#flussnoten19 | Tag 11, Tag 12 und Tag plusplus

3. Juli 2019

Endlich bin ich doch wieder eingedöst, als es leise zu tröpfeln beginnt. Man weiß ja nie, was aus so einem Tröpfeln wird, überlegt Irgendlink, kriecht aus dem Zelt und baut das Außenzelt, das ich Stunden vorher wegen der Hitze abgebaut habe, wieder auf. Der Regen ist schnell vorbei und fast ebenso schnell ist es Morgen. Gut schlafen geht anders, doch da wir uns mit Monika um halb sieben Uhr zum Frühstück verabredet haben, stehen wir auf. Auch die Morgenkühle will ja ausgekostet werden

Das wird jetzt schwierig!, sage ich zu Irgendlink, da ich im Alltag ziemlich morgenmufflig bin und am Morgen reden und zuhören so gar nicht mein Ding sind. Dazu setzt sich langsam Kopfschmerz im Hinterkopf fest. Trotz allem ist es dann aber doch gemütlich mit unserer Gastgeberin. Wir tauschen Adressen und verabschieden uns herzlich.

Zurück an der Aare müssen wir erst ein kleines Stück aareaufwärts gehen, bis wir die Brücke entdecken, die uns auf die rechte Aareseite bringt, denn auf der linken endet der Wanderweg vorläufig. Auf einmal fällt mir ein, dass ich mitten in der halb schlaflosen Nacht in meiner Achselhöhle eine Zecke ertastet habe. Irgendlink versucht, das Mistvieh herauszuziehen, doch es will mich nicht ganz loslassen. Nun denn … besser halb als gar nicht.

Auf der anderen Aareseite ist der Weg bis Jaberg, wie uns Monika prophezeit hat, richtig schön und wir fühlen uns wie in eine Zwischenwelt Eingetauchte. Einmal tröpfelt es sogar ein wenig und die Temperatur ist am Vormittag sehr angenehm. Wir sehnen uns, als es gegen Mittag heißer wird, nach einem erfrischenden Bad und überlegen, den Gerzensee, mit dem wir schon die ganze Zeit liebäugeln, in die heutige Tagesetappe einzubauen. Aus dem Gedankenspiel wird schließlich eine konkrete Aktion, denn so weit ist es ja nun auch wieder nicht. Allerdings geht es steil bergan, denn der zu in einem Naturschutzgebiet gehörende See liegt auf einem Hügel.

So wechseln wir nach Jaberg irgendwo wieder die Aareseite und entscheiden uns für jenen Wanderweg, der uns am längsten der Aare entlang gehen lässt. Es ist inzwischen wieder brutal heiß als wir den waldigen Aarewanderweg verlassen und den Hügel aufwärts wandern. An einem Bauernhofbrunnen füllen wir die leergetrunkenen Wasserflaschen. Durch Felder, über Wiesen und fast ohne Schatten gehen wir, bis wir schließlich erschöpft und verschwitzt am Badeplatz des Gerzensees anlangen. Es ist heiß, so heiß. (Und ja, wir wissen, dass der See eigentlich nur für die Einheimischen ist. Wegen Naturschutz und so.) Bedingt nachvollziehbar; doch da wir ja sorgsam sind, nichts liegenlassen und keinen Lärm machen, erlauben wir uns, wann immer wir hier in der Gegend sind, dem See einen Besuch abzustatten.

Das Schwimmen tut einfach sooo gut. Später picknicken wir und erfreuen uns an diesem friedlichen Platz. Einzig ein einzelner Junge, der Kopfsprünge übt, ist da, als wir eintreffen. Später kommen seine Kumpels und die vier Buben spielen sehr friedlich miteinander. Eine später eintreffende, sehr sympathische Frau – keine Einheimische, wie sie uns zuflüstert – lädt uns im Laufe eines angeregten Gesprächs ein, am Abend bei ihr und ihrer Familie zu übernachten. Wie lieb! Wir nehmen ihre Adresse dankbar mit. Wer weiß, vielleicht sind wir ja später froh drum?

Nach einer Weile packen wir unsere Sachen wieder und kehren zurück an die Aare. So jedenfalls der Plan. Auf dem Weg dorthin stellt sich uns allerdings eine Schattenbank in den Weg, eine mit wunderschöner Aussicht auf den Gerzensee. Hm. Ein Nickerchen, das wäre doch was?, sagen wir und legen uns auf die Wiese. Ich bin leider zu aufgekratzt zum Schlafen, doch die Ruhe tut trotzdem gut, das Dösen entspannt ein wenig.

Zurück an der Aare wechseln wir wieder auf die rechte Seite. Der Weg ist mal waldig, mal schattenlos und je näher wir Münsingen kommen, desto mehr Leute sind unterwegs. Mit Fahrrädern oder zu Fuß oder badend. Die Dichte der Bänklein steigt im Gleichschritt mit meiner Müdigkeit.

Also so richtig-richtig. Nicht nur müde wegen zu wenig Schlaf, sondern auch so richtig in den Beinen. Teer gabs heute mehr als auch schon, dazu die Hitze, das Bergaufwandern zum Gerzensee. Dazu das Dauerrauschen der Autobahn.

Müde, so müde … doch da ist kein möglicher Lagerplatz in Sicht. Im Naturschutzgebiet wollen wir eher nicht lagern, außerhalb des Naturschutzgebiets sind überall Siedlungen. Vielleicht dann doch zur See-Bekanntschaft? Aber dann müssten wir ein Stück zurück und durch ein feierabendverkehrlautes Dorf wandern. Hm. Nein. Machen wir nicht. Aber, so schlägt Irgendlinkr vor, er könne ja mit dem Zug nach Thun fahren und unser Auto holen. Finito Wanderung. Weil ich so erschöpft bin.

Ich lasse den Gedanken zu. Aber ich merke, dass es sich nicht richtig anfühlt. Es wäre wie ein Aufgeben. Ein Scheitern.

Wir reden über Aufgebendürfen, über Scheiterndürfen. Wir sitzen auf einer Bank ohne Schatten. Ich habe die Schuhe ausgezogen, bade zum zigsten Mal meine heißen Füße. Spiele mit den Steinen, ziehen einen besonders prächtigen, großen, roten Stein aus dem Wasser. Wie schön er ist! Selbst als er trocken ist, ist er noch rot. Er fühlt sich so angenehm an. So kühl. Schon immer liebte ich Steine und schon immer habe ich Steine gesammelt. Mich von ihnen getröstet und gehalten gefühlt. Dieser hier macht mir irgendwie Mut, weiterzugehen. Ich lege ihn auf einen anderen Stein, einen noch größeren, und wir wandern weiter, denn auf einmal ist da wieder ein bisschen Kraft.

Schließlich erreichen wir die Badi Münsingen, wo ich – wie mir auf einmal wieder einfällt – damals fast ertrunken bin. I’m just kidding. Ich hatte einmal wegen der starken Strömung den Ausstieg* verpasst oder nicht rechtzeitig zu fassen bekommen und musste mich deshalb am Gestrüpp ans Ufer ziehen. Lange her.

Wir gehen über die Brücke und sehen am Brückenpfeiler ein kaputtes, wie zusammengefaltet aussehendes Boot. Eins, das es nicht geschafft hat. Hoffentlich ist bei diesem Unfall niemand ertrunken, sagen wir zueinander. Die Strömung ist durch die hitzebedingt riesigen Schmelzwassermengen sehr stark. So stark, dass ich bisher keine Lust auf einen Aareschwumm habe. Jedenfalls gab es bisher noch keine Stelle, an der ich mich sicher genug gefühlt hätte, unbeschadet wieder herauszukommen.

Auf der anderen Aareseite bin ich oft mit dem Rad lang gefahren. Vieles kommt mir bekannt vor. Wieder so ein Tag voller Erinnerungen. Und wieder spüre ich meine Grenzen. Diese unglaubliche Müdigkeit. Erschöpfung. Ich-mag-nicht-mehr.

Unser aktuelles Wegstück hat verschiedene Parallelwege, Rad- und Wanderwege, Bänklein, ein dichter Wald zur Linken … Und Mücken. Soo viele Mücken wie bisher noch nie. Innert kürzester Zeit habe ich mindestens zehn neue Mückenstiche. Schnell sprühen wir uns mit Mückenschutz ein.

Bei einem Holzlagerplatz überlegen wir, ob wir überhaupt noch im Naturschutzgebiet sind und ob es hier nicht vielleicht irgendwo doch ein Plätzchen für uns gäbe. Tut es. Ein kleiner Sackgasse-Weg ist wie geschaffen für uns. Es ist vielleicht nicht der schönste aller Lagerplätze, aber es ist hier sehr ruhig. Nur Kuhgebimmel und leises Autobahnrauschen. So bauen wir, vom Hauptweg unsichtbar, unser Zelt auf. Der Boden ist hart. Irgendlink zaubert einen Stein aus seinem Rucksack.
»Wie jetzt? Du hast meinen roten Stein mitgenommen? Boah, der ist doch so schwer! Daanke!« Wieder einmal fehlen mir die Worte.

Als das Zelt steht, holen wir mit dem Wassersack Wasser aus der Aare und kochen uns müde unser Abendessen. Pilzrisotto und Tomatensalat.

Beim Feierabendbier stelle ich fest, wie stolz ich bin, meinen Erschöpfungstiefpunkt überwunden zu haben. Aber das war vermutlich nur möglich, weil ich die Möglichkeit des Aufgebens hatte in Betracht ziehen und mir zu scheitern hatte erlauben können.

Heute schlafe ich tief und fest.

Bilder von Tag 11

4. + 5. Juli 2019

Wir erwachen wie gewohnt früh und freuen uns, dass die Mücken offenbar weniger morgenaktiv sind als wir. Nach einem kleinen Frühstück wandern wir weiter Richtung Bern. Die Rucksäcke waren auch mal schwerer, sagen wir. Wie jeden Morgen. Überhaupt: Wie wir uns jeden Morgen neu das Gewicht des Rucksacks leichtreden. Gewichtleichtrederei muss die Schönfärberei unter Wandernden sein.

Es ist unklar, wie und wo wir die nächsten Tage verbringen. Sollen wir unsere Wanderung in Bern beenden oder aber durch Bern hindurch weiter der Aare entlang wandern? Es ist erst Donnerstag und wir haben theoretisch bis Samstag Zeit.

Ich stelle fest, dass ich – bei aller Liebe zu Bern – keine Lust auf Stadt habe. Nicht mit dem schweren Rucksack jedenfalls. Aare plus Bern bedeutet nämlich viele Menschen, viele Badestellen, viel Gewusel. Von Berns südlichen Ausläufern bis zum nächsten Campingplatz am Wohlensee wären es bestimmt zwei Tagesetappen, überlegen wir.

Screenshot, der eine Karte von Bern zeigt. Der Aaarewanderweg von Berns Süden durch die Stadt bis zum nordwestlich der Stadt gelegegen Wohlensee wird mit fast 29 km angegeben.

Erst nach und nach kristallisiert sich heraus, dass es da diesen einen Punkt in Bern gibt, an dem wir unsere Fernwanderung elegant abrunden könnten. Im Eichholz, diesem Ort, an dem wir uns vor fast genau zehn Jahren das erste Mal im echten Leben begegnet sind. Perfekt als Finale dieser Wanderung.

»Eichholz, Eichholz, schpick mi furt vo hie!«, dichten wir einen der berühmtesten Songs von Patent Ochsner um, als wir an Bälpmoos (Flugplatz Belpmoos, Ausgangsort besagten Songs) vorbei wandern.

Wieder machen wir viele Pausen. Hundegassigänger*innen und Wandergruppen kreuzen unseren Weg und seit wir entschieden haben, die Tour im Eichholz zu beenden, fühlt sich alles wieder richtig, gut und leicht an. Die Stadt macht mir keine Angst mehr. Fast beiläufig klärt sich auch die Frage nach der Rückkehr nach Hause, denn mein Bruder lädt uns für den Abend auf einen Campingplatz am Neuenburgersee ein, wo er heute Nachmittag seinen kleinen Segelkatamaran ausladen wird. Die Freunde, die unser Auto hüten, schreiben, wo sie den Schlüssel deponieren, da sie unterwegs sind, und so geht auf einmal alles auf.

Bald erreichen wir das Ende das Waldes. Vor uns ein Wanderweg unter freiem Himmel, ohne Schatten, nur da und dort ein Baum. Wir rasten am Wegrand. Ein Passant sagt, dass es nur etwa ein Kilometer so weiter gehe. Oke, einen Kilometer, das schaffen wir, sprechen wir uns Mut zu. Doch der Kilometer ist etwa drei Kilometer lang und der Weg – ohne Zweifel ein schöner – führt durch ein weiteres sehr schönes Naturschutzgebiet namens Dammknick. Ein Knick führt uns dann auch in einem Bogen ein Stück weg von der Aare, durch eine künstlich angelegte Auenlandschaft. Leider sind die Bäume darin noch zu klein zum Schattenspenden. Wir kriechen buchstäblich durch die Hitze und genießen jeden noch so kleinen Schattenpunkt.

Später, auf einer schattigen Bank kurz vor Bern-Eichholz, picknicken wir unsere letzten Vorräte und schauen den hier zahlreichen Aareschwimmenden zu. Wir fantasieren, wie sie in ihren wasserdichten Schwimm-Taschen ihre Buisnessklamotten mitnehmen und per Aareschwumm zum nächsten Geschäftstermin am anderen Stadtende gelangen. Oder wie sie in der Aare Geschäfte abschließen. Oder wie Liebesgeschichten beim Schwimmen ihren Anfang nehmen. Die Aare als Verbindung von Mensch zu Mensch sozusagen.

Und dann sind wir da. Im Eichholz. Viele Menschen auf Wiesen. Frisbees. Gummiboote. Kinderlachen. Sonnenmilch in der Luft. Unter schattigen Bäumen unmittelbar an der Aare, einen Steinwurf vom Campingplatz entfernt, ziehen wir unsere schweren Rucksäcke aus.

Unser Plan ist einfach: Irgendlink fährt mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Thun-Steffisburg und holt das Auto. Sodann holt er mich, die ich derweil das Gepäck hüte, hier ab, und gemeinsam fahren wir zu meinem Bruder an den Neuenburgersee.

Ich kaufe Irgendlinks Ticket online, da das günstiger ist, als wenn er Tram, Zug und Bus einzeln lösen müsste. Doch auch so ist es immer wieder erstaunlich, wie viel so eine kleine Zugfahrt kostet. Dank guter Verbindungen hat Irgenlink nur eine knappe Stunde bis zum Auto und etwas mehr als eine halbe Stunde bis zurück ins Eichholz. Was wir ins zweieinhalb Tagen gewandert sind, lässt sich in vierzig Autominuten fahren. Keine Pointe.

»Als wir hier vor zehn Jahren unser kleines Bloggerkennenlerntreffen hatten – Irgendlink war auf Schweiz-Radtour – legten wir unwissentlich den Grundstein für all die tollen Wanderungen und Reisen der letzten Jahre.
Der beste Weggefährte ever, « twittere ich, als Irgendlink sich auf den Weg gemacht hat.

Und: »Krähen spazieren vorbei, der Bagger schweigt und der Schatten wandert statt meiner.
Aareschwimmende juchzen vorbei.
Im Kopf ein Song von Züri West und A hard day‘s night (vo Aafang aa).«

Zwei junge Frauen bitten mich, ihre Sachen zu hüten, während sie ein Stück aareaufwärts spazieren und zurückschwimmen wollen. Aber klar, mach ich doch gerne. Überhaupt ist es ziemlich angenehm hier, obwohl es viele Leute hat. Ein rücksichtsvolles Miteinander. Sogar der Baustellenlärm vis-à-vis beim Dählhölzi-Tierpark ist moderat. Lärm und Pausen wechseln sich ab.

Bald ist Irgendlink wieder da und wir wandern zum Parkplatz, den er in einer kleinen Quartierstraße in der Nähe gefunden hat. Merkwürdig, auf einmal wieder in einem Auto zu fahren. Durch die Stadt zuerst, aus der Stadt hinaus, auf die Autobahn, dann über Landstraßen.

Schön ist es mit meinem Bruder. Fürs Segeln reicht der Wind zwar nicht, doch Seebaden, eine kleine eBiketour zum Strandkneipchen, leckeres Essen und die Annehmlichkeiten eines Campingplatzes runden unseren letzten Wandertag ab.

Wären da nicht die lauten Nachbarn, die bis in die Nacht hinein plappern und lachen, könnte ich mich direkt daran gewöhnen, auf Campingplätzen zu zelten. Andererseits ist es deutlich unruhiger als im Wald, ich schlafe weniger gut als in der Natur und erwache mit sehr starkem Kopfweh und Übelkeit. Darum gönne ich mir am Freitagmorgen die erste Warmdusche seit zwölf Tagen. Sie tut gut. Kopfweh und Übelkeit sind danach fast weg.

Wir dürfen nochmals die Leih-eBikes benutzen, um die nähere Umgebung zu erkunden. Mit Freier-Eintritt-Karten für die kulturelle Aktionen in der ganzen Region, die wir an der Campingkasse bekommen haben, gönnen wir uns zwei Museumsbesuche in Le Locle. Zum einen gehen wir in die Unterirdischen Mühlen, zum anderen ins Kunstmuseum. Ein gelungener Ferienabschluss!

Auf der Rückfahrt nach Hause realisere ich, dass für mich immer wieder diese Wechsel, diese Übergänge – dieses Auflösen des einen Aggregatzustandes zugunsten eines anderen – sehr schwierig sind. Dieses kleine ständige Loslassen des eben noch Seienden. Es bereits als Gewesenes betrachten. Als Echo. Wie ein Pflaster, das entfernt wird. Übergangsschmerz.

Bilder von Tag 12 (und ++)

Lest gerne auch Irgendlink über Tag 11 und über Tag 12 unserer Wanderung (Texte folgen)


Kartenlink Tag 11
+
Kartenlink Tag 12

Zur Karte der letzten drei Tage:

[googlemaps https://www.google.com/maps/d/embed?mid=1rE8pHFFgtQRkSOewN_JNsOp3T9aG7zY2&w=640&h=480]


*An den klassischen Badestrecken gibt es für Aareschwimmer*innen alle zehn, zwanzig Meter Bügel, Haken oder Stufen, um sich an Land ziehen zu können

#flussnoten19 | Tag 10

2. Juli 2019

Der Tag beginnt mit einer wunderbaren Weitsicht auf die frisch gewaschenen Berge am anderen Ufer. Wie gewohnt wandern wir früh los, weiter Richtung Hünibach und Thun, um möglichst viel von dieser angenehmen Morgenkühle erhaschen zu können.

»Die spinnen doch, diese Schweizer*innen mit diesem elenden Auf und Ab. Echt jetzt: 26%! Ich meine: 26%! Aber geschafft haben wirs. Im Kriechgang,« twittere ich noch vor neun, als der Weg so steil bergauf oberhalb des Dorfes an Oberhofen vorbei führt. Vorbei auch am Holzatelier, das M. leitet, doch es ist noch früh und er vermutlich noch gar nicht da. Wir versuchen allerdings auch gar nicht, das herauszufinden. Mit den Rucksäcken sind spontanen Besuche eher suboptimal.

Bald sind wir wieder am See. In Hünibach. Nach einem kleinen Einkauf sitzen wir einfach nur da, auf einer Bank, und genießen den letzten Seemorgen. Von hier aus sehen wir bereits das Ende des Sees und den Aareabfluss. Keine Stunde später betreten wir in Begleitung der Aare die kleine Stadt Thun, die in einem vergangenen Leben mein Dreh- und Angelpunkt war.

Alles bekannt. Da, die Brücke, wo wir damals. Die Fähre über die Aare ist heute außer Betrieb, zu viel Wasser, zu stark die Strömung. Wir setzen uns schon wieder auf eine Bank. Das hier will behutsam angegangen werden. Erinnerungen wollen gesehen werden. Erinnerungen brauchen Zeit.

Später. Wir spazieren durchs Bälliz, die Marktstraße Thuns, das Herz der Stadt. Emsiges Treiben. Vieles ist noch wie früher, manches anders. Hier habe ich – und dort drüben war doch – ach, wie war das damals?

Es ist schön, diesen Weg heute mit Irgendlink zu gehen, Vergangenes zu teilen und die Stadt neu zu erleben. Im großen M tanken wir die Handys, trinken und essen etwas und schließlich verlassen wir die Stadt wieder. Aareabwärts. Am Aarebad vorbei.

Es gibt verschiedene Wege, auf beiden Aareseiten, für Menschen mit uns ohne Räder. Wir tüfteln ein wenig, bis wir endlich einen finden, der uns schattig genug ist. Schön geht anders, wir sind ein wenig verwöhnt nach den letzten Wandertagen.

Es ist jedenfalls ein krasser Unterschied zwischen heute Morgen und jetzt: vor Thun diese beinah illusorisch ruhige, fast heile Welt, Hügel, Seen und Natur, nach Thun an der begradigten Aare eingeklemmt zwischen Straße, Kieswerk und Naturschutzgebiet und ohne unmittelbaren Aarezugang. Es ist laut auf diesem reizlosen, schnurgeraden Weg, der einzig als Verbindung von Punkt A nach Punkt B gedacht ist.

Naturschutzgebiet, ha! Sind Naturschutzgebiete womöglich sichtbar und materiell gewordene Ablasshandlungen einer industriellen Hochleistungsgesellschaft?, orakle ich. Ich fühle mich jedenfalls nach den friedlichen Tagen in den Bergen bereits wieder gehetzt und bin froh, dass wir im Laufe des Nachmittags endlich ein kleines Seelein finden, in welchem wir uns abkühlen können. Die Aare wäre natürlich auch badbar, doch wir haben keine wirklich geeignete Stelle gefunden. Manche Stellen waren zwar schön, boten aber keinen Schatten. Aarebaden, zumal mit so viel Strömung und ohne Übung, darf außerdem nicht unterschätzt werden.

Das Baden tut gut. Im Wasser schwimmt Gras und erst da wird uns klar, dass der See Hochwasser hat. Nach dieser Erfrischung überlegen wir so langsam, wo und wie wir heute Nacht lagern könnten. Einkaufen müssten wir ja auch noch. Unser täglich Bier zum Beispiel, ein frisches Brot und sonst noch das eine oder andere.

Irgendlink findet auf der Karte einen Weg nach Uttigen und lotst uns durch den Aarewald ins nahe Dorf. Wir fragen uns bis zum Volg durch und kaufen ein. Wie wir uns vom Volg aus wieder Richtung Aare wenden, spricht uns eine freundliche ältere Dame an. Ob wir Pilgernde seien und wohin und woher und dass sie vor zig Jahren nach Santiago gepilgert sei. Wir kommen ins Gespräch, trotz der Rucksäcke auf dem Rücken, und schon bald sitzen wir an ihrem Gartentisch und trinken selbstgemachten Sirup. Köstlicher Schatten. Wohltuendes Sitzen. Wir plaudern über das Woher und Wohin und über die Gewitter der letzten zwei Nächte und dass diese Nacht auch wieder welche gemeldet seien.

Irgendwann lädt uns Monika, die wir inzwischen von Pilgerin zu Pilgerin duzen, ein, in ihrem Garten zu zelten. Ein Angebot, das wir gerne annehmen, auch wenn es doch eine rechte Umstellung wird, inmitten von Häusern und dem Gewusel eines Dorfes statt in der Natur zu schlafen.Doch vorher gehen wir mit unserer Gastgeberin noch ein wenig spazieren. An die Aare natürlich. Und danach gibt es Coupe Danemark, mit hausgemachter Schoggisauce.

Es wird für mich die am wenigsten erholsame Nacht dieser Reise. Vor allem ist es die Hitze, die mich nicht schlafen lässt. Wegen der Gewitterwarnung haben wir nämlich wieder einmal auch das Außenzelt aufgebaut. Ein Zwei-Sekunden-Regen ist aber alles, was es heute Nacht gibt, darum stehe ich mitten in der Nacht auf und baue das Außenzelt ab.

Als ich endlich doch noch ein wenig schlafen kann, fährt beim nahen Volg der Lieferant vor und entlädt seine Waren. Willkommen zurück in der Zivilisation.

Bilder von Tag 10

Lest gerne auch Irgendlink über Tag 10 unserer Wanderung (Text folgt)


Kartenlink Tag 10

Zur Karte der letzten drei Tage:

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#flussnoten19 | Tag 9

1. Juli 2019

Am liebsten würden wir ja jede Nacht auf einem solch tollen Platz wie diesem übernachten. Auf unserer gemeinsamen Favoritenliste bekommt er viele Punkte. Andererseits hatten wir ja bis jetzt immer tolle Plätze.

Wir beschließen, dem Pilgerweg zu folgen, den wir bereits unten im Dorf ausgeschildert gesehen haben. Um uns in ihn einzufädeln, müssen wir zuerst ein wenig bergan durch den Wald. Bald finden wir den Weg, der allerdings ziemlich viele schattenlose Anteile hat und uns entsprechend ins Schwitzen bringt. Da wir aber mehrheitlich geradeaus und abwärts wandern und ein sehr klar definiertes Ziel haben – in Gunten Käse und Brot einzukaufen – geht es. Und ein bisschen jammern darf ja auch sein.

Immer wieder staune ich unterwegs darüber, dass ich Mimose und So-was-von-Unsportliche michin diesem Wanderalltag so wohl fühle. Ich nenne unsere Art des Fernwanderns für mich gar mein selbsttherapeutisches Konzept –im Wissen darum, dass es sich nicht 1:1 auf andere Menschen übertragen lässt. Mich fasziniert es, wie ich auch diesmal innert Tagen  – wie schon bei Reuss (2014) & Rhein (2016) – in eine innere und äußere ‚Natürlichkeit‘ hineinwachse. Kopf und Bauch sind wieder ein Team, ich bin (meist) gegenwärtig, konzentriert, achtsam und spüre meine Grenzen und Bedürfnisse. Auch will ich das, was ich tue, tun, weil ich es genauso will. (Im Alltag oft nicht möglich.) Natürlich war dem hier eine gemeinsam vorab getroffene Entscheidung vorausgegangen, darum halte ich mich täglich an diese. Zum Glück im Wissen darum, dass ich jederzeit Stopp! sagen kann.

In diesem Selbstbestimmungsmodus spüre ich Freude und Müdigkeit, erlebe Hunger, Durst, Sattheit, Erschöpfung bis zum Geht-nicht-Mehr, Staunen, Hitze, Erfrischungsbäder, Sternenhimmel, Bach-Fluss-See-Rauschen, Mücken-/Bremsenstiche, Weitblick, Steilhang … Ja, alles geht nebeneinander – manchmal ist es sehr viel, manchmal auch zu viel. Und hätte ich vorher all die eher ungemütlichen Dinge dieser kleinen und unvollständigen Aufzählung als Preis bezahlen müssen, um im Tausch dafür all die schönen Dinge zu bekommen – à la kapitalistisches Kosten-Nutzen- oder Preis-Leistung-Denken –, ich hätte den Preis so aufs Mal nicht zu zahlen gewagt, da ich mir die guten Dinge längst nicht in dieser Qualität hätte vorstellen können. Und wer nimmt schon freiwillig Mückenstiche und Muskelkater auf sich?

So lehrt mich Fernwandern einmal mehr Demut, nicht im Sinne von Demütigung, sondern vom Bewusstsein meines Seins als Teil des Ganzen, als Teil der Natur.  Ich anerkenne, dass ich nicht alles in der Hand habe. Diese ‚Natürlichkeit‘ ist es, die ich oben meinte. Die Schwerpunkte verschieben sich. So wirkt vieles aus meinem Alltag mit Abstand betrachtet wie Surrogat, welches letztlich mein tiefes Bedürfnis nach einer allumfassenden Verbundenheit nicht wirklich stillen kann. (Doch es könnte auch ein Ziel für mich sein, solche Wertungen nach und nach aufzugeben.)

Wir wandern mal still, mal ins Gespräch vertieft. Mal philosophieren wir, mal lachen wir. Schau, der Niesen – endlich hat das Huhn ganz oben auf dem Gipfel – gemeint ist ein Jahr für Jahr gleichförmiges Schneefeldgebilde – sein Ei gelegt! Ab sofort dürfen die Kinder barfuß gehen und im See baden, so will es der Volksmund.

Die Bäckerei Gunten hat noch auf und wir kaufen ein frisches Brot. Auch das letzte Käsesandwich, einen Spitzbuben und etwas zu trinken gönnen wir uns. Vor der Bäckerei lungern wir am Cafétisch herum, da es schön schattig ist. Ich mache schließlich eine kleine Runde, um Altglas, Flaschen und Müll loszuwerden und kaufe im Lädelli frischen Käse ein. Die Verkäuferin erzählt von ihrem Sohn auf der Alp und dass er am Anfang der Alpsaison jeden Tag etwa sechs soo große Käse macht. Inzwischen seien sie nicht mehr so groß und auch nicht mehr täglich sechs. Aber lecker sind sie allemal. Ich lasse mir ein großes Stück abschneiden. Von einem Käse vom letzten Jahr. Schmeckt genial.

Weiter gehts. Inzwischen haben wir einen guten, hitzekompatiblen Rhythmus des Gehens gefunden. Gehen-Schattenpause-Gehen-Schattenpause. Zeitlich sind die Phasen ähnlich lang, trotzdem kommen wir voran. Es ist heiß. Von Gewitterneigung ist noch nichts zu merken. Nach Gunten geht es erstmal wieder so richtig bergauf, bis wir den Wanderweg erreicht haben. Ein schöner Wanderweg, der über den Siedlungen Richtung Oberhofen entlang führt.

In Oberhofen in den See. Das muss jetzt einfach sein, zumal die Badi keinen Eintritt kostet. Und ja, sie ist wirklich sehr hübsch, M. hat recht. Während wir uns im See abkühlen, ziehen fette Gewitterwolken auf. Wieder kündigt die Wetterapp für heute Nacht Gewitter an. Darum beschließen wir auch für diese Nacht eine Waldhütte zu finden. Auf der Karte zuerst und dann auch in echt.

Weil es immer düsterer wird, lassen wir die Sehenswürdigkeiten – Schloss und Museum – links liegen und schauen zu, dass wir in den Wald kommen. Schnell kaufen wir im Dorfladen ’unser täglich Bier’ und was wir sonst noch so brauchen und steigen dann hoch zu besagter Hütte.

Wieder ist es ein schönes großes Haus, doch diesmal gibt es keine überdachte Tische. Immerhin ist das Hausdach schön breit, hat gemütliche Bänke und bietet uns, wie wir bald am eigenen Leib erleben können, guten Regenschutz. Wir haben es uns  auf der Hausvorderseite bequem gemacht, mit bestem Blick auf See, Niesen und die ganze Gegend hier.

Irgendlink hängt den Wassersack in den Brunnen, aus welchem nur ein kleines Rinnsal fließt. Steter Tropfen füllt den Sack und als dieser voll ist, hängt ihn Irgendlink auf der Hausseite auf. Die Dusche ist bereit. Wir könnten uns allerdings auch einfach ausziehen und in den Regen stellen, witzeln wir. Aber mach das mal bei Hagel!

Es gewittert ein erstes Mal ziemlich heftig. Wenn man Donner sehen könnte, wäre er dunkelblau mit graublauen, fast schwarzen Rändern, da wo er an- und abrollt, schreibe ich auf Twitter. Es regnet ein bisschen. Später regnet es ziemlich heftig. Wie und wo man hier wohl biwackieren könnte, jetzt, wo alles bis auf die Bänke rund ums Haus nass ist? Es hagelt. Das Gewitter wandert, kreist, kommt und geht. Wie wird es in der Nacht wohl werden?

Angst habe ich keine, auch wenn es zugegeben ein bisschen gruslig ist. Ich stelle mich auf eine Nacht im Sitzen ein. Auf eine schlaflose Nacht. Aber es kommt anders. Besser. Wir beschließen, probehalber unsere Matten auf die relativ schmalen Bänke zu legen. Siehe da. Es funktioniert. Die Tische in der Nacht zuvor haben uns erfinderisch gemacht.

Nach einer erfrischenden Dusche aus dem Duschsack –  yesss, was muss, das muss! – schlafen wir Kopf an Kopf ein. Was, wenn ich es mir so recht überlege, ziemlich romantisch ist (ich sag jetzt nur Überkopfgutnachkuss).

Irgendwann tröpfelt es dann doch unters Dach, denn es windet. Wir wachen auf, überlegen nicht lang und ziehen um, ums Eck. Ich darf auf die Bank, während sich Irgendlink mit der Matte auf den harten Boden legt. Der Gute!

Bilder von Tag 9

Lest gerne auch Irgendlink über Tag 9 unserer Wanderung (Text folgt)


Kartenlink Tag 9

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Nachtlager: 1. – 9. Nacht auf Twitter ⇒ hier klicken

#flussnoten19 | Tag 8

30. Juni 2019

Ein sehr schönes Aufwachen ist es auf 1100 Höhenmetern. Stille, Weitblick – und schon bald kitzelt die Sonne die Berg wach. Nach einem winzigen Frühstück packen wir unsere Sachen und wandern weiter Richtung Waldegg-Beatenberg. Weit ist es nicht mehr, aber schon bald ist es sehr heiß. Als Zwischen- oder vielleicht sogar Tagesziel haben wir uns für die Sundlauenen entschieden, einem Platz direkt am Thunersee, den ich von früher kenne und als wildromantische Badebucht mit Wald und einigen tollen Wildzeltplätzen in Erinnerung habe. Lang her.

Ab Waldegg, einer Siedlung, die zum sehr weitläufigen Berg- und Feriendorf Beatenberg gehört, folgen wir darum den Wegweisern nach Sundlauenen. Da wir keinen Brunnen finden, bitten wir zum ersten Mal auf dieser Tour bei einem Wohnhaus um Wasser. Normalerweise füllen wir unsere Flaschen an Brunnen, Bächen, Flüssen. Die Frau, die uns Wasser zapfen lässt, fragt, wo wir lang wandern und staunt, wie weit wir in einer Woche schon gekommen sind.

Erzählen wir jemandem, dass wir auf der Grimsel losgewandert sind, staunen die Leute immer, dabei ist es im Grunde gar nicht mal so weit. Doch das Wandern scheint hier ungewöhnlich geworden zu sein, wir treffen unterwegs jedenfalls kaum Wandernde.

Auf einer Schattenbank frühstücken wir ausgiebig und genießen die Weitsicht. Noch immer sind wir ziemlich hoch oben.

Bald weicht der Wald Weideland, Scheunen säumen den Weg, Höfe auch. Im Schatten des Waldes ist die Hitze definitiv erträglicher gewesen als auf den Wiesen und – überhaupt! – der steile Abstieg geht ganz schön in die Knochen und Gelenke. Ich bin denn auch ziemlich erschöpft, als wir irgendwann die Autostraße erreichen, die wir überqueren müssen, um zur Sundlauenen-Bucht zu kommen. Was für eine Brutofenhitze! Dazu macht mich die Nähe des Sees ganz hibbelig, ich will mich so schnell wie möglich ins Wasser stürzen.

Doch hier sieht alles anders aus als früher, der Wald ist mit einem Campingverbot belegt, manche Stellen sind abgesperrt und als privat gekennzeichnet. Dazu ist die Badestelle schon ziemlich gut besetzt.

Hatte nicht B. letzte Woche etwas von einer Baustelle erzählt? Davon, dass hier wegen Überschwemmungen oder Unwetterschäden baulich eingegriffen worden sei? Ich erinnere mich nicht mehr so genau, aber  früher war es hier auf jeden Fall schöner. Jedenfalls in meiner Erinnerung.

Der Badestrand ist steinig, ohne Bäume und somit ohne Schatten. Doch da es dort eh schon viele Menschen hat, suchen wir uns im nahen Wäldchen einen Platz, wo wir lagern können. Wir breiten uns aus und folgen, dem Wandern der Sonne entsprechend, den Schattenflecken. Der See ist hier sehr kalt und weil die großen Steine sehr rutschig sind, ist der Einstieg entsprechend, sagen wir mal, experimentell. Dennoch tut die Erfrischung sehr gut und wir erholen uns ein paar Stunden vom anstrengenden Abstieg.

Den Plan, hier zu bleiben, um zu biwackieren, verwerfen wir schnell, es ist ja auch erst etwa vier Uhr. Der Platz ist zu öffentlich und außerdem sind Gewitter gemeldet. Für Gewitter wäre eine Waldhütte nicht schlecht. Oder ein öffentlicher Zeltplatz, auf welchem wir zur Not in ein Badehäuschen flüchten könnten. Wir diskutieren die Möglichkeit, mit dem Schiff von der Sundlauenen-Schiffländte aus ans andere Ufer zu fahren, da dort ein Campingplatz ist. Bei dieser Gelegenheit hätten wir auch gleich einen Twitter-Blog-&-Künstler-Kollegen heimsuchen können. Aber passen Besuche und passt ein Seeseitewechsel in unseren Wanderflussflow?

Hin- und hergerissen sind wir, denn mit dem Schiff könnten wir ja auch einfach die Beatenbucht umschiffen. Denn um die Bucht zu Fuß zu umwandern, hätten wir einmal mehr ein ziemliches Aufwärtsstück gehen müssen. Bei dieser Hitze. So spät noch. Bei Gewitterprognosen. Nein. Man darf sich ja auch mal etwas gönnen. Eine Schifffahrt zum Beispiel.

Die Fahrt ist kurz und das Schiff sehr voll. Wir setzen uns ins Schiffsinnere, denn die vielen Leute und die brutale Hitze strengen an. Über dem Niesen ziehen Wolken auf, wie um die Prognosen zu bestätigen. Ob wir in Merligen irgendwo einen sicheren Platz finden werden? Eine Scheune vielleicht, bei einem Bauernhof?

In Merligen ist da auf einmal diese riesige Lust auf Pommes. Oder doch lieber ein Eis? Die Möglichkeit zu konsumieren macht es. Oder sind es die vielen Menschen hier? Jedenfalls sitzen wir kurz darauf schon wieder an einem schattigen Tisch. In der Badi Merligen. Mit einem Klingeldingsi vor uns, das angeblich kundtun wird, dass die Pommes fertig sind. Nach zwanzig Minuten gehe ich beim Kneipchen vorbei und frage nach. Doch die Pommes sind noch nicht fertig, denn die arme Frau ist mit Küche und Theke allein und bekommt buchstäblich nichts gebacken. Nach einer weiteren Viertelstunde werde ich dann doch langsam ungeduldig und kündige Irgendlink an, dass ich in zwei Minuten nochmals nachfragen werde. Ich stelle dazu sogar demonstrativ den Handywecker. Nach anderthalb Minuten hüpft und lärmt das Klingeldingsi auf dem Tisch herum und ich hüpfe auch und hole die Pommes. Die dann auch ziemlich gut schmecken und den gröbsten Hunger stillen.

Inzwischen haben wir die Wanderkarten ein bisschen ausgiebiger betrachtet. Irgendlink hat oberhalb von Merligen eine Waldhütte entdeckt. Nicht weit von hier. Luftlinie gerade mal achthundert Meter. Da in der Nähe könnten wir es bestimmt mit Zelten versuchen. Irgendlink ersteht am Badi-Kiosk eine Flasche Bier, Dosen gibt es hier nicht. Verrückter Kerl, als hätten wir nicht schon genug Gewicht in den Rucksack. Nichtsdestotrotz freue ich mich auf einen kühlen Schluck Bier.

Ab Dorfmitte geht es immer schön steil aufwärts, teils über Wanderwegtreppen. Schließlich lassen wir das Dorf hinter und unter uns. Erste Regentropfen fallen. Der Himmel ist ein graues Geschmier, durch das aber doch immer wieder ein paar Sonnenstrahlen dringen. Und heiß ist es auch noch immer. Das kühle Seebad ist längst mit Schweißbächen überschrieben, überschwitzt. Und noch immer geht es weiter bergauf. Ich schaue immer mal wieder auf dem Handy, wie weit es noch ist und ob wir es wohl trocken nach oben schaffen.

Und auf einmal sind wir da. Was für ein Waldhaus! Mit vielen Picknicktischen – steinerne unter freiem Himmel, hölzerne unter einem Dach. Dazu zwei Brunnen. Eine geöffnete Toilette. Ein Spielplatz mit Holzschnipselboden, den wir schon bald zum Biwackplatz bestimmen. Dazu eine prächtige Aussicht auf den Niesen am Ufer gegenüber, der sich mit Wolken bedeckt hält.

Es ist ein kleines Wunder, dass wir nach diesem heißen Tag und bei den angekündigten Gewittern so einen guten, sicheren Platz gefunden haben. Und sogar einen Bierflaschekühlbrunnen gibt es hier!

Ich mag Brunnen, auch baden lässt es sich nämlich in ihnen. Nach dieser wohltuenden Erfrischung kochen und essen wir. Später trinken wir unser kühles Bier und bald schlüpfen wir auch schon im Spielplatzbereich in unsere Schlafsäcke. Der Regen hat sich wieder verzogen und auch die Gewitter scheinen es doch nicht ernst gemeint zu haben.

Auf Twitter schreibe ich am nächsten Morgen einen Thread:
1.) So ein Gewitter hat was. Zuerst als Intro Wetterleuchten überm Niesen, dann erste Donner und Blitze ebendort, ennet des Sees. Spektakulär! Kein Kino kann so was. 3D kann einpacken. Langsam kommt das Ganze näher und wir entscheiden uns um ein Uhr nachts,
2.) uns von ‚zwischen dem Schaukelpferden’ auf die Tische zu verlagern. Wie in einem Freilichttheater konnten wir von dort aus – liegend -weiter staunen. Ja, und ein bisschen unheimlich wars schon. Schließlich der Regen. Erlösende Kühle. Um 2:22 guck ich nochmals aufs Handy, dann
3.) penne ich ein. Tief und fest. Ich wollte ja schon immer auf einem Tisch tanzen. Schlafen toppt das irgendwie.

Kurz bevor wir fertig gepackt haben, kommt der  Platzwart, ein Mitarbeiter der Gemeinde, und sagt, dass man hier eigentlich nicht übernachten dürfe, ABER alles sei gut. Wir bräuchten auch kein Geld in die Kasse am Haus zu legen (was wir vorgehabt hatten). Das Geld sollen wir lieber für die weitere Reise behalten. (Yesss! Damit sind wir nun definitiv in die Gilde der Pilgernden dieser Welt aufgestiegen. Irgendlink trauert dem Umstand nach, dass er keinen Pilgerpass dabei hat.) Wir hätten im Schloss Rallingen übernachten können, sagt der Platzwart weiter, da habe es eine Pilgerherberge. (Was wir theoretisch hätten sehen und somit wissen können.)

Was für ein netter Mensch! Danke Merligen für diese Wahnsinnsnacht.

Bilder von Tag 8

Lest gerne auch Irgendlink über Tag 8 unserer Wanderung.


Kartenlink Tag 8

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#flussnoten19 | Tag 7

29. Juni 2019

Der See blubbert leise neben uns. Es wird langsam hell und am Ufer gegenüber lassen sich die Berge ein gelbrosa Häubchen wachsen. Was für ein Erwachen! Die Welt tut als sei sie ein ganz und gar friedlicher Ort. Wir lassen uns gerne ein wenig täuschen, kochen Wasser, frühstücken ein wenig und packen, denn auch heute wollen wir wieder vor der großen Hitze loswandern.

Eigentlich wollte ich heute Morgen ja kurz schwimmen gehen, aber ich bin noch nicht genug aufgeheizt für den morgenkühlen See und belasse es darum bei einer erfrischenden Katzenwäsche.

So schaffen wir uns bergan, denn der Weg nach Bönigen führt oberhalb der Autobahn durch die Hügel. Am Anfang Wiesen, Höfe, Hüttchen, Wald. Schließlich eine Treppe, die ich Ar**sch**lochtreppe taufe, weil sie mich so richtig fertig macht. Aber so richtig. Es ist nicht die Steigung an sich, denn davon hatten wir schon viele. Aber diese Stufen hier? Echt jetzt, die muss sich Riese ausgedacht haben. Ich wandere tausendmal lieber über unebene Hügel und natürliche Wurzeln als über eine proportional derart unnatürliche Treppe wie diese hier. Sogar Irgendlink stöhnt. Aber irgendwann ist auch die längste Treppe geschafft. Wir gönnen uns eine längere Pause, bevor wir weiter wandern. Auf der übernächsten Pausenbank gibts Frühstück. Dort irgendwo haben wir die höchste Stelle erreicht und der Weg geht wieder langsam abwärts.

Als wir den See erreichen, eine Bank, eine Badestelle, geht es nicht lange und ich nehme mein erstes Bad des Tages. Es wird auch mein letztes sein, aber das weiß ich zum Glück noch nicht.

Kurz darauf erreichen wir Bönigen. Per App habe ich herausgefunden, dass wir mit dem Schiff nach Interlaken Ost fahren können. Eine Viertelstunde vor der Abfahrt treffen wir an der Schiffländte ein und kaufen uns für ein paar Kilometer wanderfrei. Hitzefrei. Nun ja, auch auf dem Schiff ist es heiß, aber hier bläst uns immerhin der Wind um die Ohren. Ich freue mich über diese Fahrt und darüber, dass wir so Interlaken um ein kleines Stück abkürzen können.

Im Gegensatz zu all den Touristinnen und Touristen von der ganzen Welt – insbesondere vom fernen und vom nahen Osten – verbinde ich mit der Gegend hier schwierige Erinnerungen. Neben dem Gewusel und der Hitze ein weiterer Grund, die Stadt baldmöglichst hinter uns zu lassen.

Doch zuerst müssen wir dringend einkaufen – morgen haben die Läden zu. Der Kellner eines Restaurants am Schiffssteg heißt uns den nahen Bahnhof zu unterqueren. Drüben sei ein großes Coop. Wir tun wie geheißen. Auf dem Bahnhofplatz pures Chaos, das von der Verkehrspolizei irgendwie geordnet wird. Wer wann wie über die Straße darf, wird recht willkürlich gehandhabt. Ein Fahrradfahrer will sich an der Polizistin vorbeimogeln, doch sie wirft sich ihm buchstäblich in den Weg, damit wir unbehelligt den Platz überqueren können. Ihr ‘Stopp heißt Stopp!, was ist daran so schwer zu verstehen?’ verfolgt uns noch lange.

Wir haben einen Coop-Gutschein in der Tasche und den zücken wir jetzt. Tagesmenü im Restaurant. Zack. Nachschub kaufen. Zack.

Bald haben wir genug vom Gewusel der Stadt und schaffen uns über das Bödeli, wie Interlaken hier genannt wird, nordwärts, um an das Nordufer des Thunersees gelangen zu können. Am Anfang wandern wir noch treudoof unserer Aare entlang, doch da uns dies so ohne Schatten schon bald zu heiß ist, beschließen wir, Richtung Friedhof Unterseen zu wandern. weil wir uns von einem Friedhof ein bisschen Schatten versprechen und vielleicht einen Brunnen. Bestimmt können wir uns dort ein wenig abkühlen.

Ja. Können wir. Doch wir stellen beim Blick auf die Karte immer wieder fest, dass wir für einmal keinen richtigen Streckenplan zur Hand haben. Es gibt zu viele Möglichkeiten. Außerdem haben wir von der Stadt längt genug, obwohl noch ein ganzes Stück vor uns liegt.

Beim nächsten Brunnen stillen wir einmal mehr unseren Durst, erfrischen uns und waschen Hände, Arme und Gesicht, denn das Wandergesetz Nr. 1 besagt, dass man jedem Brunnen Respekt erweisen soll, indem man von seinem Wasser trinkt.

Dass der Brunnen an einer Postautohaltestelle steht, ist Zufall. Noch ein größerer Zufall ist es, dass genau in jenem Moment, als ich gucken will, wo das Postauto hinfährt, eins anhält und der Fahrer uns die Türen öffnet. Innert einer Sekunde – ein kurzer Blickkontakt genügt – entscheiden wir uns, einzusteigen.

Habkern. Das bin ich doch früher schon mal gewesen. So ganz falsch kann das nicht sein?, sage ich, als wir uns gesetzt haben, wage aber erst, als wir oben angekommen sind, auf die Karte zu schauen. Mit uns steigen ein junges Trekking-Paar und eine junge Französin aus. Das Paar will auf einen Berg und dort biwacken, die junge Frau ein wenig wandern. Und wir? Fast sind wir soweit, dass wir uns in das nächste Postauto setzen wollen und zurück fahren. Wir sind nämlich in die falsche Richtung gefahren, ein ziemliches Stück ’rückwärts’. In Habkern sind wir zwar etwa fünfhundert Höhenmeter höher, aber wieder vor Interlaken und noch lange nicht daran vorbei. Da unten liegt es, das Bödeli.

Wir spazieren durchs geteerte Dorf und überlegen hin und her. So viele Wege, so viele Möglichkeiten. Eine Mountainbikeroute führt da oben nach Beatenberg-Waldegg, sagen die Wegweiser. Ah, und hier, schau!, sagt Irgendlink, entlang der Höhenlinie führt auch ein Wanderweg nach Beatenberg-Waldegg.

Wir entscheiden uns, auf jeden Fall ein Stück in den Wald hineinzuwandern, die Straßen zu verlassen, einen Lagerplatz zu suchen. An einem wilden Bach füllen wir sicherheitshalber alle Flaschen auf, damit wir auch ohne See-Bach-Brunnen den Abend, die Nacht und den Morgen überstehen. Wie gut, dass wir unsere übliche Dose Bier dabei haben.

Wir wandern eine Stunde durch den Wald und ich merke, dass ich so langsam an meine Grenzen komme. Der Tag war unglaublich abwechslungsreich, extrem heiß, super wanderintensiv und dazu voller Eindrücke und Erinnerungen. Ich bin schlicht und einfach kaputt. Fast haben wir den Platz erreicht, an welchem wir später unser Zelt aufbauen werden – was ich aber noch nicht weiß –, als ich glaube, keinen Schritt mehr gehen zu können. Von all den Höhenmetern einmal abgesehen, waren das heute sicher nahezu fünfzehn Kilometer, die wir gewandert sind. Dazu seit Interlaken wegen des Wochenend-Vorrats mit deutlich schwereren Rucksäcken als sonst.

Irgendlink schlägt vor, dass ich hier bleiben und auf ihn warten soll. Er werde voraus gehen und jenen Platz suchen, wo Wander- und Waldweg aufeinander stoßen. Auf der Karte sei dort eine etwas breitere Stelle eingezeichnet und er sei ziemlich sicher, dass wir dort lagern können. Ich schaue mir die Stelle auf dem Handy an und stelle fest, dass es bis dahin nur noch hundert Meter sind. Ein neuer Energieschub erfüllt mich und schließlich sind wir tatsächlich bald auf einem richtig guten Platz. Nicht wirklich hübsch, aber ideal. Die einzige Stelle, die breit genug für das Zelt ist.

Ein Wendeplatz, der vermutlich, wenn wir die Spuren richtig lesen, für Holzfällerarbeiten genutzt wird. Der ganze Boden ist voller Sägespäne. Wir bauen auch heute nur das Innenzelt auf, es ist trotz der 1100 Höhenmeter ziemlich warm. Die leichte abendliche Abkühlung tut gut. Wir kochen, essen Leckeres und schließlich setzen wir uns mit unseren Bechern und der Bierdose auf unsere ganz persönliche Logenplätze und sehen der Sonne dabei zu, wie sie mit ihrem Untergehen das Eiger-Mönch-Jungfrau-Massiv erglühen lässt.

Hehre Gefühle tauchen in mir auf. Demut ob der Größe der Berge. Ein bisschen fließen die Tränchen, denn es ist einfach so schön hier zu sein und ich bin froh über das zufällige Postauto.

Dieses Abendlicht. Dieses Alpenglühen. Und immer dieses wunderschöne alte Volkslied – Luegid vo Bärge is Tal –, das in meinem Herzen kreist.

Ich schlafe gut in dieser Nacht. Tief und fest, totmüde wie ich bin.

Bilder von Tag 7

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#flussnoten19 | Tag 6

28. Juni 2019

Unser Nachtlager auf der Wiese ist ruhig, schattig und relativ kühl. Nicht zuletzt, weil wir nur – und hauptsächlich als Mückenschutz – das Innenzelt aufgebaut haben. Wir brechen nach einem winzigen Frühstück zeitig auf, um möglichst viel Morgenkühle zu erwischen. Es ist noch nicht mal sieben Uhr, als wir das erste happige Stück, jenes dem Bach entlang durch den Wald, geschafft haben und unsere langen Schatten fotografieren.

Brienz ist noch sehr ruhig, als wir es seitlich, möglichst nahe an Aare und See, durchqueren. Beim ersten Badesteg, den ich sehe, nicht weit von einer Komposttoilette entfernt, befriedige ich gleich zwei Bedürfnisse, jenes nach einer stinklangweiligen Sitzung zum einen und jenes nach einem erfrischenden Morgenbad zum anderen. Mein erstes Brienzerseebad seit Ewigkeiten!

Was die Weiterwanderung angeht, sind wir hin- und hergerissen. Der Wanderweg, der direkt am See entlang führt, ist am Anfang geteert und führt recht nahe an der Autostraße entlang. Die Alternative wäre ein kleiner Schlenker bergauf, am Südhand des Sees. Wir wägen ab. Der Weg ist zwar in der Wander-App eingezeichnet, nicht aber als eigentlicher Wanderweg ausgeschildert.

Wenn irgendwo ein bestehendes und funktionierendes Wegenetz besteht, wozu soll ich denn auf die Karte gucken?, ist Irgendlinks Devise. Ich mache einfach, was die gelbe Pfeile mir sagen. So wäre er vermutlich, ohne meine Intervention, einfach dem Wanderweg Richtung Iseltwald gefolgt. Bei solchen Gelegenheiten, stelle ich fest, wie unterschiedlich Irgendlink und ich durch die Welt gehen. Was natürlich mit Gewohnheiten zu tun hat, mit Erfahrungen, mit Denkmustern.

Kartenausschnitt des Wegstücks am Hang
Kartenausschnitt des Wegstücks am Hang

Quelle: openstreetmap.ch

Ich habe aber keine Lust, einer weiteren doofen Teerstraße entlang zu laufen und bin dafür gerne bereit ein Stück aufwärts zu wandern. So schlage ich ein Stück auf dem Bergweg Richtung Axalp vor. Meine Methode besteht nämlich darin, dass ich vorher gucke, wo es die waldigsten Wanderwege hat. Meistens geht die Gleichung auf, denn im Wald hat es in der Regel keine Teerstraßen. Kurz gesagt personalisiere ich mir den Wegverlauf zurecht, passe ihn meinen Bedürfnissen an – egal, ob es da nun Wanderwegtafeln hat oder nicht. Das kann gelingen oder in die Hose gehen. (Meistens gelingt es, denn ein bisschen Kartenlesekunst habe ich mir in all den Jahren angeeignet.)

Als wir bei zunehmender Hitze etwa einen Kilometer sehr steil durch den Wald bergauf kraxeln, kommen mir natürlich trotzdem immer mal wieder kleine Zweifel. Vielleicht wäre es ja unten gar nicht so schlimm gewesen? Vielleicht wäre der Berufsverkehr nicht gar so laut gewesen wie wir befürchtet haben? Aber als wir an einer kleinen Wegkreuzung, die ich schon im Voraus als höchsten Punkt markiert habe, anlangen und ausgiebig frühstücken, ist schnell alles wieder gut. Es ist genau so genau richtig. Immer wieder gibt es diese Momente, gerade nach sehr steilen Stücken, nach sehr anstrengenden Etappen, wo wir nach der Mühe einfach nur Glück atmen. Und uns ausruhen. Trinken. Etwas essen. Kraft sammeln.

Auch was die Giessbachfälle betrifft, ist unser kleiner Umweg Richtung Axalp eine weise Entscheidung gewesen, denn wir treffen genau am spektakulärsten Platz auf den gigantischen Wasserfall. Was für ein Naturereignis! Wie damals, als Neunjährige, bin ich hin und weg von der Schönheit und Kraft des Wasserfalls. Es steigen Erinnerungen an meine allerersten Ferien hoch. Ich war neun Jahre alt gewesen, damals, als mein großer Bruder und seine Partnerin die drei kleinen Geschwister ins Auto verfrachtet hatten und mit ihnen ein paar Tage an den Brienzersee zum Zelten gefahren waren. So viele neue Erfahrungen waren das für mich gewesen: Ferien. Zelten. Seebaden. Ausflüge machen. Die Giessbachfälle. Erlebnisse, die sich unauslöschlich in mein Herz geprägt haben!

Von den Giessbachfällen aus gibt es einen sehr gut gehbaren Wanderweg abwärts zum See und von da an ist der Seewanderweg bis Bönigen durchgängig gut zu gehen, will heißen: fast ohne Teer.

Zurück am See finden wir schon bald einen herzigen Badeplatz. Wir sind bereits wieder reif für das nächste Bad, denn erneut ist es über dreißig Grad heiß. Auch die diversen Insekten mögen diesen Platz ganz offensichtlich. Irgendlink wird von Käfern heimgesucht, ich von Schmetterlingen.

Wir wandern weiter und kehren schließlich im Strandbad Iseltwald ein. Die Badi sieht noch genau aus wie damals!, sage ich, wie damals, als ich das erste Mal in einem richtigen See geschwommen bin. Wir essen Pommes, trinken etwas Erfrischendes und überlegen, ob wir auf dem Zeltplatz einchecken sollen. Der Preis ist allerdings eher an der Schmerzgrenze und es ist ja auch erst Nachmittag, also noch früh. So entscheiden wir uns dafür, weiterzuwandern. Durch den Ort Iseltwald, der viel größer ist, als ich ihn in Erinnerung hatte. Wir kaufen ein paar Kleinigkeiten ein – die traditionelle Dose Bier zum Beispiel, die wir uns später genüßlich teilen – und wandern, den Ort und sein Gewusel wieder verlassend, weiter westwärts.

Es könnte schwierig werden, einen Nachtplatz zu finden, stellen wir fest, als wir sehen, dass der Wanderweg durch lose bewohntes Gebiet führt. Rauf, runter, mal waldig und seenah, mal hügeliges Wiesenland …

Irgendlink entdeckt einen kleinen Weg, dem wir direkt abwärts zum See folgen. Ein hübscher Platz. Hier könnte man sicher biwacken, überlegen wir. Zum Platz gehört ein Bootparkplatz, der leer ist. Vielleicht könnten wir die Leute, denen der Platz gehört, fragen, ob wir hier lagern dürfen?, überlegen wir.

Wir genießen den Schatten, dösen ein wenig und erfrischen uns im See, als schließlich das zum Bootplatz gehörige Ruderboot auftaucht. Ein älteres Paar steigt aus. Wir plaudern ein wenig und erfahren, dass es bestimmt kein Problem wäre, hier zu biwacken. Der Platz gehöre zum Haus – da oben –, sie hätten nur die Anlegestelle gemietet, im Haus wohne allerdings zurzeit niemand. Ein Stück weiter sei übrigens ein sehr schöner, öffentlicher Grillplatz, welcher ein bisschen größer und gemütlicher sei als dieser kleine Platz hier.

Wir bedanken uns und überlegen hin und her … Das Risiko bei einem öffentlichen Platz besteht darin, dass vielleicht schon jemand dort ist. Oder noch jemand kommt. Dass ein Camp-Verbot besteht. Dass sich jemand beschwert. Dass sich jemand von uns gestört fühlt.

Wir beschließen, das Risiko zu wagen. Schlimmstenfalls ist der Platz besetzt oder es hat ein Zeltverbot, dann müssen wir halt weiter, sagen wir uns und ziehen die Rucksäcke wieder an.

Wenig später finden wir einen idealen, menschenleeren Grillplatz und beschließen einfach mal abzuwarten, besonders was den Bau unseres Lagers betrifft, falls noch jemand kommen sollte. Es gemütlich anzugehen. Baden. Kleiderwaschen. Kochen und Essen.

Auf dem See wird es langsam ruhiger und die Lichter am anderen Ufer und drüben, in Iseltwald, gehen an. Später schwimmt noch das ältere Paar in der Nähe vorbei und winkt uns zu. Ansonsten werden wir – von den Mückis einmal abgesehen – in Ruhe gelassen. Dank Mückenspray ist das jedoch erträglich.

Wir schlafen unter freiem Himmel, da zum einen der Boden für die Heringe fast zu hart und zu trocken ist und zum anderen: Wozu ein Zelt aufbauen, wo doch der Himmel über uns so wunderbar funkelt?

Mitten in der Nacht, als ich kurz aufwache und mal schnell die Sterne nachzähle, stelle ich fest, dass der See fast keine Geräusche mehr macht. Als ob auch er schlafen würde.

Bilder von Tag 6

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Kartenlink Tag 6

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#flussnoten19 | Tag 5

(Mein schöner Plan, hier täglich ein bisschen mehr von unserer Flussnoten-Fernwanderung zu erzählen, geht nicht ganz auf. Habt Geduld, die Etappenberichte chömmed eifach nadisna, wie man bei uns in der Schweiz so schön sagt.)

27. Juni 2019

Von unserem Nachtlager nicht weit vom Aareschlucht-Eingang wandern wir am fünften Morgen in die kleine Stadt Meiringen hinein, wo wir unsere Vorräte aufstocken.

Im Migroscafé unterhalten wir uns ein wenig mit Einheimischen und stärken uns mit Heißgetränken und Mini-Ragusa [wie nennt man die eigentlich im Plural: Ragusae? Ragusas? Raguse?], bevor wir uns wieder hinaus in die Hitze aufmachen. Heiß ist es nicht zuletzt darum, weil es kaum Bäume und andere Schattenplätze auf dem Weg nach Brienz gibt. Außerdem läuft unser Wanderweg oft gleichzeitig als lokaler Fahrradweg und ist darum größtenteils geteert. Hot, very hot. Nein, es ist nicht wirklich so toll, hier zu wandern, und ich sage eins ums andere Mal, dass das Land unbedingt mehr Bäume braucht. Hier. Und überhaupt. Es braucht unbedingt überall mehr Bäume!, jammere ich. Na ja, nicht nur aus umweltpolitischen und altruistischen Gründen, ich gestehe es.

Als auf einmal fatamorganesk ein Brunnen* vor uns auftaucht, dauert es keine Minute bis Irgendlink nackt darin sitzt. Ich wasche mir die Haare, kühle mich ab, wasche mich, erfrische mich.

Die Erfrischung hält eine Weile, doch schon nach wenigen Kilometern ist es uns bereits wieder viel zu heiß. Noch eine Fata Morgana?, denke ich, als schließlich ein kleiner Baggersee auftaucht. Ein paradiesisch anmutendes Naturschutzgebiet, das wir fast verpassen, weil der offizielle Wanderweg drumherum führt.

Erneut baden wir. Es ist eh Zeit für eine längere Siesta und ein ausgiebiges Picknick. Das hier ist einer dieser Tage, an denen man nicht genug Pausen machen und baden kann.

Später hopsen wir von Schatten zu Schatten und von Bänklein zu Bänklein weiter Richtung Brienzwiler. Wir stranden in einem kleinen Weiler, wo uns der Mitarbeiter eines Kraftwerks nicht nur Wegvarianten nach Brienz erklärt, sondern uns auch gleich noch mit frischen Wasservorräten ausstattet.

Der Wanderwege sind tatsächlich viele. Die meisten allerdings eher geteert als wirklich schön wanderbar, weshalb wir überlegen, allenfalls bei Brienzwiler den Weg durch das Freililchtmusuem Ballenberg auszuprobieren. Immerhin ein richtig schöner Wanderweg mit Wald drumrum. Was uns abschreckt, ist, dass es zum Eingang ziemlich bergan geht und dass wir uns den Eintritt ins Museum nicht leisten können und wollen. Das Museum und damit die Häuser seien über Nacht geschlossen, hatte uns aber unserer Wasser-Engel erzählt, darum sei das Gelände nachts frei zugänglich.

Herz, was willst du mehr? Ich lotse uns bergauf zum Eingang des Geländes. Irgendlink ist skeptisch. Tickt die Schweiz wirklich so? Lassen die uns rein? Ja. Ja, wir dürfen, ohne Eintritt zahlen zu müssen, durch das Gelände wandern. Wir sind pünktlich und die Kassiererin wartet extra, bis wir unser Eis geleckt haben, um uns die Drehtür zu öffnen.

Hurra, wir sind drin! Lange her, seit ich das letzte Mal hier war. Einer der wenigen Ausflüge, die wir als Kinder mit den Eltern gemacht haben? Oder war es eine Schulreise? Und war es damals schon so riesig, dieses Gelände, auf welchem alte Original-Häuser aus der ganzen Schweiz aufgebaut wurden, um die Vielseitigkeit des Landes sichtbar zu machen?

Wir sind beide sehr beeindruckt. Auch von den vielen Rastplätzen, die zum Innehalten einladen. Ob wir hier campieren könnten? Das lassen wir schließlich, denn immerhin ist das Gelände Naturschutzgebiet.

Wo wir wohl hinter Ballenberg unser Nachtlager aufschlagen könnten? Die Gegend ist hier schon viel dichter besiedelt als an den ersten Wandertagen. Viel Land ist zudem Weideland und da können wir nicht einfach so wild zelten. Auf der Karte sehen wir einen Bach, nicht weit entfernt Häuser. Da dürfen wir bestimmt campieren!, überlegen wir.

Leider ist auf der Karte alles ein bisschen einfacher und anders als in Wirklichkeit. Tatsächlich ist der Bach schwer zugänglich, beidseitig von Gebüsch zugewachsen, das Gelände steil und die Wege sind schmal. Und außerdem sind wir auch noch auf der falschen Bachseite, stellen wir fest, als wir auf einer Wiese stranden und der Weg einfach aufhört.

So langsam werde ich ungeduldig. Es ist heiß. Ich habe Hunger. Ich bin müde. Wir parken die Rucksäcke auf einer Wiese und während Irgendlink nach einem besseren Platz sucht, finde ich mit Karten- und Telefonbuch-Apps die Telefonnummern der diesem Platz am nächsten wohnenden Menschen heraus. Ich nehme meinen ganzen Mut – unterfüttert von Tagesmüdigkeit und Hunger – zusammen und rufe eine der gefundenen Nummern an. Ich habe Glück. Die Frau am anderen Ende, jenseits des Baches, hat uns vorhin sogar vorbeiwandern sehen und meint, dass dort, wo wir jetzt seien, der bestmögliche Platz zum Lagern sei. Da dürften wir zelten. Eine Nacht sei kein Problem. Aber einfach nichts liegen lassen. Natürlich nicht, sage ich. Und: Danke!

Das Beste aber ist: Wir dachten, das hier sei eine Sackgasse und wir müssten einen großen Bogen zurück gehen, um auf die Straße zurückzukommen. Ist es aber nicht. Der Weg geht hier weiter. Ein sehr schmaler Weg sei es allerdings, rutschig, nicht ganz ungefährlich. Wenn man ihm folge, komme man direkt runter nach Brienz.

Ich freue mich sehr. Dass ich mich anzurufen getraut habe. Dass wir hochoffiziell hier bleiben können. Dass der Weg weiterführt. Dort, wo er vermeintlich aufhört, geht es in dichten Wald hinein und nach zehn oder zwanzig Metern direkt zum Bach. Eine Badestelle ist schnell gefunden und einmal mehr staune ich, wie schnell sich das Blatt nach einem erfrischenden Bad wendet.

Den Wassersack, am Bach gefüllt, hängen wir an eine Art Dreifuß, den wir aus den Wanderstöcken und einem dritten Stecken basteln. So können wir uns Koch-, Wasch- und Abwaschwasser holen, ohne jedes Mal zum Bach hinunterklettern zu müssen.

Was für ein farbiger, anstrengender, heißer Tag! Wir lassen ihn gemütlich ausklingen.

Bilder von Tag 5

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Kartenlink Tag 5

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*den Brunnen hatte ich übrigens versehentlich schon am vierten Tag erwähnt, doch unsere Bilder belegen, dass er erst am 5. Tag auftauchte. So viel also zu Fata Morganas.

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#flussnoten19 | Tag 4

26. Juni 2019

Was für ein schönes Schlafen unterm Sternenhimmel und was für ein angenehmes Erwachen im Bachbett! Da bekommt doch der Begriff Himmelbett gleich eine neue Bedeutung.

So langsam bin ich im Wanderleben, im Unterwegsmodus, angekommen. Diesmal habe ich eine ganze Weile gebraucht, mich aus dem Sorgenmachen-Alltagsmodus herauszuschälen, aus diesem Immer-etwas-Tun des Alltagslebens. Diese Lange-Weile hat mich die ersten Tage geradezu nervös gemacht. Da war auf einmal so viel Raum, so viel Leerraum, so viel Nichts und so viel Zeit, die ich mit meiner puren Anwesenheit füllen konnte. Fast hatte es mich überfordert, fast hätte ich gerne meine Nase in ein Buch gesteckt und mich mit Geschichten abgelenkt. Doch genau das will ich auf solchen Wanderungen ganz bewusst nicht. Ich will einfach sein, mich aufs Gegenwärtige einlassen. Auch diese Umstellung braucht Zeit. Hier, im Flussbett liegend, wird mir klar, wie wertvoll diese Möglichkeit und Gelegenheit ist.

Nach einem kleinen Frühstück packen wir unsere Sachen und machen uns auf den Weg. Die Morgenkühle will genutzt werden, denn schon bald wird es wieder heiß, sehr heiß. Nachdem wir den Weiler Boden durchquert haben, entscheiden wir uns für den schmalen Säumerpfad nach Innertkirchen. Ein toller Wanderweg, einer von denen, die ich besonders gerne wandere. Rauf und runter, mal steinig, mal Wiese … nur leider ohne jegliche Sitzgelegenheiten unterwegs. Kurzerhand bauen wir uns vor Innertkirchen selbst eine Bank aus Brettern und Stangen, die herumliegen.

Bis nach Innertkirchen zieht sich ein Stück unbewaldeter Weg. Die Hitze macht uns zu schaffen. Bei jedem kleinen Schattenfleck ruhen wir uns aus, trinken Wasser. Ich ziehe Socken und Schuhe aus und lasse mich trocknen. Verdunsten viel eher, denn als wir uns einmal auf den schattigen Boden vor einem Haus gesetzt haben, hinterlassen wir beim Aufstehen zwei Wasserlachen.

Minimal abgekühlt, aber bald schon wieder so verschwitzt wie zuvor, erreichen wir schließlich den Friedhof Innertkirchen, wo wir unsere Wasserflaschen am Brunnen auffüllen und uns unter einem großen, Schatten spendenden Baum erholen. Die Überwindung, dieses kleine Idyll wieder zu verlassen und im nahen Laden einzukaufen, ist groß. Wir schaffen es dann doch irgendwann. Und wir schaffen es sogar durchs Dorf, der inzwischen begradigten Aare entlang Richtung Aareschlucht, zu wandern. Schon wieder ohne Schatten. Schon wieder sind wir reif für ein Bad. Schließlich finden wir ein paar Felsen, auf denen wir es uns bequem machen, allerdings nur kurz, denn hier hat es viele Bremsen.

Später, in der Aareschlucht, wird es kühl sein, ermutigen wir uns, doch bis zum Eingang müssen wir eine steile Treppe ersteigen. Auf die vielen Touristinnen und Touristen, die das gleiche Tagesziel wie wir haben, bin ich nicht gefasst. Soo viele! Dass die Aareschluch so ein Musst-du-gesehen-haben-Event ist und sogar Eintritt kostet, macht mich ein wenig mürrisch. Ich hatte an die Rheinschlucht gedacht. Die ist einfach. Die kann man einfach so anschauen. Natur eben.

Nun denn, hier waren wir also, und wir mussten auf die andere Seite. Also mittendurch. Auf Holzstegen und durch höhlenartige Gänge. Immerhin schön kühl war es. Und ja, sehr beeindruckend war es auch. Dennoch fühlte ich mich nicht so richtig wohl. Zu viele Menschen. Ich tue mich ja immer ein wenig schwer damit, wenn Natur derart vermarktet wird. Andererseits müssen diese Wege ja auch unterhalten werden.

Auf der anderen Seite angelangt, hängen wir sehr lange müde vor dem Gebäude auf dem Grill- und Spielplatz herum und studieren die Karten. Wo man hier wohl wild zelten könnte? Das Gebiet hier ist, je näher wir dem Brienzersee kommen, desto dichter besiedelt. Zwischen hier und Meiringen kaum freies Land. Und allzuweit wandern mögen wir auch nicht mehr.

Nachdem die Schlucht für diesen Tag geschlossen ist, lassen wir uns schließlich an einer der Grillstellen nieder, die zwischen Aareschlucht und nächster Siedlung in einem kleinen Wald direkt an der Aare angelegt wurden.

Irgendlink füllt den Wassersack in der Aare und hängt ihn in einen der Bäume. Später, als es ruhig und schon fast dunkel ist, gönnen wir uns eine erfrischende Dusche. Das muss so, genauso, nach einem dieser Tage, die sich am besten im und am Wasser überleben lassen.

Bilder von Tag 4

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Kartenlink Tag 4

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#flussnoten19 | Tag 2 und Tag 3

24. Juni 2019

Es geht eigentlich noch so mit Muskelkater, denke ich, als ich mich am nächsten Morgen aus dem Schlafsack schäle. Wie immer habe ich die erste Zeltnacht der Tour nicht so toll geschlafen. Die Umstellung von breitem Bett zu schmaler Matte braucht Zeit, außerdem ist auch das Wanderzelt schmal. Ich male mir aus, wie ich – noch schlafsackwarm – aus dem Zelt krieche und mich unter den nahen Aarewasserfall stelle.

Hm, wie klettert frau gleich wieder aus dem Zelt heraus? Außerdem ist die Wiese, die gestern noch ’nur ein bisschen feucht’ war, heute Morgen ziemlich nass. Unser Glück – oder nennen wir es Irgendlinks Erfahrung – ist es, dass wir das Zelt an der trockensten Stelle auf der ganzen Wiese aufgebaut haben.

Nun ja, aus der Wasserfalldusche wird schließlich nur eine kleine erfrischende Katzenwäsche und nach dem Frühstück wandern wir auch schon bald los. Immer weiter der Aare nach. Kleine Wasserfälle. Furten. Brücken. Pausen machen wir recht häufig, denn noch immer sind wir in der Phase des Umstellung. Und so langsam setzt dann doch noch der Muskelkater ein. Da hatte ich mich also am Morgen zu früh gefreut. Bei jeder Pause ziehe ich schnell die Schuhe aus, bade – wann immer möglich – die Füße, lasse sie und die Socken trocknen. Meine bewährte Blasenprophylaxe. Irgendlink badet seine Füße sogar in einem Wasserbecken, das die Aare über viele Jahre in einen Fels geschliffen hat.

Bei der Alp Handegg rasten wir, essen Eis, kaufen Bergkäse, entscheiden, dass wir genug Vorräte dabei haben, um zum Gelmersee hoch fahren und dort oben übernachten zu können. Den Wanderweg zum Bergstausee haben wir nämlich eine Stunde vorher verpasst.

Die Gelmerseebahn lockt – Irgendlink vor allem – und die erwartete Schönheit der Bergwelt. Über eine lange Hängebrücke klettern wir über die Aare zur Bahnstation. Vielleicht, wenn ich  gewusst hätte wie steil es ist, vielleicht hätte ich gekniffen. Aber zum Überlegen bleibt nicht viel Zeit. Zack, ein Ticket gekauft. Zack, in die Bahn gestiegen. Den schweren Rucksack auf dem Schoß sitzen wir in einer der hinteren Reihen und bekommen von der Fahrt nicht viel mehr als das Kreischen der Mitreisenden und die Enge der Bahn mit. Und das Gewicht des Rucksacks auf dem Schoß.

Immerhin werden wir oben für diese Mühsal großzügig entschädigt: Der See ist wunderschön, still, sauber, klar. Wir wandern über die Staumauer auf die andere Seite, wo es nicht mehr so viele Menschen hat. Wir überlegen, wo wir zelten könnten, spazieren ein wenig herum, schauen da und schauen dort und irgendwann – nach der letzten Bahn – sind wir ganz allein oben am Gelmersee.

Zwischen Felsen, an einem sandigen Plätzchen, bauen wir unser Zelt auf und kochen uns ein feines Abendessen. Es ist sehr schön, sehr still. Eine ruhige Nacht. Trotz Muskelkater schlafe ich tief und erholsam.

Bilder von Tag 2

25. Juni 2019

Wir werden früh wach. Etwas, das mir im Alltag nie so richtig gelingt. Es ist denn auch ein ganz anderes Wachwerden als das Wachwerden im heimischen Schlafzimmer. Eine Klarheit, die so gar nicht Morgenmuffliges an sich hat. Wir kochen unsere Heißgetränke und genießen das Morgenlicht. Die Sonne steigt über die Berge und verglitzert das Wasser. Ich fühle mich leicht und froh. Das Funkloch verunmöglicht Twittereien, was durchaus auch irgendwie schön ist. Ein Blick auf die Uhr bestätigt uns, dass wir die erste Bahn, 9:12, erwischen werden.

Wir sind allein. Die Ersten, die an diesem Tag abwärts fahren. Entsprechend müssen wir die Rucksäcke nicht auf den Knien festhalten und können uns in die allervorderste Reihe setzen. Und ja, die Fahrt ist gruslig. Denn dieses Steil, diese hundertsechs Prozent, ist wirklich steil.

Ich bin schließlich froh, als wir unten ankommen. Hier warten auch bereits einige Menschen auf die Fahrt nach oben.

Wir wandern zurück über die Hängebrücke und von da aus weiter Richtung Guttannen. Der Temperaturunterschied von oben nach unten ist deutlich spürbar und wir sind nun doch auch in der Hitzewelle angekommen. Zum Glück gibt es immer wieder Bäume. Und schließlich, ganz nahe der Aare, ein wunderbarer Kiefernwald (oder vielleicht sind es Tannen). Ich jedenfalls nenne dieses Wäldchen die Guten Tannen von Guttannen, den dorthin sind wir unterwegs.

Wir halten eine lange Siesta und messen fortan jeden Rastplatz an der Qualität dieses einen wunderbaren und letztlich unschlagbaren. In der nahen Aare fülle ich unseren Wasservorrat auf. Später wandern wir in Häppchen weiter. Wandern. Pause. Wandern. Und irgendwann langen wir in Guttannen an. Finden ’Regulas Dorfladen’ (mit Deppenapostroph, aber das kann ich hier nicht wiedergeben, zu viel innerer Widerstand) und decken uns das erste Mal seit Wanderbeginn mit neuen Lebensmitteln ein. (Und mit Bier. Eine Dose für zwei.) Eine große Schale Erdbeeren essen wir direkt auf der Bank vor dem Laden.

Weiter gehts. Weiter der Aare entlang. Der Muskelkater ist nur noch ein Nachhall, eine Art Echo. Schon vor Guttannen ist der Wanderweg identisch mit der Landstraße und entsprechend geteert. Eine ganze Weile gehen wir auf Teer. Und wenn es etwas gibt, das ich beim Wandern wirklichwirklich hasse, dann das: Teer. Meine Füße fangen schnell an zu brennen.

Wir setzen uns auf eine Wiese, twittern ein wenig, dösen ein bisschen, und hoffen, dass wir später einen schönen Platz für die Nacht finden. Ich jammere auf Twitter über die Teerstraße und dass es nun bestimmt immer und immer so weitergeht.

Als wir weiterwandern, entdecken wir, dass der Teerweg nur wenige Meter nach der nächsten Kurve wieder in einen Kiesweg übergeht. So schnell haben sich meine Wünsche noch nie erfüllt!, sage ich.

Über Kuh- und Schafweiden folgen wir auf- und abwärtsgehend dem Verlauf der Aare und schließlich sind wir ihr wieder so nah, dass wir uns entschließen in ihrem Bett zu biwackieren. Für Zeltaufbau ist eh zu wenig Platz.

Wir baden im kühlen Fluss, waschen Kleider, kochen, essen und legen uns schließlich unter dem Sternenhimmel schlafen. Leise Angst, dass der Fluss über Nacht ansteigen könnte, ist da, aber – wie gesagt – nur ganz leise. Eine vollkommene Nacht mit Prachtsternenhimmel. Irgendlink zählt Sternschnuppen, während ich tief und fest schlafe und bei jedem kleinen Erwachen ehrfürchtig nach oben schaue.

Zack. Etwas fällt mir auf die Wange. Ein Tier? Ein Meteorit? Eine Sternschnuppe gar? Keine Ahnung. Jedenfalls blute ich und am Morgen entdecke ich eine kleine Wunde. Tja. Auch das ist Natur.

Bilder von Tag 3

Lest gerne auch Irgendlink über Tag 2 + 3 unserer Wanderung.


Kartenlink Tag 2 +3

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#flussnoten19 | Tag 0 und Tag 1

22. Juni 2019

Wir haben fertig gepackt. Ich bin, wie oft in solchen Momenten, hibbelig, dünnhäutig, aufgeregt. Nicht nur der bevorstehenden Fernwanderung wegen, eher noch darum, weil ich noch niemanden gefunden habe, der zwei Wochen lang meine Topfpflanzen auf der Terrasse gießt. Ja, okay, Luxusproblem, aber ich liebe sie eben alle, und ich möchte sie darum nicht verdörren lassen. Zumal ich alle selbst gezogen habe oder – im Falle von Yucca, Friedensbaum und Zyperngras – aus winzigen Pflänzchen aufgezogen. Diesmal steht von den drei Frauen, die bisher, wenn ich einige Zeit wegfuhr, meine Pflanzen gepflegt haben, keine zur Verfügung. Meine Schwester, die über zwanzig Kilometer entfernt wohnt, würde zwar zur Not einspringen. So erleichtert ich über ihr Angebot bin, kann ich mich darüber doch nur bedingt freuen, denn der Aufwand wäre ja schon ziemlich groß. Hoffentlich meldet sich der Nachbar noch, dem ich ein Briefchen in den Kasten gelegt habe.

Beim Packen des Wanderrucksacks stelle ich außerdem fest, dass sich meine neue bpa-freie Wasserflasche ja gar nicht außen am Wanderrucksack anhängen lässt. Die Daniela-Düsentrieb-in-mir muss sich also eine Lösung ausdenken.

Irgendlink kommt auf die Idee, altes Gummischlauch-Gummiband zu verwenden. Was ein Superidee ist! Daran befestigte ich schließlich mit Schnur einen Rucksack-Klettversuchluss und fertig ist die Aufhängung. Die sich notabene sehr bewährt hat! In Konjunktion mit dem seitlichen Anzurrband des Rucksacks perfekt und leicht zu handhaben.

Gegen Mittag fahren wir los ohne dass ich von meinem Letzte-Hoffnung-Nachbarn etwas gehört hätte. (Er meldet sich erst am nächsten Tag, da er selbst in den Ferien gewesen ist, und schreibt: Klar gieße ich, kein Problem!)

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Endlich im Auto Richtung Berner Oberland. Ich brauche diesmal lange, bis ich vom Aufgeregt-Modus in den Ferien-Modus wechseln kann.

Den ersten Halt legen wir auf ’meinem’ Berner Friedhof ein. Lars’ Gärtlein. Ein lauschiger Platz. Ein trauriger Ort. Erinnerungen.

Erinnerungen bilden – im Nachhinein betrachtet – bei mir den roten Faden unserer Aarewanderung. Oft schwere, schmerzhafte Erinnerungen, die ich mit neuen, leichteren Erfahrungen zu ergänzen versuche. Integration. Altes und Neues zusammenbringen. Miteinander verweben. Dem Leichten erlauben, Schweres zu lichten.

Wie wir ab Bern über Land Richtung Thun weiterfahren, kommt uns spontan die Idee, ein Bad im Gerzensee zu nehmen. Wo wir doch schon fast daran vorbei fahren. (Dass wir zehn Tage später zu Fuß dort hinauf wandern würden, ahnen wir damals nicht.)

Im Gerzensee, der eigentlich ja nur Einheimischen vorbehalten ist und der einer meiner Lieblingsplätze aus meiner Zeit in Bern ist, tauche ich ein bisschen tiefer in den Ferien-Modus ein, wasche den Druck der letzten Wochen und Monate ein wenig ab. Dort, im noch angenehm kühlen Wasser, auf dem Rücken liegend, den Himmel und die Wolken betrachtend, beginne ich, mich einzulassen. Auf das Kommende. Auf das Seiende.

Fast auf die abgemachte Minute genau treffen wir abends bei M. und B. in Steffisburg ein. Die beiden Lieben haben uns angeboten, während wir die Aare erwandern, unser Auto zu hüten. Was für ein gemütlicher Abend mit meinem früheren Flüchtlingszentrum-Arbeitskollegen M. und seiner Partnerin B..

23. Juni 2019

Spontan beschließen die beiden, uns am Sonntagmorgen auf die Grimsel zu fahren, da sie schon lange nicht mehr dort oben gewesen seien. Für uns ist das ein Glücksfall, hätten wir doch mit dem öffentlichen Verkehr viel länger gebraucht, zigmal umsteigen müssen und dafür obendrein noch ziemlich viel Geld ausgegeben. (Leider ist für Menschen mit wenig Geld der öffentliche Verkehr schier unbezahlbar geworden.)

Irgendlink fährt mit uns genau jene Strecke, die wir Tage später wandern würden – wenn auch größtenteils auf anderen Wegen: Am Thunersee dem Nordufer und am Brienzersee auf der Autobahn dem Südufer entlang. Tage später werden wir immer mal wieder sagen: Das hier sind wir alles gefahren!

Ab Brienz nimmt der Sonntagsausflugsverkehr groteske Ausmaße an. Vor allem die Motorradfahrenden fallen negativ auf. Zwar fahren die meisten seriös, doch manche lassen die Motoren aufheulen und ihre Anti-Potenz hörbar machen, fahren aggressiv am Geschwindigkeitslimit, überholen an unübersichtlichen Stellen. Ein Eiertanz. Kurz: Die Passstraße ist sonntagslaut-laut-laut. Und ja, wir sind natürlich auch Teil dieses Lärms.

Die kurvige Straße steigt stetig an, ähnlich dem Druck in meinen Ohren. Und auf einmal sind wir oben. Passhöhe. Fast 2000 m ü. M. Weite. Menschen. Reisebusse. Autos. Motorräder. An vielen Stellen liegt noch Schnee. Im Grimselsee schwimmen Eisschollen.

Auf der Grimsel: Schwarze Bergspitzen mit Schnee garniert, Weite, blauer Himmel
Auf der Grimsel: Schwarze Bergspitzen mit Schnee garniert, Weite, blauer Himmel

Nach einem kleinen Rundgang fahren wir wieder zurück bis zu einer Stelle, an der sich gut anhalten lässt und von der aus wir gut den ersten Wanderweg erreichen können.

Abschied. Erste Bilder. Winken. Macht es gut, habt es gut, Danke!

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Hier beginnt sie nun, unsere Wanderung. Eigentlich wären wir gerne zur Grimselseestaumauer hochgestiegen, doch die Schneefelder bremsten uns aus. Also abwärts. Zum Rätischbodensee, dem ’zweiten Grimselsee’, hinunter. Bisschen Straße, bisschen Wiese um die Straßenserpentinen abzukürzen. So richtig Wanderweg ist es erst ab Rätischbodensee, den wir auf seiner linken Seiten umwandern. Umwandern wollen.

Ein schöner Weg, den wir da gehen. Überall gurgeln und blubbern kleine Bächlein, die das Schmelzwasser entstehen lässt. Die Luft ist klar, der Himmel blau. Lunge und Seele atmen auf. Die Warnung vor Schneefeldern ignorieren wir nonchalant. So schlimm können die ja wohl nicht sein!, denken wir. Jedenfalls schaffen wir die ersten beiden ohne nennenswerte Probleme. Ich rutsche zweimal aus und lande im Schnee. Wie ein Käfer auf dem Rücken brauche ich Irgendlinks Hilfe beim Aufstehen. Der noch ungewohnte, schwere Rucksack nagelt mich am Boden fest. Dennoch, wirklich schlimm ist das nicht und wir wandern zuversichtlich weiter, weiter, weiter. Schön ist es hier, komm, weiter, weiter, noch mit der Unruhe der letzten Tage im Nacken … noch nicht im eigenen Tempo angekommen. Noch ungewohnt. Noch nicht im Jetzt.

Auf einmal liegt es vor uns, dieses Schneefeld, das wir nicht überqueren können. Zu breit. Zu schräg von oben links nach unten rechts in den See ragend. Eine Rutschbahn, die tödlich enden könnte. Ein falscher Tritt und du versinkst im Schnee oder rutscht ab und gleitest in den See. Nein. Geht nicht. Zu gefährlich. NEIN.

Also zurück auf Anfang. Zum Beginn des Wanderwegs. Alternativen zum nicht eben ungefährlichen Gang über die vielbefahrene Passstraße gibt es keine, aber wir könnten, so überlegen wir, damit wenigstens bis am Montagmorgen warten, denn jetzt fahren einfach zu viele Autos. Und vor allem zu viele Motorräder.

Eine Familie – Mutter-Tochter-Vater –, die ebenfalls am Schneefeld umgedreht ist, winkt uns zu, als sie uns zurückkommen sieht. Die Mutter deutet auf das Familienauto, das sie im einer Bucht am Anfang des Wanderweges geparkt haben. Sie deutet auf uns. Deutet an, dass wir als Mitfahrende willkommen seien. Wir recken die Hände. Signalisieren ein Ja. Mit Ausrufezeichen. Was für ein Glücksfall! Am Ende des Sees, an der Staumauer des Rätischbodensees, bedanken wir uns herzlich bei unserem Fahrer und seiner Familie und wandern zum nahen Wanderweg.

Schon bald finden wir einen schönen Platz für eine längere Pause. Eine immense Müdigkeit – dem ungewohnten Rucksackwandern ebenso geschuldet wie den letzten Tagen und Wochen, die dicht gewesen waren – macht sich in mir breit.

Wir beschließen, zunächst noch ein Stück weiter weg von der Staumauer mit ihrem großen Parkplatz und den Gebäuden zu wandern, aber uns baldmöglichst einen passenden Lagerplatz zu suchen. Es ist bereits etwa sechs Uhr und wir wollen es ja am ersten Tag nicht übertreiben.

Der signalisierte Wanderweg führt theoretisch über die reissende junge Aare, will heißen über eine den reissenden Aarebach querende Brücke, doch diese fehlt. Rechts und links der Aare felsiges Geröll, das ein improvisiertes Übersetzen verunmöglicht. Also bleibt uns nichts anderes übrig, wenn wir nicht erneut den ganzen Weg zurück zur Straße gehen wollen, als einen großen Bogen zu machen, um über Umwege auf den Wanderweg zurückzukehren.

Mehr schliddernd als absteigend gelangen wir eine Ebene tiefer und finden dank Navigationsapp wieder zurück zum Wanderweg. Diesem durch relativ feuchtes, hochalpines Grasland auf und ab folgend, suchen wir nach einem Platz für die Nacht, ein Stück relativ ebenes Land, nicht zu feucht, nicht zu felsig. Etwas abseits vom Weg werden wir schließlich fündig und bauen auf der trockensten und flachsten Stelle einer vom Schmelzwasser feuchten Wiese das kleine Wanderzelt auf.

Wir kochen uns eins der mitgebrachten Fertig-Gerichte – eine Reispfanne – und essen dazu Karottensalat. Wie köstlich es doch schmeckt, wenn man in der freien Natur gekocht hat.

Weil wir in einem der seltenen Funklöcher sind, spazieren wir nach dem Essen noch ein wenig zurück zu ein paar schönen Felsen, die wie Sofas am Wegrand liegen. Abendsonne. Weite. Sonnenuntergang. Und ja, so langsam komme ich an. In den Bergen. In der Natur. Im Hier.

Langsam wird es kühl. Die angekündigte Hitzewelle ist noch nicht auf der Grimsel angekommen. Wir schlüpfen müde in unsere Schlafsäcke und verbringen eine akustisch einzig vom Rauschen des nahen Aarewasserfalls untermalte erste Zeltnacht.

Bilder von Tag 1

Lest gerne auch Irgendlink über Tag 1 unserer Wanderung.


Kartenlink Tag 1

[googlemaps https://www.google.com/maps/d/embed?mid=18cb19-0q2dHBSe1eriS22tBy7K9r7H3N&w=640&h=480]

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