Warum überhaupt?

»[Ich habe] die Verantwortung dafür, daß Etwas festgehalten wird,« schreibt Emil*. Es geht um Gedachtes, Erkanntes, Erlebtes. Es geht um das Bedürfnis, schriftlich und verarbeitend festzuhalten, was war, was in uns ist, quasi Chronist:in der eigenen Geschichte zu sein.

Zuerst nicke ich, doch schon gleich steigt eins meiner typischen Ja-aber in mir auf. Da sind die Fragen nach dem Für-Wen und dem Wozu, die mich anspringen.

Ich persönlich mache mir da nichts mehr vor: Mein Geschreibsel hat letztlich nur für mich Bedeutung und auch das nur für die Jetzt-Zeit. Oder vielleicht für später einmal, für einen reflektierenden Rückblick. Aber vermutlich ist das genug, jedenfalls was die Verantwortung für das Festhalten von Dingen wie Gedachtes, Erkanntes und Erlebtes betrifft.

Und irgendwann wir die Zeit des Loslassens kommen und vermutlich können wir erst dann loslassen, wenn wir einmal etwas gehalten und gehabt haben, das sich festzuhalten lohnte. Für eine Weile. Vielleicht gelangen wir nur über das Festhalten zum Loslassen, welches ja angeblich so lohnend ist und so befreiend. Ist es nicht sogar der Weg der Natur? Wie die Bäume, die ihre Früchte und ihr Laub wachsenlassen, festhalten und irgendwann fallen lassen, um neuen Platz zu schaffen. Immer und immer wieder von Neuem.

Vielleicht wären wir ohne solche Gedanken, ohne solche Reflektieren selbst für uns ganz und gar bedeutungslos und wäre das wirklich so schlimm, für uns ohne Bedeutung zu sein, sozusagen frei von Deutungen, befreit und losgelassen vom Drang etwas darstellen zu müssen?

Doch wer bin ich noch ohne all das Gedachte, Erkannte, Erlebte, Interpretierte, Gedeutete und Reflektierte? Bin ich überhaupt noch und warum auch nicht?

Machen meine Fähigkeiten und Kenntnisse denn wirklich mein Sein aus? Dass ich etwas zu erzählen habe – mir oder anderen –, dass ich mich an Vergangenes erinnern kann, dass ich auf etwas vielleicht Kommendes hoffen kann, dass ich …

[Spoiler: Nein, natürlich nicht! Es braucht nur meine Erlaubnis.]

Wir stellen unglaublich viele Bedingungen fürs Sein an uns. So viele Hindernisse haben wir uns aufgebaut, bevor wir uns endlich das Sein um des Seins willen erlauben können!

Bedingungsloses Seindürfen – wie so eine Katze – das wär schön.

(Miss you, Miss Mietze.)


*Danke, Emil!

Notizen am Rande #7

Spuren hinterlassen oder doch lieber nicht.
In der Natur.
Als Mensch.
Spuren welcher Art?

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Ich glaube sehr an die Natur und ihre Ordnung. Ich glaube an den Trost der in der natürlichen Ordnung, in den Naturgesetzen liegt. Mich tröstet der Gedanke daran, dass alles zusammenhängt und wie alles in sich selbst ordentlich aufgebaut ist. Alles Lebendige folgt einer ihm selbst innewohnenden ästhetischen Ordnung. Nehmen wir das Muster der Sonnenblumenkerne im Kopf einer Sonnenblume. Oder menschliche Zellen. Oder wie ein Baum im Laufe des Jahres funktioniert. Die Natur mit ihrer Vergänglichkeit, mit ihrem Talent zur Erneuerung. Werden und Vergehen. Regeneration. Jahreszeiten. Zyklen. Rhythmen. Ja, daran glaube ich. Immer noch.

Da steckt für mich keine übergeordnete, göttliche Intelligenz drin, das ist für mich die Natur der Natur. Inbegriffen darin ist Erholung, nennen wir es Heilung, nach schlimmen Erfahrungen. Regeneration, die aber nicht zwingend geschehen muss, denn die Bedingungen sind oft nicht ideal. Weder im Wald noch im menschlichen Körper oder in der menschlichen Seele. Aber manchmal geschieht sie eben doch.

Manchmal.

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Nichts zurücklassen
versus
viel zurücklassen.

Was zurücklassen?
Was loslassen?
Was festhalten und warum?

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Sein hat mehr Aggregatszustände zu bieten als Genuss.

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Kein Verständnis dafür haben, wenn Krankheiten gegeneinander aufgerechnet werden.

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Sein ist nicht nichts.

Von Möchtegern-Wahrheiten

Er will bestimmt zum Wehr spazieren, zur Brücke bei der alten Spinnerei. So notiere ich es mir ins Handy. Keine fünf Minuten nachdem wir das Haus verlassen haben. Ziel: unbekannt. Einzig haben wir abgemacht war, dass er heute sagen würde, wohin wir wandern. Tags zuvor hatte ich nämlich die Route unseres Spaziergangs gewählt. So machen wir es zuweilen, wenn beiden egal ist, wo wir hin gehen, Hauptsache, ein bisschen raus. Hauptsache, ein bisschen die Füße vertreten.

Hätte ich nicht gesagt, dass ich wisse, wo es ihn hinziehe, als er die erste Richtungswahl vor dem Haus getroffen hat – ganz rechts, den Rain abwärts – wären wir ziemlich sicher genau dort gelandet. Beim Wehr. Bei der alten Spinnerei. Wie von mir vorausgesagt. Vielleicht ziemlich sicher.

Hätte ich nichts gesagt, hätte er nicht geantwortet. Hätte er nicht gesagt: Bin ich so leicht vorhersehbar? Und ich hätte wohl auch nicht lachend mit: Nicht immer, nur heute! geantwortet.

Wären wir woanders hin als da, wo wir hin sind, wenn ich nichts gesagt hätte? Und wenn ich nichts gedacht hätte? Oder wären wir doch genau dort, wo er – auf einer Metaebene, die ich nicht erahnen kann – im Grunde der Dinge die ganze Zeit schon hingewollt hatte?

So wandern wir also quer durchs Dorf, über eine Aarebrücke in die kleine Nachbarstadt, queren auch diese nur am Rand und sind schon bald am Fuß des Stadtberges. (Dass das ein Berg ist, wenn auch nur ein kleiner, merkt man erst, wenn man ihn ersteigt. Ansonsten würde ich Schweizerin ihn ja eher Hügel nennen. Schweizerische Bescheidenheit? Vergiss es. Oder gab es sie damals, als man den Hügel Berg nannte, vielleicht noch gar nicht?)

Am Fuße des Berges erneut die Diskussion, ob wir hier gelandet wären, wenn ich nicht gesagt hätte, dass ich weiß, wo es hingeht.
Ja, wir wären trotzdem hier gelandet. Weil selbst deine Aussage, du wüsstest, wohin es geht, meine Wahl im Voraus beeinflusst hat, Oder auch nicht, und ich einfach die ganze Zeit schon hier her wollte, sagt er.
Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Wir hätten unterwegs zig Möglichkeiten für neue Entscheidungen gehabt. Aber sicher bin ich mir nicht. Vielleicht ist es so. Vielleicht war es einfach unser Schicksal, hierher zu kommen?, sage ich.

Schließlich steigen wir auf einem kleinen, sehr steilen, sehr rutschigen Weglein den Berg hoch. Was für ein Abenteuer! Den Weg haben wir nur zufällig gefunden. War auch er unser Schicksal oder war es nur der Baumstamm, unser vorläufiges Ziel, auf den wir uns – oben angekommen – setzen um durchzuatmen? Wir keuchen und fühlen uns so gut, wie Erstbesteiger es immer tun.

Und nun: Rechts oder links? Rechts wäre wohl eine recht weite Wanderung zurück nach Hause, zumal es bereits eindunkelt. Also links? War auch das der Weg, den wir zu gehen hatten? Und wer oder was ist es, der oder das diese Wege weiß. Gibt es, wäre es so, denn überhaupt Wege, die wir wirklich-wirklich frei wählen können?

Ach, dieser mein Was wäre wenn-Determinismus, an den ich mal glaube, mal nicht? Oder gibt es sie doch, die Selbstbestimmung? Ich kann darüber nachdenken, so oft ich will und weiß hinterher weder mehr noch weniger. Und schon gar nicht, was wirklich wahr ist. Weil es womögliich, so dünkt es mich heute, kein wirkliches Wahr gibt, kein letztes zumindest. Oder doch?

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Der Determinismus (lat. determinare „abgrenzen“, „bestimmen“) ist die Auffassung, dass alle – insbesondere auch zukünftige – Ereignisse durch Vorbedingungen eindeutig festgelegt sind.[1] Die Gegenthese (Indeterminismus) vertritt, dass es überhaupt oder in einem bestimmten Bereich der Realität Ereignisse gibt, die auch hätten anders eintreten können.

In der heutigen Naturphilosophie wird üblicherweise „Determinismus“ spezifischer auf Ereignisse der Natur – oder einen bestimmten Bereich derselben – bezogen. Gestützt wird ein allgemeiner Determinismus zumeist durch die Annahme, dass strikte, nicht-probabilistische Naturgesetze über sämtliche natürlichen Prozesse regieren. Ob wiederum die besten physikalischen Theorien diese Annahme stützen, ist umstritten. Wenn geistige Zustände ebenfalls natürliche Zustände sind, scheint ein Determinismus Probleme für die Realität eines freien Willens zu erzeugen. Ob dieser Gegensatz besteht ist ebenso umstritten wie die jeweiligen Konsequenzen.

Quelle: Wikipedia

Über die Enden

Viele Enden habe ich schon in meiner Sammlung. Enden von Arbeitsstellen, letzte Tage in Wohnungen, letzte Tage von Ferienreisen, Enden von Beziehungen, Liebesgeschichten und Blumensträußen.

toteRose_wzDie letzten Tage naher Menschen auch – Mutter, Vater, Sohn. Dann die Enden von Büchern, Musikstücken und Filmen. Und von Texten, die ich selbst geschrieben habe.

Doch selbst nach so viel Erfahrung mit Enden bin ich immer zuerst hilflos. Nein, an Enden kann ich mich nicht gewöhnen, oder zumindest nicht an die Löcher, die sich jeweils mit ihnen in mir auftun. Löcher ohne Brücken.

Aber immer auf Vorrat Brücken mit mir herumtragen, nur damit ich im Notfall gewappnet bin, wenn das nächste Ende kommt, will ich nicht. So bleibt mir nichts anderes als warten, bis sie langsam zuwachsen. Ballast habe ich eh schon genug. Sogar (zu) viele Wörter schleppe ich mit mir herum. Wörter, die keinen Sinn ergeben, solange ich sie nicht ausgespuckt habe.

Ob sie danach noch immer Ballast sind, kann ich nicht sagen. Oder sind sie neue Anfänge, sobald sie aufgeschrieben sind – von mir, von andern? (Und spielt es überhaupt eine Rolle, wer die Wörter aufschreibt, an denen ich kaue?)

Dort drüben, jenseits der Brücke, die es mir diesmal aus Wörtern zu spinnen gelungen ist, lauern sie, die neuen Anfänge. Das weiß jedes Kind, denn jede Brücke ist eine Verheißung. Eine Verführung vielleicht. Drüben ist es anders, ist es drüben besser gar? (Was die Frage impliziert, ob ich über die Brücke gehen soll. Lohnt es sich, dieses Ende hier, so sehr, dass es den neuen Anfang rechtfertigt? Aber was sonst? Denn so weitermachen kann ich schließlich nicht, oder?)

Fragen wogen auf und ab. Wellen im Fragenmeer.
Flut. Ebbe.
Manchmal ertrinke ich.
Manchmal finde ich ein Stück Treibholz und ertrinke diesmal nicht.
Manchmal finde ich sogar ein Ufer.

Schon wieder ein neuer Anfang.

Ja, ich kann sie gut, die Enden, auch wenn sie mich hilflos machen. Und leer. Paradox, ja, und auch die Sache mit den Brücken ist suspekt. Vielleicht klappen sie, wenn ich mittendrin stehe, hoch und lassen zuerst einmal die Schiffe passieren, auf jenem Fluss unter meinen Füßen, der Anfang und Ende verbindet und den Weg zum Meer weiß, weil er ihn ist.

(écriture automatique, 3.6.14, überarbeitet)

Was Bloggerinnen tun, wenn sie nicht bloggen

Große Fragen stellen. Kleine Antworten finden. Spazieren gehen. Nachdenken. Schlafen. Lesen. Nichts. Wieder schlafen. Arbeiten. Zähne putzen. Zähne nicht putzen. Bier trinken. Kein Bier trinken, dafür Tee.

Sich mit den tollen Menschen der AutorInnengruppe treffen und über das Leben, die Liebe und die Literatur philospieren. Spinnen. Lachen. Kichern. Zugfahren. Und erneut ins Bett kriechen, um zu schlafen.

Am Wochenende am liebsten mit dem Liebsten die Zeit verbringen. Zusammen an ein afrikanisches Trommelkonzert gehen. Sich hinterher mit feinen Menschen treffen. Im Pastis über die Kunst spinnen.

Sonntags mit dem Liebsten “Urban Artwalken” und dabei Bilder sammeln. Heute in Bitche (Frankreich), hier gleich hier um die Ecke. Über Zerfall nachdenken und dessen Schönheit.

Am Tisch sitzen. Kochen. Essen.

Urban Artwalk Bitch 5-Collage-sm Urban Artwalk Bitch 6-Collage-sm

Zu Irgendlinks Collage unseres Artwalkes: bitte hier klicken.

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Bilder:
Appspressionismen (iPhoneArt)