10 Jahre Kultur mit Silvia Bervingas und Matthias Wolf

Da war vor zehn Jahren dieser erste, sehr originelle Tatort aus Saarbrücken, der erste mit Devid Striesow, Sie erinnern sich? Eine der wenigen Tatort-Folgen übrigens, die ich je in meinem Blog (hier) besprochen habe. ’Melinda’ hieß sie und es ging um Drogenschmuggel. Soweit nichts Neues, doch es war auch nicht die Geschichte an sich, die es mir angetan hatte, es waren die drei Hauptfiguren: Melinda natürlich, dann Devid Striesow aka Jens Stellbrink und Silvia Bervingas aka Margot Müller.

Dass ich ’Margot Müller’, im echten Leben Silvia Bervingas, kurz darauf persönlich kennenlernen würde, wusste ich damals noch nicht. Es war nach einer Tucholski-Performance – ’Schräglagen’ – in der Galerie Prisma, als wir draußen, bei einer Zigarette, ins Gespräch miteinander kamen, Silvia, der liebste Irgendlink und ich. In dieser Kombination haben wir seither schon viele Stunden verbracht, am Feuer sitzend oder auf dem Sofa und einander aus unseren Leben erzählend.

»„Schräglagen“ hieß der Abend, 25 Besucher waren in die damals noch existierende Zweibrücker Prisma-Galerie gekommen. Bervingas las und spielte ausdrucksstark, Wolf erzeugte Hintergrundgeräusche, spielte dann aber auch stimmungsvolle Soli. In der Pause plauderten die Künstler ganz ungezwungen mit dem Publikum.«
Zitat/Quelle: Rheinpfalz

Einen großen Teil ihrer Lesungen und Performances habe ich in den letzten zehn Jahren mitverfolgt, gehört und gesehen. Vielen kostbaren Texten und wohltuenden Klängen habe ich seither gelauscht. Zum Beispiel der ungehaltenen Rede Katharina von Boras, Martin Luthers Ehefrau, die ich hier besprochen habe.

»In der Folge erarbeiteten die beiden bis heute zehn abendfüllende Programme. Texte von Kurt Tucholsky, Erich Kästner, Christian Morgenstern, die ungehaltene Rede der Katharina von Bora an ihren Martin Luther, bissige Kurzgeschichten der Amerikanerin Dorothy Parker, literarisches Kabarett der 1920er und 1930er Jahre, Liebesbriefe von Frauen an Adolf Hitler. Die Programme sind geprägt durch die sorgfältige Textauswahl, die eindrucksvolle Stimme von Bervingas und die Musik für Kontrabass von Wolf, die meist jazzig angehaucht ist. Die Programme kamen gut an, sie wurden nicht nur in Zweibrücken, sondern auch an anderen Orten aufgeführt.«
Zitat/Quelle: Rheinpfalz

Gestern Abend nun spielten, performten, sangen und lasen die beiden ihre Lieblingsstücke der letzten zehn Jahre. Die Rheinpfalz kündigte die Vorstellung so lustvoll an, dass der Veranstaltungsraum, die Zweibrücker Himmelsbergkapelle, gestern Abend schier überquoll. Über hundert Menschen – manche gar stehend, weil es keine Sitzplätze mehr gab –, tauchten gemeinsam in eine heitere, bissige, politisch motivierte, musikalisch bezaubernde Atmosphäre ein und lauschten, lachten und seufzten mit den Protagonist*innen der ganz unterschiedlichen Stücke.

Witzig, charmant und gekonnt boten Silvia Bervingas und Matthias Wolf ein über zweistündiges Programm, das berührt, begeistert und inspiriert.

Mikro

Viele Male
schmerzt etwas
Großes oder Kleines
Eine Holzfaser unterm Fingernagel
Der Kopf dröhnt
Eine Mücke sirrt durchs Zimmer
Ein lieber Mensch sagt Nein, ich will nicht
Du brichst dir den Arm
Die Seele weint
Dieses Chaos im Bauch

Etwas schmerzt
Alles tut weh
Du leidest
Manchmal wie Sau

Addiere Schmerz
nenn ihn klein oder groß
Addiere ihn mit dem von mir
Mit dem von ihr
Mit dem von denen, die da drüben
stehen und weinen
Summieren wir
All diesen verdammten Schmerz
Unerträglich

Das eigene kleine kurze Leben
kaum größer als dein Weisheitszahn
aus der Sicht eines Elefanten
im Vergleich zur Unendlichkeit
Die Leben aller anderen
Addiere alle Leben
Addiere deine Träume
Addiere ihre Freude
Addiere unser Lachen
Addiere unsere Kraft
Summieren wir
Lebenskraft
Lebensmut
Lebensfreude
Lebendigkeit

Zwei Summen
Wir subtrahieren

Minus?
Plus?

Was bleibt?
Was zählt?

Buchstaben, aneinandergereiht

Der Emil trägt die Schuld. Zum einen hat er mich neulich auf Elfchen* gebracht und zum anderen fragte er kurz darauf nach unseren schulischen Erfahrungen mit dem Aufsätzeschreiben. Darum versuche mich wieder einmal an dieser Buchstaben-Kreativität, die mir früher so leicht gefallen ist.

»Immerhin ein Elfchen«, sagte ich vor wenigen Tagen zum Liebsten, als wir am Telefon über unsere brachliegende Kreativitäten klönten, »ein Elfchen könnte ich wieder einmal versuchen.«

Wir hatten eben über orthographisch falsche Fremdsprache-Übersetzungen im Kontext mit Sprachkunst philosophiert – wo doch heute eine schnelle Verifizierung so einfach ist  – und auf einmal spinntisierten wir an einer unserer alten Ideen herum, nämlich einen Ur-Text via Translate-Software in mehrere verschiedene Sprachen und am Schluss wieder ins Deutsche übersetzen zu lassen. Stille Post sozusagen.

Ich kann übrigens keine Elfchen. Das hier ist nur eine abstrakte Spielerei.

Urtext:
Aufsatz
setzt auf
müpfig oder froh
immer wieder voller Zweifel
Wert

Persisch:
مقاله
بر اساس
شاد یا خوشحال
همیشه پر از شک و تردید
ارزش

Schwedisch:
Artikel
Baserat på
glad eller glad
Alltid full av tvivel
Värde

Japanisch:
論文 に基づく 嬉しいか嬉しいか いつも疑問でいっぱい 価値

Französisch:
papier
basé sur
heureux ou heureux
toujours plein de questions
la peine

Italienisch:
carta
basato su
felice o felice
sempre pieno di domande
la penalità

Deutsch:
Papier
bezogen auf
glücklich oder glücklich
immer voller Fragen die
Strafe

Urtext:
Aufsatz
setzt auf
müpfig oder froh
immer wieder voller Zweifel
Wert

Faszinierend, wie der Aufsatz zu Papier geworden ist und das Müpfige glücklich. Und wie ein Bezug zwischen Papier und Glück enstand. Aus Zweifel wurden Fragen und aus Wert Strafe. Sprachen spiegeln ganze Welten, Gesellschaften, Kulturen. Wörter lassen sich eben nicht 1:1 übersetzen ohne die Kenntnis ihrer inneren Architektur. Was zu beweisen war.

Dennoch: Ich mag die neue Fassung meines Ur-Textes. Obwohl meine Erfahrungen mit Aufsätzen absolut nichts mit Strafe zu tun hatten. Im Gegenteil. Außer dem Zeichenunterricht war mir Deutsch immer das liebste Schulfach und meine Noten entsprechend gut. Am liebsten war mir der Deutschunterricht, wenn wir Aufsätze schreiben sollten – und zwar von der ersten Klasse an bis hin zum Fachhochschulabschluss. Ob nun daheim oder während der Stunde war dabei egal.

Die Aufsatzhefte meiner Pflichtschulzeit liegen in einer Bananenkiste. Analoge kleine Schätze. An viele Texte erinnere ich mich noch genau. Wie ich mich gefühlt habe als ich sie geschrieben habe.

Damals, als Zweiklässlerin, hatte ich eines Tages realisiert, dass ich eine der wenigen oder gar die einzige war, die schon zwei- oder dreiseitige Texte schrieb, und erschrak. Und ich schämte mich sogar ein wenig, da ich doch keine Streberin sein wollte. Und wenn die Lehrerin meine Aufsätze vorlas, war es mir auch immer ein wenig peinlich. Schreiben war nämlich fast eine Art geheimer Vorgang für mich, sehr persönlich, sehr intim. Ich hätte allerdings als Drittklässlerin viel dafür gegeben, einmal heimlich alle Aufsätze von allen Klassenkamerad*innen lesen zu dürfen. Dafür benied ich meine Lehrerin.

Ich stellte mir vor, was sie alles über uns erfahren hatte, nachdem sie unsere Ferienberichte, unsere Erörterungen oder unsere Fantasie-Geschichten gelesen hatte. Manchmal mogelte ich allerdings beim Schreiben, wenn es um Familiensachen ging, um unsere Armut zu kaschieren. Einmal, das muss auch in der dritten Klasse gewesen sein, sollten wir einen Aufsatz darüber schreiben, was wäre, wenn wir xyz (frei wählbarer Gewinn) gewonnen hätten. Eine Million zum Beispiel. Ich erinnere mich noch, dass ich im Aufsatz Geld gewonnen und das meiste Geld auf die Bank gebracht hatte. Aber natürlich bekamen wir alle – meine Eltern, meine Geschwister und ich – je hundert Franken. Das war damals für mich schon eine unvorstellbar große Summe und ich schrieb wohl in meinem Aufsatz, was ich mir davon gekauft habe. Allerdings kann es nichts Spektakuläres gewesen sein, denn ich habe es vergessen. Vermutlich eine Hose aus dem Laden – nicht von der Mutter genäht – oder einen Pulli ohne Flicke. Was sich meine Lehrerin da wohl über unser Haushaltbudget ausgerechnet hatte?

Später schrieb ich sogar freiwillige Aufsätze. In der Fachhochschule legte ich diese dann meinem Deutschlehrer vor. Nein, der war nicht jung und hübsch, und ich wollte ihn auch nicht beeindrucken. Im Gegenteil war er eher alt – ich vermute mal über fünfzig – und er schielte. Aber genau darum hatte ich ja auch keine Angst vor ihm und wir diskutierten meine Texte sehr angeregt. Fällt mir ein, dass ich damals ein Erich Kästner-Gedicht auf Schweizerdeutsch übersetzt hatte. Wir fanden, dass es sich fast wie ein Mani Matter-Lied lese. Uns gefiel das.

Ha. Und so sind wir also wieder bei der Übersetzerei gelandet. Ist Sprache letztlich nicht immer Übersetzung? Von innen nach außen und wieder zurück?

In ’Vom Ende der Einsamkeit’ von Benedict Wells sagt jemand  sinngemäß –  Jules oder Alva vermutlich – dass Denken in Reden münde und Fühlen in Schreiben. Damit identifizierte ich mich sofort.

Vielleicht brauche ich ja das Schreiben, um den Gefühlen zu lauschen, die beim Reden zu Boden fallen?


*Das Elfchenschema (nach Wikipedia)

Zeile Wörter Inhalt
1 1 Ein Gedanke,ein Gegenstand, eine Farbe, ein Geruch o. ä.
2 2 Was macht das Wort aus Zeile 1?
3 3 Wo oder wie ist das Wort aus Zeile 1?
4 4 Was meinst du?
5 1 Fazit: Was kommt dabei heraus?

Stichwort Snowflake

In der Seitenleiste dieses Blogs findet ihr übrigens meinen kleinen Beitrag zur Umgehung von politischer Zensur, wie sie aktuell in Iran und in vielen anderen Ländern praktiziert wird.
Macht auch mit, gerne, falls es möglich ist.

Weiterführende Informationen und eine Anleitung findet ihr hier:
snowflake.torproject.org
und hier
Youtube.com

Ein Rätsel

Gesucht wird hier ein sprachaffines Fünfer-Team …

N.
rück grat!
Wer sonst?
Oben. Unten.
Eindeutig klar!

G.s Hingabe galt der Diagonalen,
schon immer.
Schiefe Ebene,
weich.

Wem D. gefällt,
gefällt auch mir.
Liegt braun
und erdig da.
Gehört allen.

A., wen suchst du?
Sind alle schon weg!

Das heißt:
Ganz hinten steht noch einer,
durch den heute keiner mehr will.

Doch die alten Römerinnen mochten A..
Wozu auch immer.
Oder wodurch?
Weil er die Antworten kannte womöglich.


Dieses lyrisch-grammatikalische Rätsel fand ich neulich in meinem Uraltblog.

Wer sind N., G., D., A. und A.?

Ausgelesen #30 | nichts – Gedichte von Manfred Keitel

Dass Manfred Keitel ein sehr inniges Verhältnis zu Sprache hat, wird mir spätestens beim Öffnen des kleinen Büchleins klar. Schnell bekomme ich den Eindruck, dass der Autor inmitten von Wörtern lebt. Da ist etwas Organisches, Selbstverständliches, das mich sofort berüht. In seinen fünf Kapiteln lädt er uns ein, die Welt durch seine Augen und mit seinen Worten im Ohr zu betrachten und zu erfahren. Eine sinnliche, eine feinsinnige Reise.

Mal sind es melancholische Texte, mal heitere, mal absurde, komisch-verspielte, liebevolle, mal dem Tod hin-, mal der Liebe zugewandte. Allesamt mit einem feinen Gespür für die vielen Schichten mancher Worte, für Wendungen und Kontraste, für Quer-im-Raum-Stehendes und für Paradoxien geschrieben. Wenn ich mich auf die oft nur kurzen Texte einlasse, horche ich ihrem Nachhall; manche einzelnen Zeilen lese ich wieder und wieder, weil ich ihren Sinn und den Sinn dahinter und den darunter hören will, verstehen vielleicht sogar. Und jedes Mal sehe ich irgendwo noch ein weitere Bewegung, die ich beim ersten Lesen nicht gesehen habe. Das hier ist ein leises Buch, eins das inspiriert und zum Innehalten einlädt. Ich bin sehr angetan.

Es folgen ein paar Zitate.

+++

weiter hin

der Träumer ist weiterhin erwacht
Der Träumer ist weiterhin eine Katze

Zwischen Sternen ruhen Nächte
und er schläft doch nie
Was schläft ist anders wach

Es ist Gesang nur
und damit Welt
Weite weit aus die Ströme der Nacht

S. 9

+++

Ohne Deckel (Luftbestattung)

Ich wünsche ich könnte
Am dem Loch sterben

An der Lücke die er
In meinem Herzen
Dem daSein hinterließ
Mein Leben wäre erfüllt

[…]

S. 10

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Sternlüstergeflüster

ich bin den Sternen
von den Maschen gerutscht

für zu leicht befunden
im Staub zusammengekehrt
herab zum Ich geballt

nur wir im Dunkeln funkeln
glitzern sternschnuppenleer

S. 29

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alles rundum ist randvoll mit Heißhunger gestillt

keiner ist frei
Jeder bei sich
Selbst Wurzeln schlängeln

S. 51

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Kurz gesagt: Herzliche Leseempfehlung!

(Und nein, mein Büchlein ist kein Rezensionsexemplar. Ich habe es mir selbst geschenkt.)


Manfred Keitel | nichts | Gedichte

Mit einem Nachwort: Erratanomicon.
Mai 2019. 62 S.
Titelbild von Peter Thiersch. Umschlaggestaltung von Anke Enzmann
Format 12,8 x 20,8 cm.
ISBN 978-3-936905-71-7
Verlag ERV
13,80 €

Zur Webseite des Autors gehts hier lang.

Ausgelesen #24 | Der Mensch ist frei – ein Rheinland-Pfalz-Lesebuch

»Die beiden großen Zweibrücker Künstlerfamilien mit fünf Mitgliedern vereint in einem Buch – das gab es noch nie!«, schreibt Andrea Dittgen, die Kulturredaktorin der Rheinpfalz, am 12. Dezember in der Zweibrücker Ausgabe.

Buchcover Der Mensch ist frei [Pinker Einband mit Schreibmaschine in der Bildmitte. Oben Titel, unten Untertitel, Herausgeberschaft und Verlag]
In der vor zwei Tagen erschienenen Anthologie, die ich als Rezensionsexemplar schon ein paar Wochen vorher bestaunen und anlesen durfte, finden sich Texte unterschiedlichster Art.

Was für ein schönes Buch!, dachte ich, als ich es auspackte. Ein geradezu haptisches Erlebnis ist es, das hochwertig hergestellte Buch aufzuklappen und das feine, ästhetisch ansprechend bedruckte Papier anzufassen. Dazu ein pinkes Lesebändchen! Herz, was willst du mehr?

Gute Texte zum Beispiel, klar! Und ja, die gibt es. Zuhauf.

Erzählungen, Lyrik, Familiengeschichten, dazu auch Texte über Texte – so viel verrät das Inhaltsverzeichnis über die Gliederung. Umrahmt und eingeleitet werden die einzelnen Kapitel von den sowohl spannenden als auch informativen Metatexten der beiden Herausgeber Michael Au und Alexander Wasner. Michael Au leitet seit 2010 das Mainzer Referat Literaturförderung im Kultusministerium, Alexander Wasner arbeitet als Redaktor und Autor beim Südwestrundfunk und redigiert seit 2001 die ARD-Sendung ’lesenswert’. Das Team hat also die idealen Voraussetzungen für diese literarische Momentaufnahme, für diesen sogenannten Gegend Entwurf durch das Bundesland Rheinland-Pfalz.

Neben den erwähnten ’großen Zweibrücker Künstlerfamilien’ – gemeint sind hier die Ohlers und die Rincks – darf ich auch ein Interview mit der Autorin Root Leeb und ihrem Partner, dem Wahl-Rheinlandpfälzer Rafik Schami, lesen.

Das Buch fordert heraus, darüber nachzudenken, wie frei der Mensch tatsächlich ist.

Ob sich diese Freiheit womöglich auf Bahnhöfen finden lässt? Monika Rinck, Lyrikerin aus Zweibrücken und Wahlberlinerin, schreibt  in ’Landschaft ist Topf am Bahnhof’  über den Bahnhof Pirmasens Nord. Sie spricht von vermeintlicher Endgültigkeit und von Verlangsamung. In ’Sie können Schotter nicht vorstellen’ hinterfragt sie die Ehrlichkeit von Gegend. Mit vielsinnigem Wortwitz führt sie uns an Grenzen und stellt in ’Du weißt es nicht’ in Frage, ob es einer Gegend reicht, wenn eine Person, ein Kind, am Straßenrand winkt.

Wann ist Gegend Gegend und was genau ist Ankommen? Kann man denn überhaupt je ankommen, wenn man ein Reisender ist, ein Artist-in-Motion, einer, der von A nach B unterwegs ist? Der Konzeptkünstler Jürgen Rinck, der zwei Blogtexte zur Anthologie beigesteuert hat, ist im ersten der beiden Texte unterwegs – wie so oft. Doch auf einmal hält er inne. Und isst. Wie es dazu kam, dass er eine Stunde später mit Joseph, dem Mann jenseits des Gleises, Omelette verspeist? Buch aufschlagen. Lesen.

Ein Buch, das zum Schmöckern, Eintauchen und Nachdenken einlädt und sich der Frage nach der Freiheit aus immer wieder anderen Blickwinkeln annähert.


Michael Au/Alexander Wasner (Herausgeber): „Der Mensch ist frei – Gegend Entwürfe 2018.
Lesebuch für Literatur aus Rheinland-Pfalz 2018. Band 2“
ISBN: 978-3-8260-6318-3
Verlag Königshausen & Neumann, Würzburg 2018
300 Seiten
Erschienen am 12. Dezember 2018
24,80 Euro

Manchmal so

Manchmal kommt Manchmal bei mir vorbei.
Manchmal spiele ich mit Manchmal.
Draußen oder drinnen – manchmal so, manchmal so.
Manchmal Himmel und Hölle, manchmal Stille Post.

Und ja, manchmal wäre ich gerne wie Manchmal.
Und manchmal wäre ich gerne anders anders.
Manchmal wäre ich zum Beispiel gerne so wie X.
Und manchmal lieber so wie Y.

Manchmal aber bin ich gerne so wie ich bin.
Immer öfter – jedenfalls manchmal.

Häutung vielleicht

Diese Schicht, die ich im Blick auf die Welt da draußen aus Zorn und Wut und mit Trauer als Mörtel um mein Herz gepackt habe, ist verkrustet, verdorrt, von mir abgefallen.
Aufgeweicht, von Tränen weggespült worden.
In der Umarmung des Liebsten hat sie sich in Luft aufgelöst.

Egal wie. Hauptsache weg.

Weich wieder.
Schwach sein zu dürfen.
Dem Fieberfeuer, dem Feuerfieber nachzugeben.
Schlafen.

Ich setze mich neu zusammen.

Meinem Körper geben, was er braucht. Mir geben, was ich brauche. Vitamine. Berührung. Frische Luft. Liebevoll gemeinsam gekochte Mahlzeiten.

Ruhe. Als könnte ich die Welt ein bisschen anhalten. Illusion nur, wenn auch nicht die schlechteste.
Ein bisschen bunt mich zu fühlen mit dir, in all dem Grau.