Als es ruckelte

Mein Auto … seit Samstag fährt es seltsam. Ich hatte den Liebsten an die deutsche Grenze gefahren und am Bahnhof verabschiedet, von wo aus er mit dem Zug zum einsamen Gehöft, wo er lebt, fuhr. Auf dem Rückweg fing das Gestotter und Geruckel an. Gab ich Gas, fiel die Geschwindigkeit. Der Motor ließ sich einfach nicht mehr so beschleunigen, wie ich es gewohnt war. Im einen Augenblick schien alles wieder in Ordnung zu sein, im nächsten kroch ich nur noch mit 80km/h über die Autobahn. Am Sonntagabend schließlich, bei einer kleinen Inspektion des Motorraums, fand ich ein Plastikteilchen, das vermutlich auf der Straße gelegen hatte, von dort hochgeworfen worden war und sich dabei im Gestänge verfangen hatte. Ein blauer Klostein. Nachdem ich das Ding entfernt hatte, hoffte ich, die Lösung gefunden zu haben. Stellte mir vor, dass dieses Ding vor einer Lüftungsritze gehangen hatte.

Gestern, auf meiner Fahrt ans Schreibtreffen in der Nähe von Bern, ruckelte mein Auto jedoch noch immer. Oder immer mal wieder. Ich lernte zwar, dass es fuhr, doch unheimlich war es trotzdem ein wenig. Die Angst, dass das Auto plötzlich stehen bleiben könnte, konnte ich nicht ganz abschütteln. Sie war zwar nicht mehr so stark wie am Samstag, nach der ersten Fahrt, doch sie war da.

Nun ist es Dienstagmorgen und ich werde nachher in die Werkstatt gehen. Fragen, was das sein könnte. Ob sie mir helfen können.

Wäre das hier eine Parabel würde ihre Übersetzung vielleicht so lauten: Eile mit Weile. Rasen oder schneller als erlaubt fahren geht zurzeit nicht. Was im Grunde ja nicht schlecht ist. Für die Umwelt und für den Geldbeutel: Keine Bussen.

Das Auto, das Selbst, so die wörtliche Übersetzung und ich frage mich, was denn zurzeit in meinem Leben ruckelt. Bin ich zu schnell unterwegs? Mache ich zu viel? Will ich zu viel? Sollte ich die Spur wechseln, sollte ich eine Weile besser auf der rechten Spur fahren, damit ich näher am Pannenstreifen bin? Was spricht das Leben jetzt zu mir? Ich horche.

Ich gehorche, auch wenn ich nicht verstehe. Ich will es zumindest. Und am liebsten will ich verstehen. Denn wenn ich verstehe, ist es einfacher, etwas zu verändern. Ist mein Auto wieder einmal eine Metapher für mein Leben?

Nun ist es Abend. Mein Auto fährt wieder. Der Luftmassemesser war defekt, ein kleines elektronisches Ding, ein Sensor, der die Masse der pro Zeiteinheit hindurch strömenden Luft, den sogenannten Massenstrom, bestimmt. Der Sensor misst, wenn er kaputt ist, den Massestrom falsch, und bestimmt darum auch die Menge des einzuspritzenden Kraftstoffes verkehrt. Darum fehlt dem Motor in diesem Fall die Leistung. Beschleunigung ist auf einmal nicht mehr möglich, oder nur ruckelnd, und dass mein Auto nicht auf offener Straße stehengeblieben ist, ist ein großes Geschenk. Denn manchmal könne, erfahre ich, der Motor einfach ausschalten – allerdings geschehe das vor allem im Leerlauf.

Heute morgen, in der Werkstatt, hat der junge Mechaniker zuerst vor Ort probiert, den Schaden, der das Ruckeln verursacht, zu beheben, doch bald gingen ihm die Ideen aus. Er müsse das Auto da behalten, sagte er, und mir tat das Herz weh. Mein Auto in fremden Händen lassen, fühlt sich immer ein bisschen seltsam an.

Am Nachmittag, als ich im Büro war, klingelte mein Handy und ich erfuhr, dass der Mechaniker den Schaden gefunden und behoben hatte. Und dass ich das Auto am Abend, bis halb sechs, abholen könne. So machte ich für einmal pünktlich um fünf Uhr Feierabend, schloss mein Fahrradschloss auf und wollte losradeln. Doch weit kam ich nicht. Der Hinterreifen war platt.

Ohne lange zu zögern, spazierte ich mit dem Rad zum nahen Bahnhof. Mit dem Rad in der einen, dem Handy in der andern fand ich heraus, dass gleich ein Zug fuhr. Ich löste ein Ticket aufs Handy und lud – während die App das Ticket löste – das Rad in den Zug, der zum Glück ein paar Minuten Verspätung gehabt hatte. Der nächste wäre erst in zehn Minuten gefahren und es wäre knapp geworden mit Autoabholen.

Zum Glück ist meine Werkstatt gleich beim Bahnhof in der Nähe. Ich schob mein Rad schnell neben mir her und erreichte rechtzeitig den Schalter. Da ich aber dummerweise die Karte meines Sparkontos nicht dabei hatte und zu wenig Geld im Portemonnaie, musste ich zuerst nach Hause, um die andere Karte holen. Ich konnte, obwohl die Werkstatt schloss, nochmals kommen und die Rechnung am Kiosk, der zur Werkstatt gehörte, bezahlen. Toller Service!

Dass mein Rad einen platten Reifen hatte, fand der Werkstattleiter so richtig schlimm. Er bat zwei junge Mechaniker, das Rad aufzupumpen. Was sie auch, ohne zu Murren, obwohl es schon fast halb sechs war, machten. Sie unterstützten einander, und, mit einem Gummischläuchlein improvisierend, da sie keinen passenden Adapter hatten, füllten meinen Reifen mit Luft. So viel Freundlichkeit auf einen Haufen! Klasse war das.

Und später, als ich die Rechnung bezahlt hatte und mein Auto bestieg, sah ich, dass sie es auch gleich noch geputzt hatten.

Die Luft im Fahrrad hat zwar nicht bis nach Hause gehalten, der Reifen ist noch platt, aber – hey, es gibt Schlimmeres.

Früher haben mich solche Alltagsdramen sofort aus dem Stand gebracht. Heute dachte ich kaum etwas anderes als: Was soll ich als nächstes tun? Kein Hadern. Es ist, wie es ist.