Triggerwarnung ||| Toxische Beziehungen. Victim blaming.
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Manche Menschen sagen: Du entscheidest selbst, wie du über diese oder jene schlimme Erfahrung denkst. Du hast immer eine Wahl. Entscheidend ist nur deine Haltung dazu, dein Umgang damit.
Andere Menschen sagen, dass eine Person, die eine toxische physisch und/oder psychisch gewalttägige Beziehung nicht schnellstmöglich verlasse, selbst schuld sei. Und sie sagen, es brauche zur Machtausübung ja immer zwei, die Machtausübenden und die, die es zuließen. Würden diese die Macht nicht mehr zulassen, würden die Machtausübenden aufgeben.
Menschen, die so denken, haben vermutlich noch nie in einer solchen Situation gesteckt. Wurden noch nie unterdrückt. Haben noch nie Mobbing, Übergriffe, Gewalt oder Ausgrenzung erlebt.
Ja, ich bin richtig allergisch auf solche Sätze. Sie sind in meinen Augen ebenfalls eine Art von Victim blaming – Täter-Opfer-Umkehr, Schuldumkehr – wie etwa der zu kurze Rock, der Schuld daran sei, wenn ein Vergewaltiger seine Hormone nicht unter Komtrolle habe.
Die Opfer werden dafür gescholten, dass sie sich nicht aus eigener Kraft aus ihrer Falle befreien. Und sie werden gern noch dafür beschuldigt, dass sie überhaupt in diese Situation geraten sind. Kurzer Rock und so.
Ich frage mich, ob Menschen, die so über andere urteilen, jemals wirkliches Leid erlebt haben.
Ein Mensch, jung oder alt, erwachsen oder Kind, ist in solchen Situationen gefangen in den Umständen, oft panisch und womöglich sogar in Todesangst.
Gewalt zu erfahren ist immer schrecklich und hört auch nicht einfach auf, wenn die akut erlebte Gewalt wieder aufgehört hat, denn später findet sie im Inneren statt und löst in der Erinnerung jedes Mal neu Angst und Schmerz aus.
Betroffene fühlen Hilflosigkeit, Ausgeliefertsein, oft auch Isolation, Resignation. Wie sollen sie da ausbrechen können? Wie sollen sie da an sich selbst glauben, woher die Kraft und den Mut nehmen? Und wenn sie es dann doch irgendwie herausgeschafft haben, steckt das Erlebte noch immer prägend unter ihrer Haut.
Jedes Mal, wenn ich Sprüche höre oder lese, wie dass es ja nur darauf ankomme, wie wir die Dinge bewerten und wie wir darüber denken, fühle ich diese krasse Diskrepanz zwischen dem, was viele wohl so denken und dem, was ich selbst erlebt und in Gesprächen mit anderen beobachtet habe.
Nein, wie es uns geht, ist nicht nur das Ergebnis dessen, wie wir über die Dinge denken. Es ist vor allem das Ergebnis dessen, was wir fühlen und erleben. Jetzt. Direkt und unmittelbar. Und es ist ein Ergebnis dessen, was wir bis hierher gefühlt und erlebt haben. Ganz ohne Bewertung.
Inzwischen weiß ich, dass wir traumatische Erfahrungen nur lösen können, wenn wir uns diesem Gefühl- und Erlebthaben stellen. Und das geht definitiv nicht über Rationalisierung und Anders-über-etwas-Denken.
Hört also bitte auf, zu sagen, dass Opfer auch immer irgendwie selbst schuld sind.