Novemberschreiben 2023

Vor siebzehn Jahren habe ich das erste Mal bei einem Novemberschreiben mitgemacht. Boah. Ich glaube, es waren drei oder vier Jahre in Folge, in denen ich mitgeschrieben hatte. Mindestens zweimal habe ich die 50’000 Wörter geschaft. Was ich auch unserer damaligen Schreibgemeinschaft verdanke. Wir hatten damals ein sehr aktives Schreibforum. Außerdem gründeten wir Bernerinnen und Berner schon im ersten Winter eine Schreibgruppe, die Institution, Forum und Schreibszene sogar überdauert hat. Erst die Pandemie und auseinanderdriftende Bedürfnisse haben die Gruppe schließlich aufgelöst. Die freundschaftlichen Kontakte bestehen zum Glück weiterhin, wenn auch eher punktuell.

Sich gemeinsam zum Schreiben zu motivieren, über Schreibtechnisches und Literaturspezifisches auszutauschen, über Handlungsstränge und fiktive Figuren zu fachsimpeln, fand und finde ich noch immer eins der besten Dinge. Ein roter Faden durch mein Leben.

Zwar habe ich, trotz mehrerer fast fertiger Manuskripte noch nie den Mut für eine Roman-Veröffentlichung gehabt, doch die eine oder andere Kurzgeschichte und viele Artikel in virtuellen und Printmedien wurden seither publiziert und viele Fallgruben aus den Anfangsjahren sind bekannt.

Doch wie sieht es denn inzwischen überhaupt bei mir aus? Habe ich noch etwas zu erzählen? Warum schreibe ich eigentlich keine fiktiven Texte und keine Geschichten mehr, wo das doch für mich so eine wichtige und beglückende Tätigkeit ist? Fragen, die ich mir in letzter Zeit immer wieder gestellt habe. Fragen, die nun in der Entscheidung gemündet sind, mit all dem Gelernten und Erfahrenen nochmals neu in den Schreibsee zu springen und einfach drauflos zu schreiben. Die innere Zensorin zu ignorieren. Schreiben, als gäbe es kein Morgen …

Einen Monat lang meinen diesjährigen 50’000 Wörtern, die zu einem Novemberschreiben/Nanowrimo gehören, auf die Spur kommen. Sie aus mir heraus lassen. Den Geschichten Platz machen und den inneren Ideen lauschen.

Ja, ich bin bereit. Sowas von.

Auf der Suche nach einer Zählmaschine habe ich mich vor einigen Wochen auf der offiziellen amerikanischen NaNoWriMo-Webseite angemeldet. Das dortige Forum erschloss sich mir leider nicht und als ich feststellte, dass diese Seite vom großen A. gehostet wird, meldete ich mich wieder ab.

Gestern habe ich stattdessen auf Etsy ein Statistiktool, eine komplexe Tabelle mit Grafiken, gekauft und heruntergeladen, damit ich ab nächstem Mittwoch meine Schreiberfolge dennoch dokumentieren kann. Meine eigene Zählmaschine sozusagen, so als kleine Motivationshilfe. Diesmal schreibe ich also ohne Zahlen-Vergleich mit anderen Schreiberlingen. Ich hoffe, ich kann mich trotzdem motivieren. Irgendwann wird eh die Geschichte den Motivationspart übernehmen.

Ich freue mich auf den Flow, der hoffentlich nicht auf sich warten lassen wird.

Kürzestgeschichten II

Sie hat schon als Kind all die wilden Wörter gezähmt, die sich in den Büchern tummelten, die sie las. Schon früh hat sie sich all der unbekannten Wörter angenommen, hat sich ihrer erbarmt und schließlich in ihren Wortschatz aufgenommen, in ihre Familie. Die der Wörter.

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Ja, auch er hatte einige Tattoos. An Orten, an denen niemand sie sehen konnte. Auf der Seele.

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Form folgt Funktion – so weit, so gut, denkt sie. Doch inzwischen ist es oft andersrum. Oft hat die Form, die Fassade, das Äußere viel zu viel Macht und verdrängt das, was zuerst da gewesen ist. Die Ideen, die Gedanken, die Inhalte. Natürlich brauchen die einen Körper, eine Hülle, überlegt sie weiter. Brauchen wir denn nicht alle Strukturen und Formen für all die Ideen in unseren Köpfen? Ja, und wir brauchen auch  Schönheit. denkt sie, wir wollen es ästethisch um uns herum. Und wir wollen diese Welt und das, was in ihr ist, formen, mitformen. Am liebsten nach unseren Vorstellungen.

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Da ist diese Schraube, schier unerreichbar. Und sie sitzt so fest, dass sie sich nicht mehr lösen lässt. Höchstens mit Gewalt. Vielleicht mit Hitze. Ja, auch er hatte solche. In sich drin. Solche Schrauben, die niemand mehr lösen konnte.

Kürzestgeschichten I

In der Stadt. Er nähert sich einer Fußgängerampel. Rot. Zwei Menschen stehen bereits dort und warten. Als nach fünf Minuten und zig vorbeigefahrenen Autos noch immer kein Grün kommt, fragt er nach. Nein, niemand hat bisher den Knopf gedrückt.

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Gedankenverloren fährt sie mit dem Auto durch die Dörfer. Die Ampel, die sonst immer rot zeigt, zeigt heute grün. Erst als der Autofahrer hinter ihr hupt, merkt sie, dass sie für grün angehalten hat.

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Blick ins Dunkel hinter einer Mauer, die große Lücken hatHätte die da im Kreisel geblinkt und angezeigt, dass sie hinauswill, hätte er nicht angehalten. Und der da, an der Kreuzung, wieso blinkt er denn erst so spät? Zu spät. Er hat ihn ausgebremst.

Wir haben vergessen, dass die anderen womöglich nicht wissen können, wohin wir unterwegs sind.

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Manchmal möchte sie ja – wie bei einem Buch – ihr Leben vorblättern um zu erfahren, wie es ausgeht. Wenn sie das Ende mag, wird sie das Buch weiterlesen. Andernfalls würde sie dieses Buch lieber zuklappen und wegwerfen.

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Dieses sinnlose Warten darauf, dass der Drucker endlich druckt, wenn man den falschen ausgewählt hat. Einen, der weit weg, in einem anderen Land, steht.