben:
Kind = Quelle
Meer/Mündung = Sterben

So schrieb ich damals, denn von der Quelle am Tomasee in den Bündner Bergen bis zum Bodensee am Dreiländereck (A/D/CH) neben einem Fluss her zu wandern, lässt viel Zeit und Raum, über das Woher und das Wohin nachzudenken.

Vom Bodensee bis zur Mündung ins Meer ist Irgendlink anschließend allein mit dem Rad gefahren. (Alles steht im Flussnotenblog.)

Und auch er schreibt über die Metapher Mensch als Fluss.

»Bin ich ein Fluss, ist der Fluss ich, Menschenfluss, Flussmensch, Lebensfluss (das, was sich sowieso schon die ganze Strecke durchs Buch zieht).«
Zitat Irgendlink

Ich mag ganz besonders seinen letzten Text, verfasst am Ende der Reise:

»Ich phantasiere, sehe die Fische und die Vögel. Wie im Traum, in dem alles möglich ist. Bin ich der Fluss? Ist der Fluss ich? Das gute am Fluss ist, dass man von der Mündung zur Quelle zurückreisen kann, je nach Belieben. Mit dem Lebensfluss geht das nicht. Der Lebensfluss kennt nur die Härte und Wucht der Gegenwart.«

»Es geht meist nur tief im eigenen Innern, Frieden zu schaffen. Frieden mit sich selbst schafft auch ein bisschen äußeren Frieden, denke ich, einen Berg hochkurbelnd.«
Zitate Irgendlink

Wir könnten doch eigentlich?!, hatte er also neulich gesagt. Und dann habe ich also. Das Blog wachgeküsst nämlich. Damit wir unsere nächste Flussreise ebenfalls im Flussnoten-Blog dokumentieren können.

Los gehts in 20 Tagen. Wenn nichts dazwischen kommt. Keine Viren und keine Kriege. Das Leben lässt sich ja heute nicht mehr so leicht planen, wie wir es damals vor sechs Jahren noch geglaubt haben.

Mehr Infos zur geplanten Wanderung gibt es hier, denn wir könnten wirklich.

Ich freue mich sehr.

Jahrestag

Heute vor dreizehn Jahren habe ich mein erstes WordPress-Blog gestartet, das Vorvorgänger-Blog dieses Blogs hier. Die ersten paar Texte hatte ich dem Weblog, das ich davor – seit 2004 – geführt hatte, entnommen, auf dass in diesem neuen Blog nicht so viel Leere sei. Denn, ja, so ein leeres Blog hat durchaus etwas Forderndes, etwas Furchteinflößendes.

Ich erinnere mich noch genau an die Gefühle dieses Neuanfangs damals, als ich das neue Blogland zu bewohnen und zu betexten begann. Und mit welcher Leidenschaft ich die ersten Texte geschrieben habe. Lustvoll. Ohne zu überlegen, ob das, was ich schrieb, gefiel. Ich hatte ja eh kaum Follower.

Ausschlagend für den Umzug war gewesen, dass ich durchs Novemberschreiben und die Schreibsszene Schweiz ein paar Blogs zu lesen begonnen hatte. Dank dieser ersten Blogs hatte ich dank deren Blogrolls weitere Blogs entdeckt und auch diese zu lesen begonnen. Eins davon gefiel mir besonders gut. Es gehörte einem deutschen Künstler, mit dem ich irgendwie und irgendwann in jenem Frühling eine Art Brieffreundschaft begonnen hatte. (Die Fortsetzung davon ist Geschichte.)

Wieso also nicht auch selbst vom alten, handgestrickten Weblog in ein neues, leichter zu bedienendes WordPress-Blog umziehen, denn neugierig auf die Software war ich schon lange.

Ich habe es nie bereut. Obwohl das Schreiben nicht mehr diese früher erlebte Leichtigkeit hat. Dennoch: Was in diesen dreizehn Jahren Bloggerei alles entstanden ist, macht mich unendlich dankbar. Aus Gedanken und Texten sind unzählige Kooperationen gewachsen, Projekte, winzige, kleine und große. Aus Kommentarsträngen sind Beziehungen geworden, kürzer- und längerfristige. Und Freundschaften sind gewachsen, die nun schon viele Jahre andauern.

Ja, das Blog ist ein wilder Garten. Eine Metapher, die ausgerechnet heute auch der liebe Herr Irgendlink in seinem Blog erwähnt.

Was sich alles verändert hat hinter den Kulissen, ist ja auch nicht nichts. Dass ich im Laufe der Jahre sogar WordPress-Kurse geben und WordPress-Seiten für Kundinnen und Kunden erstellen würde, hätte ich damals, trotz all der technischen Affinität, die ich damals schon hatte, auch nicht gedacht.

Und wie sich die Welt verändert hat. Und Social Media. Was sage ich da? Die ganzen Möglichkeiten des Sich-Vernetzens und der Kommunikation haben sich verändert. Grenzenlos. Größer. Weiter.

Vielleicht darum zieht es mich zurück zu den Anfängen. Zurück zum einfachen, zum ambitonslosen Drauflos-Schreiben.

Ich überlege sogar, ob ich die Kommetare – wie früher – wieder öffnen soll. Obwohl ich mich gut daran erinnere, warum ich sie zugemacht habe. Akribisch hatte ich das Bearbeiten von Kommentaren früher gepflegt, zeitaufwändig war das gewesen. Dennoch: es ist einen Versuch wert.

Happy Blogbirthday und auf einen neuen Anfang!

Er radelt wieder

Er radelt sogar schon fast eine von geplanten knapp drei Wochen. Von Herrn Irgendlink ist die Rede. Seine Fernrad-Reiseblog-Projekte waren vor der Pandemie geradezu legendär. Mitreisen konnten alle, die Lust auf velosophische Radabenteuer zwischen Nordkap, Gibraltar, Bodens- und Nordsee und um das eine oder andere Bundesland hatten. Lesend konnten wir ihn begleiten – im Blog und auf Twitter. Und dann kam die Pandemie.

Vor dem Lockdown hatte er geplant, ein drittes Mal innerhalb von zwanzig Jahren, nach Andorra zu radeln, um herauszufinden, wie sich das Land und der Weg verändert haben. Doch dann kam ihm der Lockdown dazwischen. Diesem jedoch verdanken wir zwei fiktive Reisebücher, die sich lesen, als wäre der Reisekünstler höchstpersönlich unterwegs.

Sehr sehr lesenswert:
1. Zweibrücken-Andorra, die Dritte.
2. Radlantix

Die pandemische Lage lässt es inzwischen wieder zu, dass er das im Sommer 2019 wegen Starkregen und Überschwemmungen abgebrochene Reiseprojekt #Umsland/Bayern weiterführen kann.

Kommt alle. Reist alle mit.

Reiserad geleht an rote Metallbank auf Brücke, vor Fluss und Bergen im Hintergrund, darüber Blauhimmel

Hier gehts zum verbloggten E-Book der 2018 und 2019 erradelten Streckentexte.

In seinem täglichen Blog servieren wir euch wieder Texte und Bilder in gewohnter Manier. Ich bin erneut als Homebase an Bord und füttere euch mit Kartenlinks und kleinen abendlichen Zusammenfassungen.

Ich stelle fest, dass mir dieses Mitreisen sehr gut tut. Ein wenig Altes im Neuen, ein Stück Heile Welt, ein bisschen Frieden im Alltag, der von Krisen geprägt ist.

Vom Sich-Irren

Verstehen ist wirklich nicht immer einfach und missverstanden und missinterpretiert ist schnell. Dass also der Arzt der Kollegin der Frau vorm Kiosk wirklich gesagt haben soll, Maskentragen mache krank, glaube ich zum Beispiel nicht wirklich. Dass Maskentragen krank machen soll, glaube ich ebensowenig wie dass der Arzt es so gesagt und so gemeint hat. Eher glaube ich, dass der Arzt der Kollegin der Frau vorm Kiosk einen kausalen Zusammenhang zwischen der aktuell steigenden Zahl von Erkältungsinfekten und der Abschaffung der Schutzmasken sieht. Möglicherweise hat er sogar gesagt, dass uns die Masken verwöhnt und unser Immunsystem in den Pause-Modus versetzt haben, weshalb nun die Abwehrkräfte noch schlafen. So irgendwie stelle ich es mir vor.

Aber die Frau vorm Kiosk beharrt weiter darauf, dass Masken krank machen. Ich trete immer wieder einen Schritt zurück, da ich Abstand halten will, doch sie rückt nach.

Sie hat mit der Frau hinter der Kioskscheibe geschwatzt, als wir um die Ecke biegen, weil der Liebste Guthaben für seine Schweizer Handy-SIM-Karte kaufen will. Die Frau vorm Kiosk macht Irgendlink Platz und sagt zu ihm, er brauche keine Maske aufzuziehen. Dieser nickt ihr freundlich zu und behält seinen Covid-Schutz trotzdem vorsorglich auf. Zumal er ja noch nicht mit Sicherheit sagen kann, ob er sich auf der Zugreise* infiziert hat. Er schützt also nicht nur sich, sondern auch andere.

Die Frau stellt sich daraufhin neben mich, die ich in sicherem Abstand zum Kiosk wartend keine Maske trage und erzählt mir von ihrer ärztlich abgesegneten Theorie, dass Masken krank machen. Weil es doch der Herr Doktor ihrer Kollegin, die im Migros an der Kasse arbeitet, so gesagt hat. Gesagt haben soll. Ich rolle innerlich mit den Augen und erkläre, dass sie da vermutlich etwas falsch interpretiert haben könnte und natürlich finden wir keinen gemeinsamen Nenner; und sie beharrt darauf, dass der Arzt es wirklich genau so gesagt hat. Masken machen krank, das hat er gesagt.

Ich weiß, dass ich mich nicht auf solche sinnlosen Diskussionen einlassen sollte. Es bringt nichts. Die Frau sagt nun, dass sie Covid eh schon gehabt habe. Und dass es nicht so schlimm sei, wie alle behaupten.

(Wieder einmal fällt mir auf, dass jede*r Coviderkrankte von sich auf alle schließt: War es eine leichte Erkrankung ohne Nachhall, ist Covid generell harmlos und wird maßlos übertrieben. Nur wenn die Erkrankung schlimm war, wird Covid ernst genommen. Die Harmlos-Variante ist zum Glück die häufigere, aber daraus zu schließen … ach, ihr wisst das alle selbst.)

Ich sage zur Frau vorm Kiosk, dass sich auch ein Arzt irren kann. Falls er es denn wirklich so gesagt und so gemeint haben sollte.

Zum Glück kommt Irgendlink nun und wir verabschieden uns von der Frau vorm Kiosk, die mir immerhin darin recht gibt als dass sich alle mal irren können. Wobei sie mich meint. Und ich sie.

Und damit ist eigentlich die aktuelle Lage der Welt ziemlich gut erklärt.

 


*siehe letzten Artikel. Inzwischen sagt ein negativer Test, dass sich Irgendlinks Maskentragerei im Zug wohl gelohnt hat.