Gestern Morgen, beim Yoga, klopfte auf einmal der Gedanke bei mir an, dass das Leben kein Spiel sei. Im Gegenteil, denn beim Würfelspiel hat jeder und jede einen Augenblick lang die gleichen Voraussetzungen. Wenn auch nur ganz kurz, nämlich vor dem ersten Würfeln. Theoretisch auch nachher, denn alle – wenigstens alle in dieser Runde hier – haben ja den gleichen Würfel. Doch bereits nach dem ersten Wurf verändert sich die Ausgangslage jedes einzelnen laufend. Wir verändern ständig unsere Positionen. Bei Eile-mit-Weile müssen wir zwar immer wieder warten oder werden sogar oft genug an den Anfang zurückgespült, doch unser Ziel ist es immer, vorwärts zu kommen. Ans Ziel. Beim Leiterspiel können wir zwar manchmal riesige Schritte in diese Richtung tun, doch oft nur, um wenig später, wenn wir die falsche Zahl würfeln, wieder abzustürzen. Was das Vor- und Rückwärts betrifft, erinnert das Leben stark an ein Würfelspiel – hin und her geworfen von den Punkten auf den Würfeln von Schicksal und Zufall. Wie im Spiel besteht womöglich eine der Ziele oder Künste des Lebens darin, irgendwann weise mit den ständigen Auf- und Abstiegen klarzukommen.
Haben wir im Würfelspiel noch relativ ähnliche Voraussetzungen, ist das im echten Leben überhaupt nicht so. Von Anfang an nicht. Die Unterschiedlichkeit von Elternhäusern ist eins, die Unterschiede in der Genmasse ein anderes. Und der ganze Rest an Ungleichheit geschieht uns tagtäglich. Mit jedem Schritt, den wir von Punkt Null (Zeugung? Geburt?) aus tun, werden die Bedingungen unterschiedlicher.
Wäre ich heute so, wenn ich damals …? Leben im Konjunktiv.
Ich weiß es nicht. Ich kann von allen Möglichkeiten immer nur eine leben. Du auch. Ob nun bewusst gewählt oder unbewusst hineingerutscht …
Wie viel tun wir wirklich freiwillig? Leben wir freiwillig?
Und wenn nein, wem zu Willen?
Hast du eben eine Sechs gewürfelt – oder eine Eins? Immerhin kann man keine Null würfeln. Obwohl das vielleicht manchmal gar nicht so schlecht wäre.