Mit Orakeln die Welt retten?

Als ich erwache, finde ich mich auf dem Bauch auf dem Sofa liegend wieder. Mit Blick auf den Holzboden, auf dem ein paar Krümel* liegen. Ich schiebe sie mit den Händen zusammen und frage sie: Was wollt ihr mir bloß sagen? Ich grinse Irgendlink an, der neben mir liegt und auch ein kleines Krümelhäufchen mit den Händen zusammengeschoben hat.

»Kehr mich weg!«, sage ich, »sagen sie. Oder nein, vielleicht ist ihre Botschaft ja viel komplexer. Vielleicht«, sage ich, »vielleicht kommt es auf das Muster an. Vielleicht müsste ich nur das Muster entschlüsseln können und dann wüsste ich, was sie mir sagen wollen. Vielleicht ist das hier ja ein Krümelorakel. Vielleicht liegt ja in allen Krümelhaufen, in allen Dreckhaufen, in allen Mustern dieser Welt eine Botschaft?!«

Ich komme in Fahrt. »Vielleicht erfinde ich gerade jetzt eine App, die Muster entschlüsselt!«, sage ich. »Na ja, man müsste die App natürlich nur noch programmieren, aber dann … Die App könnte jedem fotografierten Muster ein vorher eigens festgelegtes Orakel zuordnen.«

»Aber in den AGB müsste stehen, dass wir jede Haftung ablehnen. Also für den Fall, dass das Orakel nicht eintrifft!«, sagt Irgendlink.

»Genau. Und die Orakelsprüche generieren wir aus allen Glückskeks-Sprüchen, aus allen Horoskopprognosen, aus allen Kalender- und Postkartensprüchen dieser Welt … nein, halt! Noch besser: Wir programmieren alle je geschriebene Literatur ein und die App entschlüsselt mittels Codes, die sie aus dem jeweiligen Muster zieht, den passenden Satz aus einem beliebigen Buch der Welt.«

»Damit die User:innen beim Personalisieren der App die Quelle ihres Orakels wählen können? Also ob sie einen Satz aus der Welt der Weltliteratur, der Trivialliteratur — vielleicht sogar nach Autor:in selektierbar? —, aus der Welt der Astrologie oder aus der Glückskeksideologie etc. möchten?«

»

Jawohl! Boah, was haben wir da Großartiges erfunden!«

(neulich in meinem Notizbucharchiv gefunden)


*Übrigens: normalerweise hat es nicht soo viel Krümel am Boden wie damals, als ich das geschrieben habe.

Siphon und Filter

Heute soll es hier für einmal um Dreck gehen. Also … nicht, dass ich grundsätzlich etwas gegen Dreck hätte – abgesehen von Besen, Lappen und Putzmitteln. Eigentlich ist fast alles dreckig. Und außerdem kommt es schwer drauf an, wo der Dreck hockt. Aber können wir uns darauf einigen, dass zu viel zu viel ist? So langsam dünkt es mich nämlich, wir alle kommen nicht mehr mit Putzen hinterher. Wir alle sollten damit anfangen, weniger Dreck zu machen. Finde ich. Und aber auch den, der da ist, abarbeiten.

Ich fange bei meinem Siphon unter der Küchenspüle an (unter dem Schüttstein, wie das hierzulande heißt). Alle paar Monate behandle ich meinen Abfluss mit dem Stöpsel und meiner Geheimwaffe aus Backpulver, Salz, Zitronensäure und heißem Essigwasser. Doch nach einigen Wochen ist alles wieder wie vorher. Trotz Auffangsieb, das ich regelmäßig putze.

Beherzt  beschließe ich also, nicht mehr länger nur an den Symptomen sondern an den Ursachen zu arbeiten. Dazu muss ich mir aber erst einmal den Weg zum Siphon freiräumen, sprich: den Müllbehälter ausbauen und ein Becken darunter stellen. Endlich kann ich den Siphon aufschrauben. (Kleine Notiz an mich: Wo ist eigentlich mein metaphorischer Siphon?)

Boah, wie das stinkt! (Wetten, dass es auch bei euch stinkt, die ihr das hier lest?) Was da alles drin steckt! Ein Netz aus Haaren – wie kommen die da bloß rein? – scheint sich mit allmöglichem Kleinkram in fünfzig Schattierungen von Kaffeesätzen verbündet zu haben. Ich pule alles raus und bürste mit einem Flaschenreiniger ums Eck, pardon: ums Rund, so gut es eben geht. Bis ich zufrieden bin. Von oben spüle ich mit heißem Wasser nach und siehe da: der Weg des Wassers ist wieder frei. Alles fließt.

Und weil ich gerade so schön putzwütend bin, öffne ich auch gleich die WC-Lüftung und putze den dortigen Filter, dessen Flusen vermutlich dafür verantwortlich sind, dass die Lüftung zuweilen viel zu lange nachlüftet, selbst wenn die Lüftung längt wieder aus ist.

Ach, wie schön es wär, wenn wir in diesem Draußen, das gerade so am Durchdrehen ist, auch einfach mal den Siphon durchspülen könnten. Oder den Filter auswaschen oder wechseln.

Dieses Erwachsensein

Das Kind, das ich war, stellte sich Erwachsensein als etwas Großartiges vor. Als Kind sehnte mich nach der Freiheit, die ich mir vom Erwachsensein versprach. Wäre ich erst erwachsen, würde mir niemand sagen, was ich tun müsste. Ich könnte machen, was ich wollte mit meiner Lebenszeit.

Freiheit? Nun ja, die ordne ich heute eher Kindern zu. Und mir fällt dazu ein Satz ein, den mein Vater oft zu mir und meinen Geschwistern gesagt hatte, wenn wir über irgendwelche Einschränkungen lamentierten: Genießt das Kindsein, es ist früh genug vorbei. Und seine Frage an unsere Mutter, die er stellte, wenn er am Abend von der Arbeit nach Hause kam, lautete oft: Konnten sie heute Kindsein?

Heute Morgen bin ich auf Krautreporter, meiner Online-Tageszeitung, einem Link in die dortige Bin-ich-normal-Serie gefolgt: Bin ich normal, wenn ich mich als Erwachsene nicht erwachsen genug fühle?

Über das Peter Pan-Syndrom lese ich dort und dass die Wirtschaft uns Menschen möglicherweise bewusst infantil halte, weil wir auf diese Weise manipulierbarer seien und mehr konsumierten. Mag sein.

Jetzt tu doch nicht so erwachsen!, sagen wir zuweilen, wenn uns ein Mensch mit seinem sturen Verhalten nervt; und ich ertappe mich dabei, dass für mich Erwachsensein zu einem Synonym für Unflexibilität, Sturheit, Humorlosigkeit und grauer Langeweile geworden ist.

Während die Langeweile eines Kindes farbig ist, sonnendurchflutet und Raum für Tagträume schafft, ist jene der Doofen Erwachsenen grau und riecht nach Unzufriedenheit. Nicht vergessen: Doofe Erwachsene unterscheiden sich nicht nur von Kindern, sondern auch von Guten Erwachsenen grundlegend. Während sie im Spiel und Nichtstun keinen Sinn sehen (außer wenn sich dabei etwas messen lässt), stattdessen alles rationalisieren und objektivieren, haben Gute Erwachsene ein Gespür für die Nischen im Alltag, für das Spiel, für die Tagträume, für die Absichtlosigkeit, die sie aus der Kinderzeit in ihren erwachsenen Alltag gerettet haben. Gute Erwachsene haben das Kind, das sie waren, noch immer ganz nah in sich drin, selbst dann, wenn sie sich kaum mehr an Fakten aus ihrer Kindheit erinnern. Sie erinnern sich aber daran, wie es damals war, als noch alles möglich war.

Der dritte mir bekannte Erwachsenentypus ist übrigens der oder die Unerwachsene Erwachsene, auf welchen sich der erwähnte Krautreporter-Artikel vermutlich bezieht.

Wenn ich in den Sozialen Medien manchmal Diskussionen beobachte, sehe ich, wo, was und wie die Guten und wo, was und wie die Doofen und was, wo und wie die Unerwachsenen Erwachsenen schreiben. Wobei. So einfach ist es nicht, denn viele von uns haben mehrere Erwachsenentypen installiert und die Grenzen sind fließend.

Auch die Unerwachsenen Erwachsenen sind meiner Erfahrung nach weitverbreitet. Sie sind die, die auf keinen Fall werden wollen wie die Doofen Erwachsenen. Dass es auch Gute Erwachsene gibt, interessiert sie nur am Rande. Erwachsensein ist ihnen grundsätzlich suspekt, unheimlich. Sie leben zwar in einem erwachsengewordenen Körper, doch ihr Verhalten ist punktuell oder flächendeckend das eines Kindes.

Kindliches Verhalten ist bei einem Kind normal, bei einem Erwachsenen befremdend. (Und umgekehrt ist auch erwachsenes Verhalten bei Kindern befremdend.)

Ob die psychologische These stimmt, dass wir in Lebensbereichen und Lebensphasen, in welchen wir traumatische Erfahrungen gemacht haben, steckenbleiben? Und wenn ja, ob das der Grund ist, warum manche nicht erwachsen werden können? Wäre diese Erklärung aber nicht ein bisschen zu einfach?

Ich frage mich, ob vielleicht auch das Männlein-Verhalten so ein Phänomen unserer Zeit sein könnte? Männlein nennen wir übrigens jene jungen Kerle, die ihren Selbstwert mit Lautstärke (Stimme, Automotor) und potentieller Potenz (schnelles Auto) sicht- und hörbar machen müssen. Im oben genannten Krautreporter-Artikel von Susan Mücke lese ich dazu: »Junge Erwachsene sind auch besonders häufig für Unfälle im Straßenverkehr verantwortlich. Fast jeder fünfte Unfall mit Personenschaden (19,8 Prozent) durch einen PKW wurde von einem 18- bis 24-Jährigen verursacht. Meistens ist eine „nicht angepasste Geschwindigkeit“ dafür verantwortlich.«

Was aber ist es denn, das die Guten Erwachsenen auszeichnet und von den Doofen und Unerwachsenen Erwachsenen unterscheidet?

Der oder die Gute Erwachsene kann

  • relativieren
  • Verantwortung übernehmen für das eigene Handeln
  • Mitverantwortung übernehmen für die Mitwelt
  • Zusammenhänge erkennen
  • sich anderen gegenüber, die anders denken, adäquat verhalten
  • über sich selbst lachen

und hat

  • Gelassenheit
  • Humor
  • es nicht nötig, sich zu vergleichen und zu profilieren
  • Verständnis dafür, dass sich alles ständig verändert
  • genießen

und ist

  • empathisch
  • klar
  • kritikfähig
  • nicht besitzergreifend

Natürlich können auch Unerwachsene oder Doofe Erwachsene lieben, lachen, verantwortungsbewusst handeln und so weiter, doch in meiner ganz persönlichen Differenzierung fehlen ihnen die Tools für Vernetzung und den zusammenhängenden Blick in die Welt. Gerne schieben sie Schuld oder auch nur Verantwortung ab und hängen ihre Fahnen nach dem Wind.

Und ja, auch ich habe doofe und unerwachsene Anteile. Mit meiner Aufzählung will ich darum mir selbst Mut machen (dir vielleicht auch), der Guten Erwachsenen in mir drin mehr Raum zu schaffen und das Erwachsensein mit neuen, positiven Synonymen wie Reife zu füllen.


(PS: Dem augenzwinkernd-satirischen Unterton zum Trotz meine ich das hier eigentlich ziemlich ernst.)

Leerstellen & Leerschläge

Apostroph Dass mich Deppenapostrophe nerven, die viele Menschen vor ein Genitiv-S setzen (Anna’s Garten), habe ich ja schon am einen oder andern Ort bekannt. Diesen Apostroph gibt es nämlich in der deutschen Sprache nicht. In unserer Sprache ist der Apostroph ein Stellvertreter für einen ausgelassenen Buchstaben (drum ist ja Hans’ Garten möglich).

Sorry, aber manche Regeln müssen einfach sein. Punkt.

Dass nun aber zum Deppenapostroph auch immer öfter der Deppenleerschlag kommt, dieser Leerschlag da, wo eigentlich ein Bindestrich hinkommt (Motor Inspektion statt Motor-Inspektion oder Motorinspektion), finde ich bedenklich.

Und ja, zu viel Leerschläge werden auch im falschen Umgang mit Bindestrichen gemacht. Wenn nämlich der Bindestrich als Gedankenstrich (Halbgeviertstrich, der ein bitzeli länger ist als der Bindestrich) verwendet missbraucht wird, sieht das dann so aus: Motor – Inspektion.

Riesengroßes Autsch.

Die ersten beiden Unsitten sind der englischen Sprache abgekupfert. Haben sich wie Schlingpflanzen in unsere Sprache eingefressen. So willkommen mir multikulturelles Gut im zwischenmenschlichen Bereich ist, so intolerant bin ich bei der Sprache. Nennt mit spießig, aber für mich gebühren jeder Sprache ihre Regeln.

Konkret: Schreibe ich englisch, verwende ich ein Genitiv-S und es heißt somit Anna’s garden. Kein Thema. Und dann heißt es auch Motor inspection, mit Leerschlag dazwischen.

Warum mir das so wichtig ist? Weil die deutsche Sprache schön ist. Tippfehler sind lässlich und passieren allen. Davon spreche ich nicht. Ich spreche von Sorgfalt. Unsere Sprache ist Teil unserer Umwelt, darum sollten wir ihr Sorge tragen. Sprachschluder ist für mich wie Müll am Strand. Dosen oder Scherben, an denen man sich stößt oder sich gar verletzt. Abgesehen davon, dass sie da nichts verloren haben.

Ich habe nichts gegen Sprachneuschöpfungen und Wortspiele, und ich liebe den kreativen, gerne auch anarchistischen Gebrauch der deutschen Sprache; aber solange wir so tun als würden wir deutsch schreiben, dann sollten wir nicht nur so tun als ob. Das macht nicht Sinn, sondern ergibt Sinn und ist sinnvoll (Sinn machen ist, aber das wisst ihr bestimmt all, eine falsche Übersetzung von to make sense).

Ähm. Wo war ich gleich?

Ach ja, Leerschläge. Und Leerstellen. Am richtigen Ort sind sie absolut notwendig.
Musik ohne Pause? Vergiss es.
Texte ohne Abstände zwischen den Wörtern und auch zwischen den Buchstaben sind unlesbar. Unverständlich.

Tage ohne Pausen machen krank.
Arbeit ohne Ausgleich auch.

Alles ohne Nichts ist tödlich.

Und ich vermute, ganz still und leise, je länger ich als Leserin virtuell mit Irgendlink im kargen, schönen, stillen Lappland unterwegs bin, dass wir nur deshalb so viel Bespaßung und Ablenkung brauchen, weil wir vergessen haben, wo der Ausschaltknopf ist.

+++

(… jaja, ein bisschen ist das natürlich augenzwinkernd gemeint. Ich kann ja nicht verlangen, dass alle … ja, was überhaupt? … na, ihr wisst schon … aber weh tut’s mir halt schon … )

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Mehr über die Deppenleerschläge gefällig?

Mehr über die Deppenapostrophe gefällig?

EDIT (Nachtrag am Nachtag)

Es ist NICHT meine Absicht, Menschen, denen das Schreiben nicht so leicht fällt, zu nahe zu treten oder gar jemanden zu verletzen.

Ich nerve mich über fehlerhaftes Deutsch vor allem in publizierten Texten von sogenannten und selbsternannten Profis wie WerbetexterInnen, Journis, RedaktorInnen etc.

To do or not to do

Da heute ja angeblich Tag der schlechten Wortspiele ist, darf der Titel so. Ich habe nämlich keine Zeit, nach einem besseren zu suchen. Meine Liste ist lang, die Zu-tun-Liste, sie wächst täglich nach, schneller als weiße Haare, Zehennägel und Unkraut zusammen.

Was darauf schmerzlich fehlt, ist eine Nische für Kreatives, Unvorhergesehenes, für Surfen, für Lesen, für Kür. Und wohl darum fühle ich mich oft am Ende eines Arbeitstages ein bisschen unzufrieden mit meiner Leistung. Ich sehe manchmal nur, was ich alles nicht getan habe. Weil ich stattdessen vieles, was nicht auf der Liste steht, getan habe. Gesurft, geschrieben, gebloggt. Ich habe Zeit vertrödelt statt für Buisness, Geschäftsaufbau, Bewerbungen, Kohle scheffeln eingesetzt.

Wäre das auch ein Talent, dieses Andere-Dinge-tun, wäre ich sehr talentiert. Was mich an ein Gespräch denken lässt, das ich neulich mit Freundin R. geführt habe. Man muss wissen, dass R. viel liest und sich für vieles interessiert. Als Mutter und aus persönlichem Interesse hat sie viel über das Menschsein und -werden nachgedacht. Eben auch über Dinge wie Talente und dergleichen. Die Gehirnforschung hätte keinen Hinweis und keinen Beweise für das physische Vorhandensein von Talent gefunden, sagte sie. Man gehe heute eher davon aus, dass das, was wir als Talent wahrnehmen, eine Folge von Trainig oder Konditionierung sei. Ich werfe ein, dass mir in diesem Fall – sollte das stimmen – unklar sei, warum wir uns dann für gewisse Dinge und Themen interessieren, während uns andere überhaupt nicht ansprechen. In meinem Fall Sprache und Kunst. Ob denn gewisse Affinitäten nicht in unseren Genen seien oder sonst wo. Wieder zitiert sie, dass diese Dinge nicht nachweisbar seien. Gut, nachweisbar beweist für mich nicht wirklich ein Nichtvorhandensein. Was vor hundert Jahren nicht nachweisbar war, muss es heute nicht noch immer nicht sein. Oder in hundert Jahren. Darum wird ja geforscht.

Wir überlegen gemeinsam, warum ein Mensch zum Beispiel für Geschichten, für Texte, für Sprachen, für Bücher, für Kunst Affinitäten entwickelt, wie bei uns beiden. Die Kinder, die wir waren und noch immer sind, mochten und mögen Geschichten. Sie ließen und lassen uns aus dem nicht immer so tollen Alltag entfliehen. Ich habe ja schon als Dreivierfünfjährige Bildergeschichten, Comics mit und ohne Worte, gezeichnet. Und immer ist da die perfekte Familie drauf, meine Traumfamilie. Später dann Bilder und Geschichten von Traumfreundinnen. So, wie ich sie mir wünschte, nicht so, wie ich sie im echten Leben hatte. Da ich in diesen Ausdruckprozessen von meinem Umfeld bestärkt wurde – du zeichnest aber schön! du kannst aber schöne Geschichten schreiben! du hast aber viel Phantasie! –, habe ich eben weitergemalt, -gezeichnet, -geschrieben, gerne sogar und immer lieber. Talent? Training, sagt R. Vielleicht. Vielleicht auch nicht.

Nein, ich werde nicht heute weiter über Autodidaktik versus Diplome nachgrübeln. Dazu ist meine Zu tun-Liste zu lang. Dazu fehlt mir die Zeit.

Obwohl. Wenn es Häute regnet, geht alles. Aber nur Häute. Morgan nicht. Und ab sofort gibts auf meiner Liste auch den Punkt Wie es mir gefällt. Wenn ich schon mit Shakes Bier angeben will.

anders

Ich kann auch anders. Und ich sollte wohl auch mal. Ja wirklich, manchmal würde ich echt gerne anders. Obwohl, man hat ja ein Image. Und das riecht freundlich und schmeckt ehrlich. Und es hat zu Recht eine Note von Sehnsucht und Aufrichtigkeit drin, denn dieses Paar geht schon lebenslang an meiner Seite. Ohne es wäre ich nackter als nackt, nackter als ich schon immer war. Mit weniger Haut dran als die meisten andern. Weniger Schutzhaut.

Vielleicht darum kann ich die Sache mit der Ironie nicht so gut. Vielleicht darum kann ich über Witze nicht lachen, die andere lustig finden und vielleicht darum kann ich über Witze lachen, die andere nicht verstehen. Geschweige denn lustig finden. Vielleicht darum bin ich nicht kuhl. Und vielleicht darum kann ich vieles, was du kannst, nicht, und kann darum Dinge, die du nicht kannst, verstehen.

Verstehen kann ich theoretisch verdammt viel, auch wenn ich über vieles kotzen könnte, was ich zu verstehen ahne. Menschliche Abgründe ohne Weichzeichner … Lassen wir das. Wegschauen. Ja, leider, auch das kann ich. Du auch. Manchmal eben darum. Siehe oben. Weil die Schutzhaut, und so.

Was ich sagen wollte: anders könnte ich auch. Ob ich will, weiß ich nicht. Weil ich nicht weiß, wozu es gut sein sollte, wenn auch ich noch anders. Tun es ja schon genug andere. Und dennoch will auch ich immer wieder mal anders. So anders wie die andern, wie die andern zynischen, wie die andern bittergeworden-ironischen. Gründe haben wir alle genug. Genug zum Anderskönnen, zum Lästern, zum Trauern, zum Sarkasmus. Nur … wozu?

Fragezeichen gibt es schon genug. Zu viele, wenn du mich fragst. Als Gott das Fragezeichen geschißen hatte, wusste sie-er-es weiß Gott noch nicht, was er-es-sie da losgetreten hatte. Und weil sie-es-er nicht wusste, was damit anzustellen sei, fing das Gott an, Fragen zu stellen. Und weil da niemand war, der sie beantworten konnte, erfand es Bäume, Steine, Tiere, Elemente und Menschen. Die Antworten die ihm die Menschen gaben, fand es am lustigsten. Jedes dieser komischen Zweibein-Wesen hatte eine andere, ganz besonders, wenn es sie fragte, wohin sie überhaupt so eifrig unterwegs waren. Und weil alle andere Ziele als alle andern hatten und es überall immer mehr Menschen von überall auf der Welt gab, fingen sie schon bald damit an, besser sein zu wollen als alle andern. Neid und Zank nahmen zu. So haben sie kurzum den Krieg erfunden, diese Wesen, Waffenexporte und so Dinge, um dem ganzen Machthunger einen halbwegs legalen Rahmen zu geben. Bis zum Wort Kriegsrecht mit seiner ganzen Vielschichtigkeit war es nicht mehr weit.

Da bereute das Gott, dass es keinen Punkt geschißen hatte.

Und jetzt gehe ich auch mal aufs Klo. Ich kann auch anders.

Von klitzekleinen Unterschieden

Der Frauenversteher hat gemeinhin hüben wie drüben einen eher zweifelhaften Ruf. Ist er bei den „richtigen“ Männern – whatever this means – eher das Weichei schlechthin, wissen selbst die von ihm so verstandenen Frauen nicht so recht, ob sie ihm trauen dürfen oder ob das alles nur eine Masche ist. Anmache – nein, liebe Mit-KunstzwergInnen, nicht Pappmaché und auch nicht Papiergeschleimtes, schlicht und einfach Schleim pur. Wenn frau der Sache im Weltweiten Netz nachgehen will, findet sich wenig Hilfreiches. Dass der Frauenversteher Bescheid über ihre Lieblingsblumen, Modemarken, Spinnen- und Mäusephobien wissen sollte, macht ihn aber für mich noch lange nicht zum echten Mäuse- ähm Frauenversteher (oh, Freud!). Hingegen der Echte Frauenversteher | EFV® ist in Wahrheit einer, der die Straßenseite wechselt, wenn er merkt, das die Frau, die spätnachts vor ihm durch die ansonsten leere und stille Straße geht, nur deshalb immer schneller geht, weil sie in ihm einen potentiellen Verfolger vermutet. Das weiß auch Blogger Glumm und macht’s.

Ein Echter Frauenversteher | EFV® ist in Wahrheit einer, der sich der latenten Angst der Frau vor der physichen Übermacht der Mannheit bewusst ist, einer, der weiß, dass Frauen eher intuitiver und irrationaler als der Durchschnittsmann, so es den überhaupt gibt, wahrnehmen und handeln. Damit höre ich aber mit der Verallgemeinerung der Frau und ihrer Reduzierung auf einzelne Eigenschaften auch schon auf. Der einzige Unterschied zwischen Mann und Frau besteht nämlich – mann höre und staune – einzig im unterschiedlichen Geschlecht. Genauer gesagt, am etwas andern Mix der Hormone. Ansonsten sind sich Mann und Frau nämlich gar nicht mal so unähnlich. Beide haben Angst. Beide haben Mut. Beide mögen das eine und verabscheuen das andere. So haben wir zum Beispiel am letzten Wochenende, am besagten Kunstzwergfestival, herausgefunden, dass Menschen, die Lakritze, Salmiak und ähnliche Süßigkeiten NICHT mögen, gewisse eher schräge Musik dafür mögen, während Menschen die Süßigkeiten wie Lakritze & Co. mögen, dafür gewissen Musik NICHT mögen.Eine Inkompatibilität von Geschmäckern sozusagen.Und dies sogar unabhängig vom Geschlecht! Zugegeben, die Umfrage war womöglich nicht repräsentativ genug um wissenschaftlich anerkannt zu werden, doch die Tendenz war so deutlich, dass wir durchaus gewisse marktrelevante Schlüsse ziehen könnten. Womit wir bei der Männerversteherin, der Echten Männerversteherin | EMV® wären.

Will ich nämlich Männer wirklich verstehen, muss ich zuallererst aufhören damit, voreilige Schlüsse zu ziehen. Auf die Gefahr hin, meinen Ruf als die emanzipierte Frau, die ich bin (und das sowohl gerne als auch aus Notwendigkeit), einzubüssen (was mir allerdings ziemlich am A*** vorbei geht), oute ich mich hiermit als Echte Männerversteherin | EMV®. Richtig, liebe Frauen und liebe Männer, echt und Männer und verstehen stecken da drin. Geht das überhaupt zusammen? Und wenn ja, warum behaupte ich sowas von mir? Na ja, ich habe immerhin ein Kunstzwergfestival mit nur einer andern Frau und Herrscharen – ja, das muss so, ist kein Tippfehler! – von Männern heil überlebt. Und es ging mir sogar ziemlich gut dabei. Nein, man muss sich dabei nicht verbiegen, man muss sich auch nicht so sehr integrieren oder gar wie ein Gummibärchen in Wasser auflösen, dass man selbst zum Quasi-Mann wird (obwohl ich ja dank Whiz Freedom® nun auch im Stehen … aber das ist ein anderes Thema).

Item. Es reicht schon, den Mann als Menschen der selben Spezies mit leicht veränderter (zugegeben ein wenig vereinfachter) Mixtur wahrzunehmen, ihn nicht zu fürchten, seine Ängste zu wahrzunehmen, genau hinzuschauen und hinzuhören, sich auf ihn einzulassen. (Wie es allerdings zugeht, wenn Männer ganz unter sich sind, werde ich nie wissen. Will und muss ich zum Glück auch nicht. Obwohl …Vielleicht werden sie ja endlich ganz weich und offen und authentisch? Oder werden sie eher derber als ich ahnen kann, weil sie – ähnlich wie zickenkriegerische Frauen – stets den Platzhirschstatus anstreben oder verteidigen müssen? Das hängt vermutlich von Alter, Reife, Bildung und anderen Faktoren ab …). Die Echte Männerversteherin | EMV® muss das jedoch nicht kümmern. Sie interessiert sich dafür dafür (ja, das Wort muss doppelt) zu verstehen, wie der Graben zwischen Mann und Frau entstand, wozu er schlecht ist und warum noch immer so viel polarisiert und Halbwissen mit Vorurteilen aufgebauscht wird, statt dass wir von beiden Seiten die herumliegenden Steine statt zu Mauern zu Brücken verbauen.

Die Echte Männerversteherin | EMV® ist eine Forscherin, sie ist eine, die nicht glauben will, dass die beiden Geschlechter sich ihres Geschlechtes und des kleinen Unterschieds wegen bewerten und bekämpfen müssen, sie ist eine Idealistin, eine Träumerin, eine, die die Hoffnung nicht aufgibt, dass Frieden zwischen den Geschlechtern irgendwie machbar und sogar langfristig möglich ist. Denn ganz ehrlich: Obwohl ich mehr Rechte für die Frau will (ebenso viele wie sie der Mann ganz selbstverständlich hat), will ich wiederum nicht, dass der Gemeine Mann (der sich vom Kaputten, vom Bösen, vom Gewalttätigen, vom Etcetera-Mann deutlich durch seine Harmlosigkeit unterscheidet) nur aufgrund seines Geschlechts eine Kollektivschuld tragen muss wie wir Frauen sie – hierzulande weniger, aber anderorts noch immer sehr – kennen und kannten. Es darf nicht sein, dass physische Vorteile (hier sind Muskeln gemeint) so gewichtig sind, dass sie höher gewertet und gewichtet werden als die Summe aller Einzelteile, die einen Menschen ausmachen – unabhängig seines Geschlechts. Auch fehlende Phantasie, fehlende Empathie, fehlende Einfühlsamkeit in das andersgeschlechtliche Gegenüber dürfen nicht verallgemeinert und auf den Rest der Mannheit übertragen werden.

Give Men A Chance!, also. Mein kleines Plädoyer für Integration statt Segregation schreibe ich in der womöglich trügerischen Hoffnung, ein klein bisschen zum Weltfrieden beitragen zu dürfen. Selbst wenn es, wie die geneigte Leserin und der geneigte Leser gemerkt haben dürften, ein klitzekleinebisschen satirisch daherkommt.

furchtbar bürgerlich

Seit ein paar Tagen geistert diese Worte durch meinen Kopf. Seit ich Ich hatte auch mal so eine furchtbar bürgerliche Phase irgendwo in einem meiner vielen Blogkommentare der letzten Tage geschrieben habe.

Bürgerlich, furchtbar bürgerlich – sogar? War ich das? Vermutlich schon, zumindest als ich noch gaanz jung war, am Anfang meiner ersten Ehe, als wir dazu noch freikirchlich und fromm waren. Puh. Und damals hat‘s wohl sogar auch zu mir gepasst. Und mich vor dem einen oder anderen bewahrt, wie ich hinter festgestellt habe. Mir aber auch den einen oder andern Kratzer beigefügt. Wenn und wäre? Egal. Das gehört eben auch zu mir und meiner Suche. Außerdem kann ich ja Dinge in meinem Leben, die mir heute nicht mehr passen, nicht einfach mit Mausmarkierung und Tastenklick auslöschen. Das echte Leben schlägt eben manchmal die seltsamsten Umwege und Haken. Verworfen habe ich dieses christliche Wissen, wie man richtig lebt, glaubt und sich von Jesus seine Schulden von den Schultern nehmen lässt schließlich zugunsten einer spannenden Ungewissheit, zugunsten eines Lebens, das an den Rändern unscharf war, das viel zuließ, viel möglich machte, viel Raum für eigene Erfahrungen bot. Das passte und passt besser zu mir. Fertige Antworten stehen mir nicht. Sie drücken wie zu enge Schuhe.

Ähm? Wo war ich gleich? Bürgerlich also, darüber wollte ich ja schreiben. Furchtbar bürgerlich sei ich gewesen. Tja. Erwachsen sei man erst dann, wenn man die Ratschläge der Eltern nicht mehr per se ablehne, las ich mal in jener bürgerlichen Zeit und vielleicht deshalb versuchte ich das eine oder andere aus, das mir meine Eltern und andere Verwandte und zum Teil sogar Gleichaltrige vorlebten und war ganz die nette Hausfrau, kochte und buk für den abends von der Arbeit heimkehrenden Ehemann und ja, dabei fühlte ich mich gar nicht mal so schlecht. Neue Rezepte kochte ich aus Kochbüchern nach und nähte Vorhänge und ähnliche Sachen. Macht das schon bürgerlich aus, furchtbar bürgerlich? Hm, nein, das reicht wohl noch nicht. Ist bürgerlich denn nicht eher eine Haltung, eine politische, eine Werte-so-und-so-definierende, die Art und Weise zu denken und zu handeln?

Okay, ich lege jetzt einfach mal los mit meiner Definition: Ein bürgerlicher Mensch hält sich immer schön am Sicherheitsgeländer seiner Arbeitsstelle und seiner Fünftagewoche fest. Er hat in der Regel eine Hunderprozent-Stelle und legt regelmäßig Geld für Ferien, Steuern, Dritte Säule, Lebensversicherung und ein neues Auto zurück, zahlt monatlich per Dauerauftrag seine Hypothek ab (Haus oder Wohnung) und ist mindestens in einem Verein oder einer Stammtischrunde dabei. Ob Fasnacht, Häkeln, Jassen oder Samariter ist dabei einerlei. Er hört am liebsten Schlager im Dreivierteltakt, liest Arzt- oder Heimatromane und schaut am Samstagabend eine Quizshow. Über seine Arbeitsstelle definiert er sich als lebenswerten Menschen, als integeres Mitglied der Gesellschaft. Wählen tut er in der Regel irgendwas in der Mitte, was nicht zu viel Veränderung verspricht oder vielleicht ein bisschen rechts davon, insbesondere wenn es um fremde Dinge wie Flüchtlinge oder Arbeitsplätzeklau oder sowas geht. Schließlich haben wir uns ja diesen heiligen Wohlstand erarbeitet, da geht es doch nicht, wenn Fremde einfach daherkommen und sich in das von uns mühsam gemachte Nest legen. Mühsam? Das ist es, mühsam … Ein bürgerlicher Mensch arbeitet mühsam und lobt sich selbst dieser Mühe und des Schweißes seines Angesichtes. Er hat wenig Verständnis für jene, die möglicherweise gerne arbeiten und auch mal nichts tun und darum vielleicht nur Teilzeit „in den Stollen gehen“, vielleicht sogar freischaffend sind, und dann womöglich noch etwas mit Kunst oder Kultur oder so am Hut haben. Wozu soll das bloß gut sein? Die zahlen eh kaum Steuern. Sozialschmarotzer!

Bürgerlich bedeutet für mich eine innere Haltung, die ziemlich wenig Räume hat für unbekanntes, die sich auf Traditionen und Wege festlegt, die man schon immer so und nicht anders gegangen ist. Bürgerlich ist vielleicht mein Synonym für unflexibel? Obwohl … nein, das ist zu wenig. Bürgerlich ist mehr. Es hat sogar Farben: beige, orange, grün, und riecht nach Staub und nach Siebzigerjahre. Häkeldeckchen sind sein Markenzeichen und saubere Fenster mit Gardinen davor und Sätze wie „was denken wohl die Nachbarn, wenn ich …“. Bürgerlich sein ist ein freiwilliges Gefängnis.

Obwohl … sind wir nicht alle Gefangene unserer eigene Denkmuster, unserer Haltungen und Prinzipien? Und bin ich womöglich nicht doch auch ein klein bisschen bürgerlich mit meinem Gärtchen auf der Terrasse, mit den selbst eingekochten Marmeladen, Einbauküche, Spülmaschine und Auto? Oder ist mein Auto womöglich zu alt für Bürgerlichkeit?

Was genau steckt denn hinter meinem Feindbild Bürgerlichkeit? Wohl ist es die Intoleranz, die mich am meisten reizt, diese aus allen Poren triefenden Überheblichkeit spießbürgerlicher Menschen, dieses zur Schau getragene Selbstgefälligkeit, diese Haltung von „ Schaut her, ich mache es richtig!“, die ich nicht ab kann. Und ja, vielleicht bin ich insofern tatsächlich auch ein klein bisschen bürgerlich, dass ich natürlich auch davon überzeugt bin, dass ich den besseren Durchblick habe als die andern, denn – im Gegensatz zu ihnen – weiß ich zumindest, dass ich nichts weiß. Weil ich begriffen habe, dass es keine letzten Antworten gibt. Weil ich nicht mehr an Gerechtigkeit glaube. Ach, ich gestehe es, ich habe schon so oft Menschen dieser Spezies mit einer Art Verachtung und Intoleranz betrachtet. Mit genau dieser inneren Haltung sogar, die ich an ihnen verabscheue.

Ich habe es ja gesagt, auch ich habe furchtbar bürgerliche Seiten. 😉

Warnung:
Das ist so etwas ähnliches wie eine Satire. Zu allfälligen Nebenwirkungen befragen Sie bitte Ihre Bloggerin oder Ihr Herz.

Hinter dem Vorhang

Ein Stück für zwei.
Der Vorhang öffnet sich. Auf der Bühne, gut ausgeleuchtet, Sofasophias Wohnzimmer. Nichts Böses ahnend hängt die Protagonistin auf dem Sofa und tippt in ihre externe iPhone-Tastatur. Xenö* betritt von rechts das Zimmer, schielt dreist auf das Display und liest mit. Erst nach einigen Minuten erwacht Sofasophia aus ihrer Schreibtrance und schaut Xenö verwundert an. Sprachlos. Xenö ist wieder da. Und sie ahnt es bereits: Kein Weg führt an ihm vorbei, wenn er auftaucht. Wer ihn kennt, weiß, wovon ich rede. Nur Unkraut ist zäher.

Sofasophia: Du?
Xenö: Wenn’s erlaubt ist!
Sofasophia: Ist es zwar nicht …
Xenö: Das (er zeigt aufs iPhone) willst du bloggen?
Sofasophia: Warum denn nicht?
Xenö: Viel zu zynisch ist das, böse, gemein … passt doch nicht zu dir. Du bist doch viel zu nett …
Sofasophia: Das sagt ja der Richtige! Außerdem: Das ist schließlich eine Satire!
Xenö: Wirklich?
Sofasophia (wird ein bisschen rosa im Gesicht): Hm … Glaub schon. Was geht’s dich an?
Xenö (schnappt sich das iPhone, das Sofasophia aufs Sofa gelegt hat und liest vor):
Täglich lese und kommentiere ich mich durch zig Blogs, durch zig literarische und künstlerische Stoffwechselprodukte toller Menschen. Täglich lese ich unzählige tolle und weniger tolle fremde Gedanken. Und täglich füge ich da und dort einige meiner Gedanken dazu, als Ermutigung, als Rückmeldung, als Dankeschön. Ich lasse mich von andern Texten und Bildern inspirieren, doch vor allem lenke ich mich damit ab. Von mir weg. Ablenkung betäubt so schön. Ich muss, während ich bei andern bin und von Blog zu Blog reise, nicht selbst denken, ich muss nicht meinen eigenen Mist karren, sondern darf mich mit den Themen anderer befassen. Maßvoll nur, denn es sind ja immerhin die Gedanken anderer.
Kommt mir nicht zu nahe! Lasst mich mit eurem Mist in Ruhe! Ich will es gar nicht so genau wissen.
Nein, so sage ich das natürlich nicht. Ich bin ja nett. Ich bin freundlich. Und ich schreibe freundliche Kommentare. Ich verhalte mich moderat, adäquat, angepasst und unauffällig. Schließlich will ich gemocht werden. Schließlich will ich auch nette Kommentare erhalten, wenn ich schon so viele nette Kommentare schreibe. Schließlich will ich viele Like-its, denn ich verteile ja auch viele.
Obwohl. Wenn ich ehrlich bin, wächst mir die Kommentarmoderation so langsam über den Kopf. Da gibt es nämlich noch die besonders lieben Leute, die einen Kommentar gleich nochmals kommentieren. Und darauf muss doch auch reagiert werden. Oderrr? Ich will doch niemandem das Gefühl geben, dass ich seine Mühe nicht wertschätze. Honorieren. Reagieren. Danken. Eine Hampelpuppe ist nichts gegen mich.
Ob ich die Kommentarfunktion wieder ausmachen soll? Obwohl ich doch im Grunde gerne diskutiere?
Wie viel ist echt von dem ganzen Karsumpel in der Blogosphäre? Diese ganze Nettigkeit – wie ehrlich ist sie? Wie viele Mitleid-Kommentare und -like-its verteile ich, verteilen wir, statt dem Blogger oder der Bloggerin zu sagen, dass ihr heutiger Text eigentlich, na ja, doch ziemlich langweilig geschrieben ist? Wie kritisch sind wir und wie manipulierbar? Wie nett sind wir wirklich?
Xenö: Und so was willst du bloggen? Damit verlierst du doch alle deine Stammleserinnen und -leser!
Sofasophia: Und? Wahrheit hat ihren Preis – heißt es doch so schön. Und darum bin ich jetzt ganz ehrlich zu dir, Xenö. Hau ab!
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* Mehr zu Xenö in meinem alten Blog „Sofasophien“: bitte hier klicken (von unten nach oben zu lesen).

Durchblick?

Da sitze ich also bereits zum dritten Mal im lokalen Optikerfachgeschäft und lasse mir meine neue Brille ausmessen, denn die alte zerfällt so langsam in ihre Einzelteile. Eine nette Optikerin misst die letzten Details wie Augenabstand, erkundigt sich nach Gläserqualität und notiert jetzt die einzelnen Preisdetails auf den Umschlag. Preis des Gestells. Preis der Gläser. Preis der Montage. Alles zusammenzählen kann sie nicht so schnell wie ich (obwohl ich auf dem Kopf stehend lese – die Zahlen, nicht ich …). Ich schlucke leer. Und innerlich stehe ich wirklich Kopf. Ich hätte das Geld, ja, ich habe ja ein bisschen was geerbt. Aber. Nein. Nein, das kann ich mir nicht leisten. Will ich nicht. Zumal ich ja nur noch bis Ende Monat Arbeitslosenuntetstützung bekomme. Achthundertfünfzig Stutz ausgeben für eine richtig gute, schöne und vor allem stabile Brille? Für eine Brille, die – so ähnlich – bei Stamm- und Billigoptiker F. höchstens dreihundert kostet? Ich winde mich. Ich schwitze. Ich sage, dass ich mir diese Brille nicht leisten kann. Dass ich nicht gedacht hätte, dass die Gläser so teuer sind. Und dass die Montage einzeln kostet. Dass … Ich will raus hier, nur raus. Ist das peinlich! Ich gebe der Optikerin ein Trinkgeld für die Beratung und fliehe.
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