Zwischen den Jahren 22-23 #1

Endlich haben wir dort, wo wir zwischen den Jahren hingefahren sind, wieder einmal ein paar Geocaches gehoben. Lange her seit den letzten Malen. Um es uns ein bisschen abwechslungsreicher zu machen, haben wir uns sogar für einen Monat ein Premium-Abo für 6.99 Euro gegönnt, denn inzwischen sind die schönsten Caches hinter einer Bezahlschranke.

Lange haben wir uns gegen diese kapitalisierende Maßnahme des doch eigentlich sehr naturnahen und versponnenen, so gar nicht gewinnorientierten Geocaching gewehrt, doch diesmal sind wir – temproär – eingeknickt.

Tupperdose mit blauem, feucht angelaufenem Deckelrand zwischen Moos und Steinen
Tupperdose mit blauem, feucht angelaufenem Deckelrand zwischen Moos und Steinen

Früher allerdings, damals, vor dreizehn Jahren, als mich der Liebste in Bern ins Cachen eingeführt hatte, war alles noch viel geheimer, komplizierter, nerdiger gewesen. Wir hatten uns noch gern gebückt und irgendwo im Dreck gebuddelt, um eine versteckte Dose mit einem Logbüchlein oder Logpapierstreifen zu finden. Wir hatten länger gesucht als heute und weniger schnell aufgegeben.

Inzwischen mögen wir ja am liebsten an Bäumen hängende Döschen, die  sich nach ein bisschen Suchen in Augenhöhe zeigen. Stehtischcacher*innen sind wir geworden, sagten wir dieser Tage zueinander, der Liebsten und ich, als wir uns dreimal überlegten, ob wir jetzt noch weiter nach einem offenbar irgendwo in Bodennähe versteckten Cache fahnden sollten. Und auf einmal sehen wir ihn, da, sieh doch! Wie konnten wir dieses Döschen, das da vor unseren Augen in der Efeuhecke baumelt, so lange übersehen?

Siebenundzwanzig neue Funde sind in den Tagen zwischen den Jahren dazugekommen. Die meisten davon in der Kategorie Mikro – also klein, kleiner oder etwa gleich groß wie eine Streichholzschachtel oder eine Filmrolle.

Niemand schaut mehr merkwürdig, wenn erwachsene Menschen sich mit Handys durchs Unterholz navigieren, an Steinmauern herumlungern oder unter Bänken tasten. Die App ist inzwischen recht genau geworden und hat die früheren GPS-Geräte abgelöst. Und Muggels, wie Nicht-Geocacher*innen genannt werden, stellen heute keine allzugroße Gefahr mehr dar. Die allgemeine Toleranz merkwürdigen Hobbies gegenüber scheint gestiegen zu sein. Obwohl es dann doch immer wieder Caches gibt, die von Uneingeweihten zerstört werden. Einen haben wir eine ganze Weile gesucht, nur um in den digitalen Logkommentaren zu eben jenem Cache ein Foto zu finden, das den kaputten Cache, auf dem Boden liegend, zeigte. Tja.

Die Vorteile? Wer sich geocachend eine vorher unbekannte Region vornimmt, kommt an Orte, an die normale Reiseführer nicht heranreichen. Oftmals werden Geocaches in Spazier- und/oder Wanderrunden ausgelegt, so dass du das eine – Wandern – aufs Angenehmste mit den andern – Geocaches finden – verbinden kannst. Und da wären wir beim einzigen mir einfallenden Nachteil. Manchmal bin ich nämlich so verpeilt mit Blick aufs Handy-Navi, dass ich fast schon vergesse, die Schönheit der Natur, durch die ich mich wandernd bewege, zu betrachten. Aber zum Glück nur manchmal.

Es hat uns beiden unglaublich gut getan, jeden Tag der letzten Woche draußen zu sein. Bei Wind und Wetter. Ein paar Bilder gibts im nachfolgenden, passwortgeschützten Blogartikel.

(Gern verrate ich euch dieses auf Anfrage.)

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Ach, und  was ich noch sagen wollte: Danke, dass ihr da seid. Alles Gute für das neue Jahr, das vor wenigen Tagen begonnen hat. Tut euch Gutes, achtet auf euch und eure Mitmenschen, bleibt so gesund wie irgendwie möglich und lasst euch nichts Schlimmes gefallen.
Und bleibt mir gewogen.

Alt wird neu – und immer weiter

Jetzt sind wir also drüben in der eben noch weitwegen Zukunft. Aber nein, wir sind doch immer in der Gegenwart, die letztlich illusorisch ist, denn kaum erlebt, ist sie schon vergangen.

Das erste Mal seit ich denken kann, schenkte ich dem Jahreswechsel kaum Aufmerksamkeit. Keine großen mentalen Vorbereitungen. Keine Karten zum Jahreswechsel. Keine geplanten Neujahrsansprachen im Blogformat. Und der histaminfreie Versecco, mit dem wir angestoßen haben, stammte sogar noch vom Vorjahr.

Kurz und gut: Da ist wenig Ambition in Sachen 2022, dass das neue Jahr so viel anders und so viel besser werden könnte als das letzte. Obwohl das vergangene so schlecht auch nicht war. Es war einfach. Es hat stattgefunden und wir haben uns rund um die Pandemie so gut es eben geht eingerichtet. Haben uns mit den Ängsten und Gefahren arrangiert. Haben Erfahrungen gemacht und Erlebnisse gesammelt. Vieles war gut, vieles war doof, vieles war ungewohnt.

Und ausgerechnet an einem der letzten Tage des Jahres passiert Irgendlink und mir dann etwas ziemlich Verrücktes. Mein Autoradio ist seit etwa einem Monat am Zicken und seit einer Woche konnte ich noch nicht einmal mehr die Lautstärke regulieren. Hörbücher via Handy zu hören, ging nicht mehr. Kurz gesagt: Doof.

Kurzerhand guugelte ich Radioreparatur-Anleitungen und recherchiert was ein gebrauchtes Ersatzradio kosten würde. Ich sagte zu Irgendlink: Lass uns mal testweise gucken, ob wir das Radio überhaupt ohne professionalle Hilfe ausbauen können. (Kleiner Hintergedanke dabei war natürlich, dass da vielleicht nur ein Kabel falsch eingestöpselt sein könnte, das wir wieder einstöpseln könnten.) Das taten wir. Alle Kabel sahen richtig verortet und in Ordnung aus, weshalb wir das Radio wieder einbauten. Siehe da – alles geht wieder! Alles.

Fazit: Manchmal hilft ein Neustart. Schön wär’s, wenn wir das im Leben auch so einfach könnten …

Bloß klappen Neuanfänge selten ohne Umdenken und Veränderungen. Wie sagte doch Albert Einstein so schön (oder vielleicht auch seine Frau, bei der er ja ziemlich viel abgekupfert haben soll):

»Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu lassen und gleichzeitig zu hoffen, dass sich etwas ändert.«

Sinngemäß haben wir uns die letzten Tage oft über den Inhalt dieses Satzes unterhalten, ohne ihn zu kennen. (Gelesen habe ich ihn nämlich erst neulich das erste Mal auf Twitter.)

Wie bereit sind wir, uns zu verändern, anders gesagt: Brauchen wir erst einen gewissen Leidensdruck, um etwas zu verändern? Und lässt sich wirklich alles verändern, was auf der Seele drückt oder im Körper zwickt?

Und was ist mit den andern, denn wir alle tragen ja auf die eine oder andere Weise Verantwortung für unsere Mitmenschen. Darüber sprachen wir, als wir gestern Nachmittag zu unserm Freund S. fuhren, der dem Virustod von der Schippe gesprungen ist. Kurz zuvor war Freundin S. kurz vorbeigekommen, die sich aktuell neben ihrer eigenen Trauer um den verstorbenen Vater intensiv um ihre verwitwete Mutter kümmert.

‘Das eigene Leben temporär hintanstellen’ ist also dieser Tage immer mal wieder Thema bei uns. Man kann sich ob all der Bedürfnisse und Bedürftigkeiten anderer, um die wir uns kümmern, geradezu verlieren, sagen wir zueinander. Wichtig ist doch, sagt der Liebste, dass wir uns dieser Gefahr bewusst sind. Dass solche Vorgänge mitgedacht werden, während sie geschehen. Zwar werde ich phasenweise buchstäblich zum andern, aber ich bleibe dennoch ich selbst, weil ich das Geschehen verstehe. Genau das ist, finden wir, die ganzgroße Herausforderung, Ich-Sein im Wir-alle-Sein, denn niemand ist eine Insel – es sei denn sie oder er lebe einsiedlerisch und autark. Wir sprechen über all die Einflüsse, die uns formen und verändern, über Wirkung und Ohnmacht. Manches geht, manches eben nicht.

Silvesterspätnachmittag. Wir waren vor 13 Uhr noch schnell in den Bioladen gehuscht, dessen Öffnungszeiten ich im Internet erfragt hatte. Ich kaufte ein paar Vorräte für meine histaminfreie Brotbäckerei. Das gleiche Internet, das mir die korrekten Öffnungszeiten des Bioladens verraten hatte, behauptete, dass unser bevorzugter Supermarkt bis 21 Uhr geöffnet sei – ja, trotz Silvester! Also planten wir, nach unserm kleinen Wanderausflug nach Bitche, dort noch schnell unsere Gemüse- und Käsevorräte aufzustocken.

Den Ausflug genossen wir sehr. Ferien spielen nennen wir solche Ausflüge zuweilen.

Auf dem Heimweg steuerten wir Supermarkt 1 an. Geschlossen. Auch Supermarkt 2, unser bevorzugter, war zu, als wir dort aufschlugen. Tja. Selbstverständlich gönne ich den Kassiererinnen ihren frühen Feierabend. Sehr sogar. Dennoch hat mich die Angelegenheit verstört. Zum einen natürlich ganz materiell, weil wir unsere Vorräte nicht auffüllen konnten und nun drei Abendessen würden aus Bordmitteln bestreiten müssen,  zum anderen aber, weil im Netz falsche Öffnungszeiten verbreitet worden waren. Das ist mir tatsächlich bisher noch nie passiert. Klar stimmt nicht alles, was das Internet sagt, kein Thema. Aber Öffnungszeiten? Bitte, Internet, bitte nicht auch noch die Öffnungszeiten verfälschen!

Was ist eigentlich noch selbstverständlich? Wie twitterte ich neulich?

Ein gutes Neues wünsch ich euch. Leben, Jahr oder was immer ihr euch gerade gut und neu wünscht.

Cartoon. Dialog zwischen Cowboyskelett und Vogel, beide auf Fässern sitzend. Skelett sagt: Eigentlich kann es ja nur besser werden, ne? Vogel antwortet: Machen wir das Beste draus?! Gutes Neues!