Zusammen feiern

Wenige Monate vor dem Lockdown war es gewesen, im Herbst 19, als sich einige Menschen, die sich einst über soziale Medien und Blogs kennengelernt hatten, zum Feiern, Essen und Zusammensein auf dem Einsamen Gehöft eingefunden hatten. Schön war es gewesen und wir versprachen uns, das bald zu wiederholen. In den darauf folgenden Jahren gab es einige halbherzige, pandemieüberschattete Versuche, ein neues Treffen zu organisieren, doch sie verliefen alle im Sande.

Und auf einmal ist es uns doch wieder gelungen, Menschen von damals wiederzuvereinen. Viele von damals und dazu solche, die wir primär physisch kennen, trafen sich am letzten Wochenende für ein bis drei Tage gemeinsam zum Frühlingsgenuss und Draußensein auf dem Hof des Liebsten.

Am Freitagabend kam der Vorspann, samstags und sonntags gab es die volle Dröhnung und heute Morgen nahmen wir vom letzten Besucher Abschied.

Dazwischen? Viele Gespräche, Lachen, zusammen Gemüse schnippeln, kochen, trinken, essen, grillen, Geschirr spülen, Hunde streicheln, UNO spielen, Zelte aufbauen, Schlafplätze einrichten … zusammen am Feuer sitzen und – sagte ich es schon? – viel lachen.

Gestern Abend, als wir uns hinlegten, sagte ich zum Liebsten, dass ich wirklich von ausnahmslos allen den Eindruck habe, dass sie – zumindest ein bisschen – gestärkter und heiterer den Hof verlassen haben als sie ihn betreten haben. Es war für alle Platz, für die leisen ebenso wie für die eher lauteren, für die eher jüngeren ebenso wie für die eher älteren. So soll es sein.

Danke, Frau Lakritze, Frau Rebis, Der Emil, Frau Ostseenudel und St., S. und F., lieber Kai, liebe Kazi und liebe Silvia, für euer Da-Sein.

Die folgenden Bilder hier sind nur eine kleiner Einblick, fotografiert von Irgendlink und mir; inklusive einem Gastfoto von K. Dö., das die Lagerfeuerstimmung sehr schön wiedergibt.

Im Flugmodus

Zweieinhalb Tage sind vergangen, sagt der Kalender. Ich muss nachzählen. Manche Tage dehnen sich aus. Zeitlöcher.

Luftlöchern ähnlich, die ich allerdings weit weniger mag. Dieses leise Fallen, einem Schweben gleich, etwas unfassbares, etwas ungefähres. Auflösung in etwas, das mein Verstand zu definieren sich weigert. Fallen aus etwas konkretem, das wir gemeinhin Alltag nennen.

Fallen in etwas Weiches. Etwas wie eine Blase. Etwas wie Zuckerwatte ohne Zucker. Nicht klebrig, nein.
Ach, so komme ich nicht weiter.
Nicht so jedenfalls wie das Flugzeug, in dem ich sitze. In dem ich vielleicht genau jetzt über Halle an der Saale hingefliege (winke, winke Emil!).

Zielgerichtet waren die zweieinhalb Tage im luftleeren Raum jedenfalls nicht. Oder bestenfalls so: Das einzige Ziel, das ich hatte, war es, mich dem Moment hinzugeben.

In fünfzig Minuten ungefähr werden wir landen. Ein volles Flugzeug. Auf den letzten Platz besetzt. So voll, dass der Chef de Cabine um Rücksicht bat. Schnelles Verlassen des Ganges. Rücksicht. Dafür liebe ich mein Land: Nehmen Sie Rücksicht aufeinander.
Dieses Gefühl, dieses Lebensgefühl brauche ich um mich wohlzufühlen.

Wie wir drei Frauen heute Nachmittag zum Bahnhof Stendal fuhren und der Abschied nahte, resümmierten wir. Einzigartig diese Erfahrung dreier bis dato erst virtuell mehr oder weniger vertrauter Frauen, sich über alle möglichen Themen so lange, so ausgewogen, so gleichberechtigt, so aufrichtig und wahrhaftig miteinander zu sprechen. Ohne sich profilieren zu müssen. Ohne Schönen.

So etwas wünsche ich mir für unsere Politiker, fasste es die Mützenfalterin zusammen.

Mit Zug, U-Bahn und Flughafen-Shuttle näherte ich mich Berlin-Tegel.

Auf einmal ging gar nichts mehr. Stau auf der Kreuzung fünfhundert Meter vor dem Flughafen. Abwarten. Langsam aufkeimende Nervosität hinter mir. Die Busfahrerin sagt, dass sie die Türen nicht öffnen kann so mitten auf der Kreuzung. Zu gefährlich. Ich mache ein Bild aus dem stehenden Bus. Langsam kann die Fahrerin ein paar Meter aufschließen und neben einer gestrichelten Fläche halten. Sie lässt die, die wollen, aussteigen.

Ich beschließe, rauszugehen. Einfach weil ich Teil dieser Gruppe sein will, die zu Fuß zum Flughafen geht.

Mitten auf der Kreuzung stehen zwei Rettungsfahrzeuge. Wahllos darum gruppiert unzählige Taxis, Shuttlebusse von Hotels und Privatfahrzeuge. Die Ampel zeigt grün. Der Menschenstrom quillt über die Straße auf den Gehweg und strömt zum Flughafen.

Rollkoffergeschepper und Zielstrebigkeit. Ein Gefühl von Schicksalsgemeinschaft ist es, das mich immer wieder grinsen lässt.

Ich gebe meine Reisetasche auf und setze mich in ein Café. Freies Wlan, juhu!

Handys sind feine Reisegefährtinnen irgendwie. So vergeht die Zeit wie im Flug. Ähm, ja. Wie im Flug stimmt genau. Schreibend fliege ich jetzt durch die Nacht. Unter uns Bayern, rechts der Schwarzwald.

Und nun döse ich. Das kleine handgemachte Schweizer Sandwich hat köstlich geschmeckt, das Schweizer Schokolade-Stück werde ich dem Liebsten aufs Kopfkissen legen.

Sinkflug. Zwanzig Minuten bis Zürich.

Ich sag es ja, dir Zeit vergeht manchmal wie im Flug.

Zürich-Flughafen. Freundlich werde ich von der Bordcrew schweizerdeutsch verabschiedet. Wohltuende Laute. Heimatgefühle.

Der Zug kommt gleich und nun fahre ich auch schon heimwärts durch die Nacht.

Sein

Über Menschen und ihre Geschichten Erkenntnisse über das Leben zu gewinnen, Dinge zu verstehen, Zusammenhänge endlich zu sehen, ist mir die liebste Art des Lernens.

Mit Frauen am Tisch zu sitzen, zuzuhören, selbst zu erzählen, zu essen, das nahe Kloster und den wunderbaren Klosterkräuter- und Gemüsegarten zu genießen, gemeinsam durch eine Kleinstadt namens Tangermünde und an der Elbe entlang zu spazieren, ist eins. Dies mit Frauen zu tun, die ich bisher nur von ihren Blogs und aus unzähligen Mails kannte, ist etwas anders. Irgendwie surreal. Irgendwie verrückt. Die virutelle Welt ist auf einmal ganz real geworten.

Wir – die Mützenfalterin, Kerstin und ich – sitzen in Kerstins Wohnzimmer, das Kaminfeuer brennt, und trinken ein Glas Rotwein.


Ich bin ganz da. Ich höre. Ich fühle. Ich rieche. Ich spüre. Ich teile. Ich bin ganz offen. Auf einmal sehe ich uns von außen zu. Sehe dieses Wunder der Gemeinschaft. Staune. Bin einfach nur dankbar, hier so ganz und gar ich sein können zu können und zu dürfen. Als würden wir uns schon ewig kennen, kommt es mir zuweilen vor.

Nach einer Kopfwehnacht mit einer Migräneattacke am Samstagmorgen hatte ich kurz mit dem Liebsten telefoniert. Er meinte mit weisem Augenzwinkern, das ich vor mir sah ohne es zu sehen, dass mein Kopfweh um 10 Uhr vorüber sei.

Sich selbsterfüllende Prophezeiung? Voraussicht? Orakel oder Wahrsagung? Egal. Es hat gewirkt. Im Laufe des Tages haben sich schließlich auch die letzten Reste des tagelangen, wetterwechsel-hormon-aufregungsvorfreude- und vollmondbedingten Kopfwehs gänzlich verkrümmelt.

Wunderbar tief habe ich heute Nacht geschlafen, geborgen und wohlig in Kerstins Bett. Wir haben, da wir nur zu dritt waren, gestern schon das Kloster verlassen, das zwar sehr gemütlich war, für Kerstin aber natürlich ein Hin und Her zwischen Zuhause und uns bedeutet hatte. Ihr Partner hatte uns das Feld geräumt. Alles hat gepasst. Im Nachhinein muss ich sogar den gemeinsam erlittenen Kopf- und Zahnschmerzen etwas positives abgewinnen. Gemeinsames Leiden schafft eine neue Ebene des Verstehens. Nein, Schmerz adelt nicht, Leid noch weniger – so meine ich es nicht. (Ach, ihr wisst schon.)

Nur zu dritt? Das “nur” bezieht sich auf Ulli, die mit Grippe im Bett liegt und leider nicht hierher fahren konnte. Sie war dennoch in unserer Mitte, wie es auch viele andere Menschen, unsere Partner und auch mal andere Bloggende waren.

Konkurrenzlose, liebevolle Verbundenheit.

Immer wieder sprechen wir über unsere Ideale, darüber wie die Welt sein sollte, könnte. Wie es sich besser leben ließe. Wir venetzen Vergangenes mit Gegenwärtigem, Erlebtes, Erfahrenes verorten wir in der Zeitachse und erkennen Parallelen.

Spannend ist dieses Treffen auch aus kultureller Hinsicht: Eine Ossi, eine Wessi und eine Schweizerin, alle praktisch gleich alt. Alle drei in unterschiedlichen gesellschaftlichen Kontexten groß geworden. Vieles, was ich nicht verstehen kann und es dennoch verstehe. Zumindest annähernd.

Ich freue mich nun auf einen sonnigen Sonntag und auf all das, was wir gemeinsam noch erleben werden.

Wie es wohl dann sein wird, heute Abend, wenn ich mich in mein Schweizer Bett fallen lassen werde? Das ist aber noch gaaanz weit weg. Die Zeit dehnt sich aus und fast ist es mir, als wäre ich schon ganz lange hier.

Ich wünsche uns allen hier und dort und euch allen, die das hier lesen, einen wunderbaren Sonntag, allein und/oder mit andern.

Auf das Leben!

 

Die Reise

Ich sitze auf Platz B. Nicht Fenster, nicht Gang. Am Fenster eine deutsche Frau, die die Bunte liest und die Armstütze annektiert hat.

+++ Wir rollen aufs Flugfeld. Stehen nun da. Bereit.

+++ Rechts von mir, am Gang, eine junge Frau, Schweizerin, die ein Gesundheitsheft studiert. Schlanke Frauen, Rezepte, Diäten.

+++ Nun fliegen wir. I love it

+++ Pinkeln. Lesen. Essen. Dösen.

+++ Landeflug. Es geht abwärts. Kaugummi hilft immer. Das Land kommt näher.

+++ Unten. Immer wieder neu ein kleines Wunder, wie sanft so ein schweres Metallteil auf der Erde aufsetzen kann. Das Liftfahrgefühl hat ein Ende, das ich am Landeflug so mag. Wir rollen zur Landebahn.

+++ Die im Glashaus sitzt. Nach dem ich die Überfliegerin war, vorhin, sitze ich nun am Ende von Gleise vier. Im geheizten Wartehäuschen, das zwar auch schon bessere Tage gesehen hat, aber bezaubert mit Rundumverglasung und Wärme. Hier ist es nicht so schön wie daheim. Es hat sogar ein wenig geregnet, als wir aus dem Flugzeug gestiegen sind. Grauverhangen der Himmel. Aber morgen! Morgen wird’s auch hier schön. Hier und bei Kerstin.

+++ Herrliche Szene vorhin am Billettautomaten, ähm, sorry, Fahrkartenautomaten natürlich. Alle meine MitüberfliegerInnen wollten offenbar mit dem Zug in die Stadt. Gruppenweise standen sie an, diskutierten über die Knöpfe, die zu drücken seien, über Tarife, über dies über das. Köstlich. Und gänzlich stressfrei.

+++ Ich habe nach Brandenburg gelöst und werde kurz nach halb drei dort sein. Viertel vor acht bis viertel vor drei: sieben Stunden Reisezeit. Nun ja, das ist es mir wert.

+++ Ich bin müde und entspannt. Vorfreudig auch, ja, aber die Nervosität ist von mir abgefallen. Ich bin hier bei mir. Und dieses Häuschen hier kommt mir gerade recht.

+++ Bald kommt der Zug. Vorher will ich noch bloggen. Tagespass und deutsche SIM-Karte-sei-Dank ist das kein Problem.

Wenn eine eine Reise tut

Wie lange bin ich nicht mehr so früh aufgestanden? Und wie lange bin ich schon nicht mehr so früh morgens Zug gefahren? Und wie anders ist es, wenn man frühmorgens um acht nach Basel-Flughafen fährt, als wenn man perversfrühmorgens um halb acht ins Büro fährt und dazu anderthalb Stunden Weg hin und am Abend wieder anderthalb Stunden zurück hat.

Bin ich froh, dass das vorbei ist.

Basel. Nordwärts fahre ich.

Noch nordwärtser fliege ich danach. Berlin-Schönefeld ist mein erstes Ziel. Mit dem Zug nach Brandenburg oder was anderes in der Richtung. Von dort schließlich mit dem Privattaxi called Kerstin the Eckisoap ins Kloster. Oder so.

Am Abend kommt Frau Mützenfalterin dazu und morgen die Vierte im Bunde, Ulli vom blauen Café Weltenall.

Das kann ja heiter werden. Lustig und ernst. Ich hoffe auf feine Gespräche, gemeinsames Lachen, Kichern, Tratschen und Schweigen. Und auf tiefes Verstehen. Ja. Das ist so ene Ahnung und Hoffnung, die ich habe. Und es ist auch das, was mich bereits jetzt mit diesen drei Frauen, von denen ich erst Ulli persönlich kenne, verbindet. Viele Mails haben wir alle schon getauscht, viele Herzgedanken, wie das nur Frauen können, die schon vieles erlebt, erlitten und erkannt haben.

Frauenpower ist etwas Wunderbares. Etwas Nährendes.

Na ja, Frauen können leider auch anders. Können sich gegenseitig mit Zickenkriegen und dergleichen mehr, mit Vergleichen, mit Eifersüchteleien bis aufs Blut zerstören. Nicht nur Frauen, nein, aber zuweilen haben Frauen diese ganz fiese Art drauf, die ich bei Männern so noch nie gesehen und erlebt habe. Darin unterscheiden sich die Geschlechter auch, finde ich. Und ja,  natürlich machen sich auch Männer gegenseitig fertig, wenn es sein muss.

Warum eigentlich?

Nein, darauf suche ich keine Antwort. Nicht jetzt jedenfalls.

Jetzt will ich einfach nur genießen. Die Reise, so gut es mit meiner ganzen Nervosität überhaupt geht, die ich in mir habe. Genießen auch mit all der Vorfreude. Wie es wohl sein wird? Meine erste Bloggerlive-Begegnung – die mit Mösiö Irgendlink vor bald sechs Jahren – war jedenfalls sehr nachhaltig. 🙂

Gleich Rheinfelden. Bald Basel. Umsteigen.

Kurz nach zwölf lande ich in Berlin. Drückt mir die Daumen, dass alles klappt. Hach, ich Landei …

Winke-winke!