Mein Minitraumhaus und was die Gehirnforschung erkannt hat

Anders zu leben hat mich immer interessiert und auch immer auszuprobieren gereizt. Vielleicht weil ich schon als junge Frau gemerkt habe, dass ich mir vom Leben mehr erhoffe als Arbeiten zu gehen um Dinge zu besitzen (auch wenn sich das durchaus gut anfühlen kann und uns eine Art Sicherheit vermittelt, die uns eben ein gutes Gefühl gibt).

Immer aber hat mich das, was hinter dem Vorhang ist, mehr interessiert als das Offensichtliche.

Das vermeintlich Offensichtliche, Vordergründige hat mich sogar oft eher verwirrt und überstimuliert als genährt. Fassaden, Maskeraden und Verkleidungen stossen mich geradezu ab. Warum das so ist, kann ich aber nicht genau sagen. Möglicherweise weil ich in meinem Leben bereits viele krasse Diskrepanzen zwischen Außen und Innen, zwischen Aussage und Handlung gesehen habe.

Nun ja, mit Diskrepanzen lebe ich ja selbst. Obwohl ich ein gewisses Maß an Comfort nicht missen, träume ich zuweilen dennoch davon, noch einfacher zu leben als ich es bereits tue. Und seit es Tiny Houses gibt – seit sich die Minimalismusbewegung auch aufs Wohnen ausgebreitet hat –, verfolge ich diese Trends aufmerksam. Obwohl ich ja wenig von Trends und Hypes halte.

Tiny Houses? Das sind, wie der Name sagt, kleine Häuser, oftmals auch mobile, die – ähnlich wie Wohnwägen – auf kleinstem Raum alles bieten, was wir zum Leben brauchen. Das Spannende daran: Diese Bewegung fokussiert immer mehr die Entwicklung autarker Kreisläufe (Wasser- und Strom-Kreisläufe, die sich selbst erhalten) und eine immer natürlichere Bauweise (zum Beispiel hier → klicken).

Innenraum eines Minihauses

Obwohl ich also manchmal von ganz viel Platz träume, sehne ich mich manchmal auch nach Reduktion. Vielleicht auch, weil ich weiß, dass ich mit dem Luxus von sehr viel Raum nicht gut umgehen könnte. Nicht solange so viele andere Menschen zu wenig von allem zum Leben haben. Was vielleicht auch einer der Gründe ist, warum mich anders zu leben schon immer angesprochen hat. Anders leben heißt für mich unbedingt auch nachhaltiger und bewusster zu leben, den eigenen ökologischen Fußabdruck klein zu halten, innen und außen mehr in Übereinstimmung zu bringen. Zufriedener werden, im Bewusstsein, dass es eben nicht die Dinge sind, nicht der Besitz, nicht das Haben, nicht das Wollen ist, das uns glücklich macht. Im Gegenteil sei sogar das Habenwollen eine Folge von Unzufriedenheit. Sagt jedenfalls Hüther sinngemäß in einem Interview, das ich auf Utopia gefunden habe. In diesem Text erklärt Dr. Gerald Hüther – ausgehend von der Gehirnforschung, der er sich ausgiebig widmet –, wie unsere innere Haltung unser Verhalten beeinflusst. Zwar geht es in diesem Text vordergründig um Nachhaltigkeit und um unser Verhalten im ökologischen Kontext, doch letztendlich plädiert er vor allem für eine positive innere Lebenshaltung – basierend auf unserem Selbstbewusstsein von Würde. Von einem respektvollen Umgang mit uns selbst in Würde.

Weil: Wer glücklich ist, kauft nicht.

 

Guckt ihr bei ’Tod’ weg?

Der Tod macht uns Angst. Wir gucken weg. Dabei ist es gar nicht der Tod an sich, der böse ist und der uns Angst macht, sondern es ist die Lücke, die er in unser Leben reißt. Sie ist es, die weh tut. Sie hinterlässt ein Vakuum und sie spricht von der endgültigen Abwesenheit des geliebten Menschen oder der erträumten Erfüllung eines Herzenswunsches.

Der Tod – auch jener von Illusionen, Träumen, Wünschen und Hoffnungen – reißt eine Lücke, die nie wieder zuwächst. Nie wieder wird das Leben sein wie zuvor. Tote Menschen und tote Lebensträume wachsen nicht nach. Dennoch leben wir irgendwie weiter. Auch mit Lücke lässt es sich weiterleben; an Lücken stirbt man in der Regel nicht. Ausnahmen gibt es. Manche von uns können besser mit ihnen leben, andere dagegen leiden mehr. Vergleiche sind müßig.

Alle haben wir unsere Lücken. Große, kleine. Wobei die Größe nichts über die Wirkung auf das jeweilige Leben aussagt. Manche stopfen sie mit Materie, manche mit Arbeit und noch mehr Arbeit, manche mit Suchtmitteln, manche lenken sich ab, verdrängen, gucken weg. Wieder andere stopfen sie nicht, sondern tänzeln darum herum. Andere wiederum versuchen, sie zu überbrücken und mache balancieren auf Seilen unter Lebensgefahr über ihren Abgründen.

»Bist du noch immer nicht drüber hinweg? Ist das noch immer wegen deines Sohnes?« So irgendwie fragte mich kürzlich jemand, als ich kurz meinen gesundheitlichen und materiellen Zustand geschildert hatte. Die Zusammenhänge und das Zusammenspiel von mentaler und körperlicher Versehrtheit und deren unmittelbare Folgen: Krankheit und Armut.

Nein, sagte ich, ich bin noch immer nicht drüber hinweg. Und ja, indirekt ist das noch immer wegen meines Sohnes. (Wie lange darf man traurig sein und wer bestimmt das?)

Und ja, sage ich mir heute, hier und jetzt, ich weiß, ich muss da auch nicht drüberhinwegkommen. Weil es das gar nicht wirklich gibt und geben kann, dieses Drüberhinwegkommen. [Nur wer selbst ein Kind verloren hat, kann vermutlich ahnen, wovon ich hier spreche (und vielleicht noch jene, die selbst Kinder haben und dazu viel Phantasie). Und nein, das wünsche ich niemandem.]

Es ist nicht der Tod. Den Tod habe ich akzeptiert. Und vermutlich sogar die Lücke, die er gerissen hat. Es ist eher das, was nicht sein konnte und die dabei entstandene Lücke, die heute noch immer so brutal schmerzt. Es ist diese andere Lücke – eine andere, als die unmittelbare, die nach einem Tod entsteht –, die sich als bisher unheilbare herausgestellt hat.

Ich wünsche mir so sehr, dass wir alle in unseren Köpfen von diesem Zeit-heilt-alle-Wunden-Ding wegkommen, denn nein, Zeit heilt keine Wunden. Auch Noch-und-noch-immer-Wunden heilt die Zeit nicht. Dieser Satz ist so müßig wie die darin liegenden subtilen Vorwürfe, dass man, wenn man nach langer Zeit noch immer nicht wieder heil und funktionstüchtig geworden ist, etwas falsch gemacht haben muss.

Wunden heilen bestenfalls, wenn wir sie pflegen. Manche reißen dennoch immer wieder auf. Und manche heilen auch bei bester Pflege nicht. Manche heilen ein wenig. Bei manchen wirkt das eine, was bei anderen nicht wirkt.

Und nein, bei dem ganzen Wunde-&-Heilung-Ding geht es nicht um Schuld, nicht um Strafe, und auch nicht um Verdienst und erst recht nicht darum, zu wenig oder das Falsche gedacht, getan oder geglaubt zu haben. Ist es dann einfach Schicksal? Strafe gar? Und Gnade, wenn es besser wird?

Vielleicht müssen wir einfach akzeptieren, dass es viele Dinge gibt, auf die wir keinen Einfluss nehmen können. Die einfach passieren. Wie ein Sturm. Wie eine Überschwemmung. Wie das Wetter.

Folglich bin ich nicht schuld daran, dass es ist, wie es ist. Fast fällt es mir schwer, das zu schreiben, da in unserer Leistungsgesellschaft schließlich alljene, die das mit dem Leben im Hamsterrad nicht auf die Reihe bekommen, generell selbst schuld daran sind. Die mit den psychischen Krankheiten sogar noch ein bisschen mehr als die mit den körperlichen Gebrechen. Die psychisch Beschädigten sind doch eh alle nur arbeitsscheue Weicheier und Mimosen. Die sollen sich doch einfach ein bisschen zusammenreißen. (Ja, solche Sätze habe ich in meinem Leben oft gehört.)

Die Scham darüber, dass ich wegen der Umstände, die mir das Leben bereitet hat, chronisch krank geworden bin, ist im Grunde überflüssig, ebenso wie die Scham darüber, dass ich wegen dieser Umstände seit einem Jahr unter dem Existenzminimum lebe. Dennoch ist diese Scham noch immer da und frisst – ebenso wie die Exstenzangst – ganz schön viel Energie, die ich gerne für andere Dinge einsetzen würde. Ich bin schließlich keine Maschine, die Muster wie Angst, wie Scham, wie Schmerz einfach abschalten kann (und ja, ich arbeite dran).

Krankheit und Armut kommen auch in unseren Breitengraden vor. Viel häufiger als wir denken. Leider sehen wir meistens nur die Fassaden der Menschen, außerdem halten sich Arme und Kranke bedeckt – nicht zuletzt aus (zwar überflüssiger, aber gesellschaftlich erworbener) Scham. Ich gestehe, dass ich, als ich noch ein normal funktionierendes, verdienendes und konsumierendes Mitglied dieser Gesellschaft war, vieles als selbstverständlich nahm. Dinge, die ich heute nicht mehr als gegeben ansehen kann. Einfach mal da ein Buch oder dort ein neues T-Shirt kaufen geht heute zum Beispiel nicht mehr (von Steuerrechnungen rede ich hier lieber nicht).

Heute ist dafür Zeit mein Luxusgut. Ich liebe es, mit mir und meinen Worten Zeit zu verbringen. Ich bestimme, wann ich eine Pause brauche, arbeite, wenn ich dazu in der Lage bin, so viel oder so wenig wie es eben heute, hier und jetzt geht, und habe so zu meinem eigenen Tagesrhythmus gefunden. Und ich mag ihn, meinen ganz persönlichen Alltag. Die Arbeit am neuen Buch zum Beispiel oder die Arbeit an Bildern.

Ich webe mein Leben und lebe mit meinen Lücken.
Ich fühle meine Lücken.
Manchmal fülle ich meine Lücken mit Worten.
Ich arbeite an und mit meinen Lücken und um sie herum.
Die Lücken sind da und gehören zu mir.
Wenn ich mit meinen Lücken leben kann, geht es mir gut.
Wenn von mir erwartet wird, dass ich mich wie eine Unbeschädigte verhalte, geht es mir schlecht.
Ich arbeite gerne, wenn meinen Lücken auch ihren Platz haben dürfen.

By the way: Wer hat eigentlich den blöden Spruch ’erst die Arbeit, dann das Vergnügen’ in die Welt gesetzt? Wieso wird in den Köpfen mancher Menschen Arbeit von Vergnügen separiert und wieso soll Arbeit kein Vergnügen sein dürfen?

Ich kann nur sagen: Meine aktuelle Arbeit ist mir ein Vergnügen. Ich schreibe, also bin ich. Und ich ahne, dass diese Welt eine andere wäre, wenn Arbeit für mehr Menschen ein Vergnügen wäre. Eine Lebenswertere.

Das Ressourcending | #notjustsad – #Depressionen

Wann immer ich mir und anderen Menschen zuhöre, wenn wir über unsere Beschädigungen sprechen, kommt irgendwann die Rede auf die Kindheit. In Büchern ebenso. Im Internet sowieso. Gerade, wenn es darum geht zu verstehen, warum wir uns selbst so wenig zutrauen. Sind aber eigentlich wirklich immer die Eltern schuld? Müßige Frage. Womöglich tragen sie die Verantwortung für unsere Minderwertigkeitsgefühle und Depressionen, aber tragen sie auch Verantwortung an einem missglückten Leben? Haben sie uns, anders gefragt, für immer die Möglichkeit verbaut, unser eigenes Ding zu machen? An den Ursachen lässt sich nichts mehr ändern; rückwärtsleben geht nicht. Ändern kann ich einzig mein Denken. Und das ist verdammt harte Knochenarbeit, machen wir uns da nichts vor. Da hilft keine Medizin. Einzig ich selbst kann meinen Umgang mit von mir gemachten Erlebnissen schrittweise umgestalten, meine Absichten, meine nächsten Schritte. (Und wenn ich es nicht schaffe, bin ich keine Versagerin, dann war es einfach zu schwer. Das darf sein.) Knochenarbeit, wie gesagt, Schwerarbeit für die Seele. Dazu eine Mutprobe vom feinsten, denn ich muss mich ja erst mal trauen, solche Schritte zu tun. Was aber wenn ich mich aus vielerei Gründen nicht (mehr) traue, mich zu trauen und mir zu trauen? Und ja, natürlich hat auch dieses Mir-nicht-(ver)trauen damit zu tun, wie ich mich als Kind wahrgenommen habe und von anderen wahrgenommen worden bin und wiederum diese Fremdwahrnehmung wahrgenommen und daraus mein Bild von mir selbst gezimmert habe. Aber. Ich bin dennoch die Einzige, die herausfinden kann, ob ich innere Zustände wirklich oder wirklich nicht verändern kann. Mein heutiger Wissensstand sagt, dass ich nur meine Innenausstattung verändern kann, nicht aber meine Innenräume an sich, die Grundausstattung also: meine Hirnchemie, meine Gene, meine Anlagen.

An den Wänden meiner Innenräume hängt die Angst noch sehr prominent. Ich brauche dringend neue Bilder. Bilder mit Sicherheit drauf. Nein, nicht Bilder mit Pseudo-Sicherheiten drauf wie ’Mein Haus, mein Auto, mein Boot’, denn das alles ist letztlich Illusion. Ich weiß es nur zu gut: Jede und jeder von uns kann von jetzt auf gleich alles verlieren – Materie, Erinnerungen und Gedächtnis, Gesundheit, liebe Menschen … Nichts ist wirklich sicher, nichts ist für immer.

Dennoch vermittelt uns alles, was wir haben und was wir tun ein ganz bestimmtes Grundgefühl und wird somit zu einer dieser vielen Wechselwirkungen, die unser Leben formen. Die Summe dieser Grundgefühle ist es, die unser Lebensgefühl hauptsächlich bestimmt. Ob es also eher Grundgefühle von Sicherheit sind oder voller Angst, die uns bestimmen, ist somit entscheidend dafür, wie entspannt und wohl letztlich auch wie glücklich wir leben können. Und wie kraftvoll. Angst frisst Kraft. Je mehr Angst, desto weniger Kraft, sag ich mal ein bisschen salopp.

Ich brauche also, wie gesagt, dringend mehr Sicherheit, Selbstsicherheit. Ich will sie in mir wissen und an sie glauben, zumal sie auf der Liebe zu mir selbst basiert, auf Respekt vor mir selbst inklusive all meiner persönlichen Grenzen, die ich ihr und mir zuliebe ernst nehme.

Womöglich ist es ja – und nein, das ist nicht zynisch gemeint! – sogar eine Ressource, was uns unsere Eltern mitgegeben haben. Gutes ebenso wie all die Fehler, all  also, das uns für eine gesunde Entwicklung fehlte. Wie jetzt? Wir sollen das Versagen unserer Eltern und unserer Bezugspersonen uns gegenüber als mögliche Ressourcen zu sehen?

Seit vielen Jahren kaue ich an diesem bitterschmeckenden Satz, den mir mal eine ziemlich kluge Person mit auf den Weg gegeben hat. Und ich weiß noch nicht so genau, ob er wahr ist. Wahr aber ist, dass ich ohne manche gemachten bitteren Erfahrungen nicht die und nicht so wäre, wie ich heute bin. (Und das versuche ich jetzt, als Kompliment von mir an mich zu verstehen.)

absichtslos

Ich erinnere mich an die Zeit, früher, als ich noch ins Hamsterrad gepasst habe. Als ich noch aufgepasst habe und als ich noch mitgerannt bin. Damals verlor ich kaum einen Gedanken daran, dass das Leben auch ganz anders sein könnte. Dass ich eines Tages keine Kraft mehr haben könnte um mitzurennen. Ich dachte sogar manchmal ein klein bisschen, dass jene irgendwie selbst schuld daran sind, die rausgefallen sind. Damals, als ich noch Kraft hatte. Mehr Kraft als heute.

Und immer hielt ich in mir ein Ideal am leben, wie das Leben, wie die Gesellschaft zu sein habe. Mein Leben, das Leben meiner Mitmenschen. Dieses Ideal war und ist eine Art Leben, das ich noch immer schwer in Bilder und Worte fassen kann. Es hat was mit Mittelwegen zu tun, und dann aber auch überhaupt nicht, eher mit Umwegen und Trampelpfaden. Mit Toleranz, aber auch mit konsequenter, radikaler Gewaltfreiheit, die eben nicht alles toleriert. Mit Dingen und ihren Gegenteilen. Mit Fülle, mit Solidarität und mit Gemeinschaft. Aber auch mit Stille und mit Rückzug. Mit Raum für Selbstausdruck, Kunst, Musik, Gegenwärtigkeit ohne kommerzielle Absicht. Absichtslosigkeit.

Vielleicht darum gelingt es mir bis heute nicht, eine Art Lebensziel oder Lebensentwurf zu entwickeln, weil mein Ideal zugleich so viel und zu gleich so wenig ermöglicht. Und vielleicht weiß ich darum bis heute nicht, wie ich eigentlich leben will. Zum einen möchte ich so nahe an der Quelle, in der Natur leben, wie es nur geht, zum anderen habe ich einen gewissen Anspruch an Komfort, nicht viel, aber eben doch ein bisschen mehr als gar keinen Komfort. Urwald und Survival wären also langfristig nicht unbedingt mein Ding.

Einfach einfach leben. Und dazu wäre das Bedingungslose Grundeinkommen ein großer Schritt in die richtige Richtung.

Das Vielleicht-Ding namens Leben

Vielleicht muss man ja die Vergeblichkeit des Lebens akzeptieren um wirklich sinnvoll leben zu können.

Und vielleicht ist Leben eins dieser Puzzles da mit all den vielen kleinen einzelnen Stücken, die überall herumliegen.

In seinem letzten Buch, Treibsand*, schreibt Henning Mankell über sein Leben als an Krebs Erkrankter. Er schreibt über Vergänglichkeit und Vergeblichkeit, über Eitelkeiten beim Gedanken an die Nachwelt und er schreibt auch über all die Spuren, die wir für jene legen, die nach uns kommen. Und darüber, wie schnell wir alle vergessen sein werden. Und dass das vielleicht gar nicht mal so schlecht ist.

Vielleicht ist ja manches, das im Leben ist, wie es ist, ein wenig wie mit Javascript? Vorhin, als ich meinen Rechner gestartet hatte, glaubte ich zuerst an eine WordPress-Panne. Mein Editor, in welchen ich diesen Text hier einfügen wollte, zeigte mir nur noch die Text-Version (= html) an, der Kommentarknopf blieb stumm und als ich auf Twitter um Lösungen fragen wollte, blieb auch dort der Textknopf stumm. Also versuchte ich über den neuen WordPress-Editor, den verhassten, zu bloggen, doch selbst dieser tat keinen Wank. Er könne nicht geöffnet werden, weil javascript nicht installiert sei, sagte die Seite, die auftauchte. Javascript ist kurzgesagt eine Art (Geheim-)Sprache, die interaktive Elemente liest und für uns sicht- und nutzbar macht.

Aber wie soll das gehen? Ich habe doch seit gestern nichts deinstalliert und Java ist auf meinem Browser Standard? Keine Ahnung, wie das geschehen konnte. Nach einigen Recherchen konnte ich über die Browsereinstellungen Java wieder als true statt als false konfigurieren. Ein einziger Klick in einer verborgenen Welt machte aus einem Nicht-möglich ein Möglich. Ich mag ja solche Metaphern aus der technischen Welt.

Seltsame Hintergrundkonfigurationen haben wir alle. Warum ein Knopf gestern noch ON und heute OFF ist, weiß ich nicht. Ich kenne nicht alle Mächte und Kräfte, die auf mein Leben einwirken. Manche kann ich, wenn ich sie doch irgendwie erkennen kann, beeinflussen, manche nicht.

Darüber dachte ich nach, gestern, im Wald. Und wie es kommt, dass ich an manchen Tagen das Leben ganz okay finde, während ich es an anderen knapp schaffe, sie zu überleben.

Was mir hilft, ist, ein bewusstes Leben im Augenblick zu üben. Tage, an denen ich bewusst lebe, fühle, denke, hinschaue, nachspüre, sind anders als Tage, an denen ich versuche wegzufühlen, nicht hinzuschauen, Schmerz von vornherein zu vermeiden. Obwohl bewusste Tage manchmal viel mehr wehtun als unbewusste, hinterlassen sie einen Abdruck, ein Echo. Unbewusste vergehen ungefühlt, stumpfen mich ab, klagen mich zuweilen im Nachhinein sogar an, behaupten, ich hätte sie ignoriert (womit sie recht haben).

Bewusst leben heißt, mir der Vergeblichkeit jeden Strebens bewusst zu sein. Nicht dass ich nicht streben könnte, dürfte, zuweilen wollte, manchmal müsste, aber – und das macht vermutlich den Unterschied – wenn ich weiß, dass letztlich alles vergeblich ist, tut leben weniger weh.

Für Mankell liegt das Einzigartige des Lebens in seiner Endlichkeit, in seiner Einmaligkeit. Ich persönlich teile seine Sicht nicht, dass das Leben mit dem Tod zu Ende geht. Zwar bin ich nicht religiös, das nicht, aber ich glaube dennoch, dass auch der Tod zu den Grundbedingungen des Lebens gehört. Die Rückseite von Hier und von Jetzt. Alles, was ist, ist immer auch sein Gegenteil. So sinnierte ich gestern auf meinem Waldspaziergang.

Erst am Abend entdeckte ich Irgendlinks Artikel über Die schönste Straße der Welt, worin er sich ebenfalls, wie so oft, Gedanken zum Leben macht. Und meinen gar nicht mal so Unähnliche …


Zitate aus Treibsand von Henning Mankell:

1. Zitat auch Treibsand von Henning Mankell2. Zitat auch Treibsand von Henning Mankell3. Zitat auch Treibsand von Henning Mankell

Leben, träumen & schreiben

Lebst du noch oder träumst du schon? Irgendlink hat in mir was losgetreten, als er letzte Woche seine neu überarbeitete Roadmap bloggte. Was für eine Karte, was für ein tolles Fährtenbuch, in welchem er seine Abenteuer – die erlebten ebenso wie die zu bestehenden – begeschrieben hat. Seine Leitplanke, um im Ideenfluss der Künste nicht zu ertrinken.

Wo Wunsch ist, kann Wirklichkeit werden. Oder andersrum: Jede Wirklichkeit fing klein an, war zuerst eine kleine Idee, ein Wunsch, ein Traum.

Welche Bücher möchte ich gerne schreiben?, fragte ich mich also, als ich über meine eigene noch ungeschriebene Roapmap nachdachte – und über jene Dinge, die in meinem Fährtenbuch erwähnt werden wollen.

Kaum gedacht, standen auch schon ein paar Ideen Schlange. Nun ja, meine angefangenen, eingeschlafenen, an Keine-Zeit-Haben eingetrockneten Projekte möchte ich fertigstellen, natürlich. Jedenfalls, wenn ich sie bei näherer Betrachtung noch gut finde … Noch lieber jedoch möchte ich ein neues Buch schreiben. Ich habe Lust, mich vom biografischen, essayistischen Schreiben zu entfernen und wieder mehr zusammenhängende Geschichten zu schreiben, längere Geschichten, Romane.

Auf einmal stand die Protagonistin vor mir. Sie gleicht mir ein wenig und ist doch ziemlich anders. In etwas aber gleicht sie mir sehr: Sie ist eine Anti-Heldin, eine Hochsensible, die aneckt mit ihrem Gespür. Aber sie ist dennoch eine, die – ja, das muss sein! – ihren Weg geht und Dinge schafft, die womöglich gegen alle Vernunft sind.

Nun ja, zur Krimiautorin fühlte ich mich bisher nicht berufen, darum wird es wohl keine Leichen in meinem neuen, angedachten Buch geben, aber ein paar Abenteuer natürlich schon. [Keine Ahnung, ob ich jemals von meinen zentralen Themen (Tod, Amok, Suizid) wegkomme.]

»Schreib über jene Themen, die dir unter den Nägeln brennen!«, riet mir ein bekannter Schweizer Autor in einem Schreibseminar. Ich kann ja im Grunde nicht anders, denn alles andere wäre gekünstelt und gebastelt und an den Haaren herbeigezogen. Ich kann ja zum Beispiel auch nicht reimen und etwas damit anfangen auch nicht, wozu also sollte ich es versuchen? Das überlasse ich anderen. Also bleibe ich bei meinen zu meinem Fuß passenden Schustersleisten.

Nicht, dass ich mich nicht weiterentwickeln will. Und das Abenteuer des Lebens besteht ja oft genau darin, Grenzen auszuloten und auszudehnen. Doch noch habe ich meine Schreibgrenzen längst nicht ausgereizt, wozu also sollte ich sie schon jetzt ausdehnen?

Da träume ich lieber zuerst ein wenig von meinen Schreibabenteuern, auf dass sie wirkliche Wirklichkeit werden.

Und schon bald träume ich übrigens im Zelt liegend. Übermorgen geht’s los! Wanderst du mit uns mit am Rhein entlang? > flussnoten.de

Wahrscheinlichkeiten und das Dasein

Dieses menschliche Dasein sei ein Gasthaus, sagte Rumi, ein Sufi-Dichter im 13. Jahrhundert. Alles, was und jeder, der uns begegne, sei unser Gast, der uns weiterführen wolle. Schweres sei also ebenso ein Gast wie Freude (klick zum Original).

Ich zitiere die letzten Zeilen:

Begrüsse und bewirte sie alle!
[…]
begegne ihnen lachend an der Tür
und lade sie zu Dir ein.
Sei dankbar für jeden, der kommt,
denn alle sind zu deiner Führung
geschickt worden aus einer andern Welt.

Ich frage mich, ob es »wirklich« so ist, wie es da heißt, also dass uns – dir, mir – alles, was geschieht, zur Weiterführung und Lehre geschickt sei. Und wo sich diese andere Welt befindet, wer sie regiert und ob es für jede und jeden eine andere ist. Und ich frage mich, ob alles letztlich nur durch unsere Interpretation des Lebens wird, was es wird und wirkt, wie es wirkt.

Eben stolpere ich über mein obiges »wirklich«, was ich gedankenlos meist mit »wahr« gleichsetze.

Huch – Wahrheit. Wo ich doch schon sehr lange ahne, dass es DIE Wahrheit nicht gibt. Einzig vielleicht als Synonym von Liebe. Aber auch das ist eher Ahnung denn Faktum.

Dafür glaube ich an die (kleine, punktuelle) Wahrheit der Wahrnehmung unserer persönlichen Wirklichkeit.

Wirklichkeit: Ist wahr, was wirkt?
Wahrnehmung: Ist wahr, was ich für wahr nehme?

Ich nehme aus den Augenwinkeln immer mal wieder die Wahrscheinlichkeit oder Möglichkeit wahr, eines Tages der Illusion in die Augen schauen zu können. Diese Illusion, für die ich das irdisch-materielle Leben im Großen und Ganzen halte.

Darum ist Leben, mein Leben zumindest, vielleicht & letztlich nur in einer Art Konjunktiv, einer Art Möglichkeitsform lebbar.

Fakt ist*, dass sich alles zu allem irgendwie verhält.
Sich nicht zu verhalten ist nicht möglich.**
[Gibt es also letztlich gar keine Neutralität, keine Gleichgültigkeit?]
Außer wenn man tot ist?

Wahrheit
in Relation zu
Wahrscheinlichkeit
in Relation
zu Wirklichkeit

Das eine nicht ohne das andere?
Alles hängt zusammen?

Müsste es in diesem Fall also doch eine letzte Wahrheit geben? Eine aber, die sich nicht um Religionen und Rechthabereien schert und die uns nicht nach bewertet, ob man an sie glaubt oder nicht? Eine, die einfach existiert, weil sie nicht anders kann, weil sie einfach wahr ist? Eine Wahrheit auch, der es egal ist, ob wir sie erkennen oder nicht.***

Geht aber Wahrheit ohne Gefühl?

Und was ist mit dem Begriff »echt« als mögliches Synonym zu »wahr«?


* Oh, ist es wirklich und wahrhaftig so?
** Sagt eigentlich wer?
*** Höre ich da jemanden sagen: Ja, die Wissenschaft! – Mag sein, nur ist die Wissenschaft ja auch nur ein Forschungsgebiet, das die Wirklichkeit Stück für Stück zu erforschen versucht und nie fertig wird, weil alles viel zu groß und viel zu unfassbar ist für uns Menschen.

Mehr und weniger

Wofür ich bin?

Für mehr lassen
und für weniger tun

Für weniger eilen
und für mehr stehenbleiben

Für mehr anteilnehmen
und für weniger zuschauen

Für weniger sharen
und für mehr still sein

Für mehr Jede-auf-ihre-Weise
und für weniger So-macht-man-das-Punkt

Für weniger Stress
und für mehr Atemholen

Für mehr Weniger-ist-mehr
und für weniger Immer-mehr

Für weniger leisten
und für mehr genießen

Für mehr dürfen
und für weniger müssen

Für weniger lärmen
und für mehr singen

Für mehr kreieren
und für weniger zerstören

Für weniger rennen
und für mehr tanzen

Zwei Tipps fürs Auge und Gemüt

Gerne empfehle ich euch, mal wieder auf Pixartix, dem Bilderblog, vorbeizuschauen. Unser zweiter Drei Bilder-Zyklus hat bereits vor einem Monat begonnen und schon fünf KünstlerInnen haben ihre Bilder-Trilogien erzählt. Heute geht es weiter mit dem ersten Holzweg von Irgendlink.

Und wenn wir schon bei Irgendlinks Abenteuern sind. Er steht − nämlich, vermutlich oder vielleicht? − mal wieder in den Startlöchern für eine weitere Radreise. Diesmal mit Ziel Gibraltar. Seine Gedanken vor der Reise gibt es neu nicht auf dem Irgendlink-Blog, sondern hier:
⇒ europenner.de. ⇐

Jaaa, der Europenner lebt, man muss ihn nur zuweilen aus seinem Winterschlaf wecken.

Alle meine Wörter

Mein Leben wird nie ohne Staub sein, sagen die Wörter in mir, die ich zuweilen meine Gedanken nenne. Sie sagen es nicht, sie stellen sich auf. und bilden in meinem Kopf gemeinsam diesen Satz. Meine Wörter sagen weiter, dass ich mir meinen Wunsch nach einem Leben ohne Staub & Dreck besser aus dem Kopf schlagen solle. Sie sagen es immer wieder, während ich Staub sauge. Was ich nicht gerne mache. Und weshalb ich froh bin, dass die Wörter da sind. Sie sagen, dass ich dennoch nicht aufhören soll, mich danach zu sehnen, wie es denn so wäre, ohne Staub zu leben, denn nur diese Sehnsucht lasse mich den Staub halbwegs ertragen. Ihr spinnt doch, denke ich. Und ich frage mich einmal mehr, ob sich meine Wörter zuweilen auch so nackt und unbeholfen fühlen, wenn sie sich mir so zeigen wie heute, wie ich mich manchmal fühle, wenn ich mit Buchstaben jongliere.  So wie heute, so wirr, so unvernünftig, ja genau. So verdammt unvernünftig, unlogisch und sinnlos. Wohl ahne ich, dass sie Scham und Hemmungen nicht kennen. Die haben es gut. Ich möchte ein bisschen sein wie sie, wie meine Wörter.

Obwohl ich mir ja eher (unter uns gesagt) manchmal wünschte, dass die andern (nun ja) ein bisschen mehr so wären wie ich. (Natürlich nur, damit es ein wenig einfacher wäre, sie zu verstehen.) [Wobei. Einfach zu verstehen bin ich ja auch nicht wirklich.] Die gemeinsame Schnittmenge wäre halt größer als jetzt, wo ich ganz viele Menschen da draußen, meist sogar solche, die die gleiche Sprache wie ich sprechen und aus meinem Land stammen, einfach nicht verstehen kann. Oke, ich höre wohl, was sie sagen und was sie meinen, aber alle meine Übersetzungstools scheitern. Denn obwohl diese Menschen mir bekannte Wörter verwenden, scheinen sie etwas anderes zu meinen mit den Wörtern als ich. Zum Beispiel sagen Sie: „Wir sind besorgt um unser Land!“ Klar, das bin ich auch. Aber. Eben. Anders. Kurz und gut: Es wäre doch viel einfacher, wenn sie so wären wie ich. Singt ja schon Büne Huber in seinem uralten Song Grossbrand. [Es gieng mängs viu ringer we sie so wär win i ||| Oder i viellech so wie sie … → Lyrics → Song]*

Aber wie war das gleich noch beim kategorischen Imperativ**? Würden denn meine Maximen taugen? Oder wären sie nur ein weiterer Nährboden, um egoistische Ziele zu erreichen, wie wir das neulich auf Twitter diskutiert haben?

Nachtrag:

Ich schweife ab.

Wörter, so bleibt doch mal stehen, drängelt nicht so, ich kann euch ja so gar nicht lesen. Haltet still. Ihr seid ja wie wir Frauen in der Konzertpause vor den beiden einzigen Klos, die nicht verstopft sind.

Wie? Was sagt ihr? Dass ich mir ja immer vorstellen würde, dass kein Menschen von Anfang an böse sei, sondern erst im Laufe seines Lebens böse geworden wäre. Stimmt. Das ist meine These: Menschen werden destruktiv, weil sie zu wenig konstruktive Kraft erlebt haben, will heissen, zu wenig oder falsch geliebt worden sind. Ja, liebe Wörter, das glaube ich. Bis ihr mir das Gegenteil beweist und mir ein von Geburt an böses Neugeborenes zeigt.

Liebe, sagt Jonathan Safran Foer in seinem wunderbaren, herrlich-schräg-weisen Roman Alles ist erleuchtet, Liebe ist womöglich vor allem eine Idee. Die junge Brod begnügte sich jedenfalls in seinem Roman, da nichts ihren Ansprüchen liebenswert genug für ihre Liebe zu sein genügte, mit der Idee von Liebe.

Sie liebte sich selbst als Liebende, sie liebte es, die Liebe zu lieben, so wie die Liebe das Lieben liebt, und war dadurch imstande, sich mit einer Welt zu versöhnen, die allzu weit hinter dem zurückblieb, was sie sich erhofft hatte. Die große, rettende Lüge war nicht die Welt selbst, sondern Brods Bereitschaft, sie schön und gerecht zu machen und ein Leben zweiten Grades zu leben.

Quelle: Jonathan Safran Foer: Alles ist erleuchtet

Versöhnung. Da komme ich je länger je mehr drauf. Weil sie der Anfang jeden Friedens ist. Am Anfang ist sie ein Same. Eine Idee. Gerne wird sie zur Aktion: Ich reiche dir meine Hand. Ob du mir deine auch reichst, ist für mich letztlich nicht entscheidend.

Ich habe auch, so sagen mir die Wörter nun sehr aufgeregt und ein bisschen verlegen, ich habe mich die größte Zeit meiner ersten Lebenshälfte aktiv (oder zumindest latent) selbst abgelehnt. Oh. Hm. Stimmt wohl. Doch nun will ich den Rest meines Lebens darauf verwenden, das entstandene Minus auszugleichen. Wozu? Um der Balance willen, um der Ausgeglichenheit und Gesundheit willen.

Und ja, es ist gut, dass wir uns damit abwechseln, die heißen Kartoffeln aus der Glut zu holen, sagen die Wörter als letztes. Mal hole ich sie für dich raus, mal du für mich. (Und machmal andere für dich oder mich, mal ich oder du für die andern.)

Ich klopfe Glut, Ruß und Asche weg. Wie Staub kleben sie an der Haut, die ich wie ein Kleidungsstücke abstreifen kann. Die Kartoffel, mit ein bisschen Salz bestreut, schmeckt wunderbar nach Heimat. Obwohl ihre Grosseltern von weit her gekommen sind.

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* NACHTRAG: Achtung: Ironiemodus! 

**»Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.« -Immanunel Kant