Friss Kilometer, aber langsam | #kursnord

Was soll ich sagen? Da dachte ich, das wars jetzt mit schön und so. Schließlich sind wir auf dem Heimweg. Autobahnen. Kilometerfresserei. Südwärts. Und dann das.

Noch in Løkken entscheiden wir uns, statt auf die Nord-Süd-Autobahn zu fahren, die Küstenhauptstraße Richtung Süden zu nehmen. Etwa die gleich lange Strecke, wenn auch bei weniger hoher Geschwindigkeit. Passt, denn wir wollen ja eine letzte Nacht in Dänemark campen. Bei Ribe vermutlich, da wir für den Campingplatz dort, der zur Kette des letzten Platzes gehört, eine Gutschrift mit auf den Weg bekommen. Unterwegs halten wir mal da mal dort – pinkeln, picknicken –, essen auf einem kleinen Campingplatz mit den letzten dänischen Kronen ein Leckeis und beschließen dort, weiter nach Rømø zu fahren. Weil ein Instagram- und Twitterfreund am Vortag von dort ein Bild gepostet hat. Und weil das Bild so schön war. Und weil Irgendlink sich an einen Ausflug dorthin vage zu erinnern meint. Oder so.Mir ist ein bisschen schlecht. Schwindlig. Müde Augen vom Gegen-die-Sonne-fahren. Also setzt sich Irgendlink ans Steuer und ich schlafe fast sofort ein. Erst als er eine Stunde später verlangsamt, um vor einem Laden anzuhalten, wache ich auf.

Gleich Rømø!, sagt er. Ich bin extra supersanft gefahren (als ob er das nicht auch sonst täte, der Gute!), damit du nicht aufwachst.

Danke!

Während ich langsam aufwache, holt er schnell noch zwei Flaschen Bier (nein, kein schwedische Leichtbier mehr, sondern malziges, leckeres, richtig feines), Milch und so weiter.

Ich gestehe übrigens freimütig, dass ich bis vorgestern noch nicht einmal wusste, dass es Rømø gibt, geschweige denn, was es ist. Eine Insel nämlich, eine, die nur über einen Straßendamm zu erreichen ist. Rechts und links Meer. Wir aaahen und ooohen und freuen uns wie kleine Kinder und ich bin so froh darüber, mich so freuen zu können.

Einmal geradeaus zum Meer bitteschön. Was für ein Strand! Sooo breit, sooo lang. Mit Autos befahrbar. Was wir auch tun. Aber nicht zu weit, sonst kommen wir womöglich da nie mehr wieder weg. Was auch nicht sooo schlimm wäre, eigentlich.

Nach einem kurzen Temperaturcheck des Wasser sind wir zu allem bereit, ziehen uns die Badeklamotten an und … ach, es tut sooo gut und ist nach der Tageshitze sooo erfrischend. Der Wellengang ist moderat, ein kühles Lüftchen macht die Hitze erträglich und das Wasser ist, weil der Strand ziemlich flach ist, perfekt: nicht zu kalt, aber auch nicht lauwarm.

(Wann immer ich etwas so herzhaft genießen kann, denke ich an Freundinnen und Freunde die aus ganz unterschiedlichen Gründen solche Reisen nicht machen können und genieße herzhaft für sie mit. Und hoffe dabei, dass sie nicht neidisch sind, sondern mein Mitgenießen spüren können.)

Später fahren wir zum Campingplatz am Südzipfel der Insel. Nicht so mondän wie jener beim großen Strand, dafür genau wie für uns gemacht. Viel Platz. Ein relativ einfaches Badehaus. Der nahe Strand, den wir nach Zeltaufbau und Abendessen aufsuchen. Direkt am Meer ein Islandpferde-Gestüt. Magisch ist es, wie da im abendlichen Dämmerlicht die Pferde über die Wiese wogen. Am kurzen Gras zupfen. Fliegen mit den Schwänzen abwehren. Eine Stute mit Füllen nimmt dankbar ein bisschen abgerupftes Gras aus meiner Hand an.

Da ist sie wieder, immer wieder, diese Dankbarkeit darüber, dass ich genau im richtigen Moment von einer Versicherung Geld zurückerstattet bekommen habe. Es ist gut investiert: In Erlebnisse, in diese Reise!

Ja, reden wir Klartext: unser Reisebudget ist klein und ja, unser Lebensstil ist einfach. Und ja, Zelten mögen nicht alle. Aber: Hätten wir diese ganzen Strecke im Voraus so geplant – womöglich in vollklimatisierten Hotelzimmern, alle Orte, alle Plätze, alle diese wunderbaren Strände, Sonnenuntergänge, Berge, Hügel, Seen … es hätte mich gestresst. Es wäre für mich eine einzige Hetze von Ort zu Ort geworden, ein einziges Abhaken von Programmpunkten. So aber, in diesem Schauen-wir-mal-Modus ist jeder Tag eine Wundertüte. Und – wie so oft – liegen die besten Dinge zuunterst. (Das Beste am Schluss stimmt aber auch nicht wirklich, denn ich möchte keinen Tag missen.)

Fällt mir ein, dass ich ganz unten in meiner schwedischen Goodiestüte noch eine Toffeestange und eine Lakritzeschnecke liegen habe! Die soll uns die Rückkehr versüßen.

Meerbilder und eine Ansicht von Tisch, Auto und Zelt als Collage

Geschichten vom Meer | #kursnord

Der Tag fing eigentlich ganz okay an gestern. Na ja, so okay wie es mit Regen eben ist, wenn man im Zelt liegt. Aber gerade weil ich im Zelt lag, war es ja okay, dass es regnete. Denn fast hatten wir es ja ein bisschen vergessen, dieses Regending und nun hatte es uns eben wiedergefunden. So what?

Noch während ich gestern gebloggt hatte, war die Regenfront abgezogen und das Zelt trocknete vor sich hin. Gute Sache, so ein Windchen. Bei meinem kleinen Spaziergang zum WC hatte ich festgestellt, dass die dortigen Duschen für Heißwasser einen Coin oder eine Münze brauchen. Wie gut also, dass wir am Vorabend, bei geschlossener Rezeption, gar nicht erst versucht hatten, heiß duschen zu gehen. In der jetzt geöffneten Rezeption erklärte mir die freundliche Wartin, dass dieses alte von uns benutzte Badhaus nicht mehr oder noch nicht in Betrieb sei. Jedenfalls nur kaltes Wasser und so. Für das neue Duschhaus – am andern Platzende – brauche es eine Chipkarte, die mit soundsovielen Heißwasserminuten aufgeladen sei und die sie am Schluss, wenn wir gehen und die Zeche zahlen, auslese und unsere Duschzeit auf die Zeltplatzrechnung draufschlage. Aha.

So ganz erschließt sich mir ja nicht, dass die Duscherei auf immer mehr Campingplätzen separat berechnet wird. Und überhaupt, ich vermisse die guten alten Campingplätze ohne Schranken, mit Pauschalpreisen, mit ganz normalen kuscheligen Plätzen und Räumen. Diese neue Hypermodernität macht mich nachdenklich. Immer mehr Animation gehört offenbar zum Campingplatzleben, immer mehr Pfannenfertigkeit von Konsumgütern. Wollen das die campenden Leute wirklich? Ist es ‘nur’ die Antwort auf Nachfragen? Was war zuerst? Nehmen wir den Platz hier, ein bisschen südlich von Løkken, wo wir gestern Abend fast zufällig gelandet sind. Denn eigentlich hatten wir ja gestern viel weiter vorankommen wollen. Südlicher nachtlagern. Damit die letzten zweieinhalb Reisetage nicht ganz soooo lange werden. Kilometerfressen, nennen wir das. Daraus war nichts geworden. Aus Gründen. Die mit M anfangen und mit eer aufhören.

Zurück zum aktuellen Zeltplatz. Wie so oft in dieser Jahreszeit war auch diese Rezeption nicht mehr besetzt. Dafür stand da so ein Eincheckautomat. Wie an Flughäfen. Wir klickten uns in einer Mischung von abgestoßen, angezogen und fasziniert durch die Menüs und landeten bei der Zeltplatzkarte, auf der der gewünschte Platz anzuklicken wäre. Doch dazu müssten wir ja den Platz kennen, der sich da riesig – und ich meine: RIESIG! – vor uns ausbreitete.

Wir spazieren los. Überall Wegweiser. Einer zu einem Familienbadehaus. Hm. Sollen wir da in der Nähe …? Vorne war noch ein weiteres Badehaus, ein kleineres, und in der Nähe ein guter Zeltplatz, nicht direkt an der Hauptstraße, der uns gefiel. Nummer 207.

Zurück bei der Rezeption das gleiche Automatenspielchen von vorne. Bloß blöd, dass der Automat außer Platz 137 und Platz 138 nichts konnte. Ich wollte schon klein beigeben und murmelte ‘ist ja egal, kosten tun ja wohl alle gleich viel‘, als ein Mann aus dem Häuschen neben der Rezeption trat und uns zu helfen versprach. Er radebrechte halbwegs gut auf Deutsch mit uns und wollte uns unbedingt einen Platz in der Nähe des neuen ultramodernen Badehauses andrehen. Doch wir blieben hart. 207. Das andere Badehaus war nämlich sehr okay, nicht so groß, überschaubar und den Platz hatten wir persönlich ausgewählt. Also: Platz 207 bitteschön. Zum Glück habe ich meine Campingapp noch nicht vom Handy gelöscht, denn hier ist sie ebenfalls gültig. Wieder bekommen wir Chipkarten für die Dusche, die beim Auschecken ausgelesen werden. Die Rechnung wird auch dann bezahlt. Puh. Geschafft.

Gestern morgen waren wir ziemlich überrascht, wie groß der schnuckelige kleine Campingplatz dann doch war, als wir uns auf dem Weg zur Abwaschküche und zur Dusche aufgemacht hatten. Vorbei an einem Spielplatz mit Hüpfburg.

Auf dem Weg zurück zum Zelt gab es kein Halten mehr. Irgendlink und ich betraten das seltsam gestreifte Ding. Noch nie hatte ich eine Hüpfburg betreten, noch nie diese Lust verspürt, herumzuhüpfen, wie ich sie gerade jetzt erlebte. Tolles Gefühl irgendwie, trampolinartig, raufrunterraufrunter. In einer Pfütze, die die noch zaghafte Sonne noch nicht aufgetunkt hatte, rutschte ich aus und landete ziemlich unsanft, der linke Fuß knickte um und es schmerzte kurz höllisch. Bald ließ er zum Glück nach und ich setzte mich auf eine Schaukel. Solche Spielplätze sollte es definitiv und offiziell auch für Erwachsene geben, dachte ich – wie schon oft. Die Welt sähe besser aus.

Zurück beim Platz packten wir unsere Sachen und fuhren los.

Erstes Ziel: Grenen. Dieser wirklich nördlichste Zipfel des nördlichsten Ortes Dänemarks. Der Punkt, wo sich Kattegat (Norden, Ostsee) und Skagerrak (Süden, Nordsee) begegnen, diese beiden Meeresströmungen aufeinander prallen, sich vereinend. Faszinierender Platz! Die Idee, meinem Bruder, der morgen Geburtstag hat, eine Dose Nordsee mitzubringen, kommt spontan. Gesagt getan, denn die Pfanddosen aus Schweden können wir hier ja eh nicht mehr umtauschen. Macht Spaß, Meer und Sand und Steine und Muscheln in die kleine Öffnung zu quetschen. Zum Abschied lasse ich die Dose ein bisschen von Meer umspülen.

Nach einem längeren barfüßigen Strandspaziergang zum allernördlichsten Punkt des nördlichsten dänischen Zipfels tut mein Fuß so weh, dass ich froh bin über den Shuttleservice zurück zum Parkplatz. Das Passagiergefährt wird von einem Traktor gezogen und wir können uns gerade noch reinquetschen. Eine Schulklasse, ein Haufen vielleicht Vierzehnjähriger, hat heute und hier wohl Klassenfahrt. Spannende Sozialstudie das!, sag ich da nur.

Wir fahren ein Stück weiter südwärts wo eine Wanderdüne einen Leuchtturm verschlungen hat. Vor sechs Jahren war Irgendlink bei seiner Tour um die Nordsee hier gewesen. Nun sieht alles anders aus. Vom Turm ist mehr zu sehen als damals, man kann ihn sogar besteigen. Hier war damals der Fahrradparkplatz, heute ist hier fester Sand. Kaum kann man es sich vorstellen, wie das alles geschehen kann, wo dieser ganze Sand doch so kompakt wirkt. Eine Tafel zeigt an, wo in vierunddreißig Jahren die Sandlinie stehen wird. Das macht Hoffnung, irgendwie, auch für die Menschheit. Was wird sich bis dahin alles verändert haben? Zum Guten? Zum Schlechten? Gesellschaftliche Sandlinien, die Wandlungen verheißen.

Wir picknicken, doch langsam ziehen Regenwolken näher und so spazieren wir zum Auto zurück. Ich bin froh, dass ich mir vor diesem Spaziergang den Fuß eingesalbt und verbunden habe. In den festen Schuhen geht es sich schmerzfreier.

Kaum sind wir im Auto, regnet es. Allerdings nicht sehr lang und nicht sehr fest und bald ist der Himmel wieder hellblau.

Wir kaufen ein und suchen uns einen Campingplatz. Meine Laune ist, wegen der Fußschmerzen und der Gedanken an das baldige Ferienende eher auf Halbmast. Ich bin müde, gereizt und entscheidungsunfreudig. Und nerve mich darüber, dass ich so bin. Der Liebste hält das einfach aus, hält mich aus, hält mich. (Danke!)

Schließlich sind wir, wie gesagt, hier gelandet. Nach dem Essen, die Sonne zeigt sich endlich wieder unverhüllt und es ist abendlich warm, beschließen wir einen kleinen Strandspaziergang. In den Dünen, die wir zuerst durchwandern, stehen wie hingetupft, da und dort Ferienhäuschen. Die meisten an kleinen Sackgässchen, die – wie ich vermute – die Namen der BewohnerInnen tragen.

Endlich am Strand. Ich ziehe Schuhe, Socken und Verband aus, denn die Schmerzen sind deutlich weniger geworden.

Irgendlink erinnert sich daran, wie er damals, mit Ray zusammen, diesen Strandweg entlang gefahren ist. Elf Kilometer Sandpiste. Wir sehen Autos in der Ferne. Die Szene hat etwas Surreales, im Licht der untergehenden Sonne erst recht. Aus Jux markiert Irgendlink mit den Füssen einen Zebrastreifen über die Fahrspuren. Auf dem Rückweg verirren wir uns nur dank Navigationsapp nicht in den vielen kleinen Weglein in den Dünen. Meinem Fuß geht es noch immer gut bis sehr gut. Nur noch ein bisschen geschwollen ist er, aber das wird schon.

Vollmond. Pinker fetter Mond am helllblaugrauen Abendhimmel. Herrlich! Apropos: am Nachmittag war ja Vollmond! Was meine Laune erklären könnte? Und jetzt, jetzt geht es mir auch schon wieder viel besser …

Die Nacht ist heiß und die Hitze im Zelt weckt uns um halb acht. Mit Durchzug, wie jetzt, und von Winden umtost, ist es nun aber sehr gemütlich im Zelt. Kein Vergleich mit einem Hotelzimmer. Sagte ich schon, dass ich gerne zelte?

Collage mit Szenen vom Tag, Meer, Strand, Düne, Leuchtturm.

Vom Kattegat zum Skagerrak | #kursnord

Jetzt aber! Der Regen gibt alles, holt nach, holt auf vielleicht schon bald. Die Erde freut sich, trinkt, saugt auf, während ich diese Zeilen hier schreibe. Wir sitzen im Zelt und nippen an unseren heißen Getränken. Zwischen zwei Regenpausen ist Irgendlink kurz rausgehuscht, um Kaffee und Tee zu holen, desgleichen ich, später, für die Tastaturen. Und nun sitzen wir da. Über uns das schützende Zeltdach. Hat was. Zumal die Aussichten nicht schlecht sind, dass die Regenfront mit ihren Gewittern, die wir gestern und in der Nacht erleben konnten, weiterzieht.

Nach unserer Siesta gestern in der Göteborger Kirche sind wir – in weiser Voraussicht, wie wir später erkannten – auf direktem Weg und trockenen Fußes zurück zum Auto spaziert. Dieses hatten wir bereits in der Spur für die Fähre geparkt und nun stand es in bester Gesellschaft anderer Autos nach uns. Überholt hatte uns niemand, obwohl wir extra so geparkt hatten, dass das kein Problem gewesen wäre. (Das sähe in Deutschland vermutlich ganz anders aus.) Kurz vor der Rückkehr zum Hafen hatten wir unsere letzten hundertfünfzig Kronen in Zimtschnecke (ich), Donuts (er) und zwei Falafel investiert. Ohne schwedisches Bargeld sind wir hierher gekommen, ohne schwedisches Bargeld gehen wir. 

Kaum sitzen wir im Wagen, öffnet sich der Himmel. Fast orkanartig prasselt der Regen gegen die Fensterscheiben, während wir unser leckeres letztes Mahl in Schweden verspeisen. Wir sind noch über eine Stunde zu früh, die Fähre startet um sechzehn Uhr. Schau an, in meinem Goodiesbeutel, den ich mir während unserer ersten Schwedenwoche gekauft hatte, ist doch tatsächlich noch etwas drin. Zum Glück, denn so Lakritzeschnecken versüßen Schwedenabschiede und Wartezeiten doch sehr.

Nächste Szene: Fährenntetris. Mit unglaublicher Präzision dirigieren die Fährmänner unser Auto in die genau richtige Lücke. Ganz und gar unbedeckt allerdings. Was beim aktuellen Wetterchen nicht gerade lustig ist. Halbwegs trocken besteigen wir die Treppen ins Schiffinnere und verirren uns sogar ein wenig, da wir ja die ersten sind und zum ersten Mal auf dieser Fähre; und auch niemandem hinterherwatscheln können. So führen wir allerdings jene, die uns hinterherwatscheln erstmal falsch, Richtung Sonnendeck, wo der Regen uns kalt erwischt. Meine Turnschuhe und Socken sind von den tiefen Pfützen inzwischen nass. Zum Glück hat Irgendlink vorsorglich die Wanderschuhe angezogen. Well done.

Was für ein Kahn! Zum einen riesig – zehn Stockwerke hoch –, zum anderen … nun ja: In allen Räumen und Wänden hängen plappernde Fernseher, die einen wechselnden Mix aus Schwarzweißkino, Werbung, Kinderprogramm und Naturfilmdokus zeigen. Und natürlich auch – wie im Flugzeug – einen Film für Notfälle. Rettungswesten. Rettungsboote. Rettungswege. Ein Spielcasino für große und kleine Kinder darf natürlich nicht fehlen. Auch nicht die Kabinen in den Zwischendecks mit Duschen für die Fernfahrenden von all den Brummis, die mit uns auf der Fähre sind. Dann natürlich Zollfreishop. Kiosk mit Bücherladen. Kinderparadies. Pi Pa und Po hoch neunundvierzig. 

Außer Ruhe, Ruhe gibt es kaum. Gut, dass ich ein wenig Vorrat im Gepäck habe. 

Als der Regen dann doch endlich aufhört, gehen wir aufs Sonnendeck und begrüßen sie, die Sonne, die sich zwar noch immer bedeckt hält, aber doch da und dort hinunterblinzelt. Kalt ist es zum Glück nicht, um die siebzehn Grad oder so.

Zurück in den Aufenthaltsräumen finden wir eine etwas ruhigere Ecke und ich fange einen neuen Krimi zu lesen an; das angefangene Buch mit den schwedischen Kurzkrimis ist gestern abgelaufen. Wie so ein Stück Käse, nur in Geschichten.

Kurz nach sieben Uhr ist Land in Sicht. Wir stehen wieder draußen und sehen den Hafen Frederikhavns näher kommen. 

Und auf einmal sitzen wir im Auto. Und auf einmal rollen wir von der Fähre und auf einmal fahren wir durch Dänemark Richtung Skagen, diesen nördlichsten Zipfel der dänischen Halbinsel. Vom Kattegat in den Skagerrak. 

Da drüben, sagt Irgendlink, dort irgendwo müsste die versinkende Kirche sein – als auch schon ein Wegweiser auftaucht. Sollen wir morgen hin fahren oder heute noch? Ach, komm, ist ja nicht weit. Und schon biegen wir ab und fahren fast an einem Campingplatz vorbei, den wir hier nicht erwartet hatten. Es ist ruhig, so ruhig, dass wir überlegen, hier zu bleiben statt zu jenem Platz zu fahren, auf welchem Irgendlink auf seiner Tour um die Nordsee vor sechs Jahren mit Ray gezeltet hatte. Die Schranke öffnet uns die Platzwartin via Fernbedienung, als Irgendlink die Nummer an der Rezeption anruft. Magiiieee! 

Das schöne Wetter lockt uns nach dem Zeltaufbau zur versandeten Kirche, die sich uns sonnenuntergangsbeleuchtet präsentiert. Ein kleiner Abstecher auf einen kleinen Hügel, der uns einen herrlichen Ausblick auf das Meer beschert. Auf dem Rückweg folgen wir kleinen Wanderwegen und staunen immer wieder über die Schönheit dieser Landschaft. Wanderdünen. Sandig-kiesiger Waldboden, Büsche, Bäume und da: ein Rast- und Abenteuerspielplatz mitten im Wald. Hier möchte man Kind sein!

Zurück kochen wir vor dem Zelt, doch die Mücken werden immer anhänglicher und so essen wir drin. Und schon bald fängt der Regen an. Und die Augenlider werden immer schwerer.

Nachts Gewitter. Keine Stürme bis jetzt, zum Glück. Dafür Regen. Viel Regen. Jetzt scheint sich die Regenfront verabschiedet zu haben.

Wir fahren heute weiter bis an die Nordspitze und dann der Westküste Dänemarks entlang Richtung Süden. Kurs Nord-Süd.

Der Sand in unserer Feriensanduhr rinnt unaufhaltsam durch das Loch. Von mir aus könnten wir gut und gerne noch ein paar Wochen so weiterreisen. Überhaupt: Es fühlt sich an, als wären wir schon seit vielen Monaten unterwegs. Die Zeit, die Zeit …  

Göteborg

Aufnahmen aus Göteborg von unterwegs und in der Kirche als Collage

Die Überfahrt

Verschiedene Aufnahmen von Schiffsdetails, des Meeres, des Landes vor Abfahrt und Ankunft als Collage

Skagen und seine im Sand versunkene Kirche

Collage mit diversen Aufnahmen des versunkenen Kirchturms. Man sieht noch den Teil ab Oberhälfte der Tür

Ein Regenlied | #kursnord

Ich habs ja nicht so mit Kirchen. Dennoch bin ich jetzt froh, dass wir, gerade als der Himmel sich zuerst zögerlich, dann immer heftiger zu öffnen begann, im Gelände der Svenskakyrkan ‘Masthuggskyrkan’ herumgelungert sind. Wir waren vom Hafen, wo wir das Fährticket gekauft und das Auto geparkt hatten, Richtung Stadtzentrum spaziert, als uns auf einmal rechterhand eine Treppe bergan lockte. Mitten in den Häusern der Stadt ein felsiges Gelände: Das wollten wir uns unbedingt ansehen. Vielleicht ein kleiner Park?, hatte ich gemutmaßt. War es. Ein Kirchpark. Mitten drin eine große ziegelsteinge Kirche.

Als der Regen einsetzte, waren wir froh, dass ihre Türen offen standen. Nix wie rein und Tür zu.

Stille. So umfassend, dass jedes Geräusch und die berühmte Stecknadel lärmen.

Beim ersten Versuch, die Kirche zu verlassen, fing gerade der nächste Regenguss an. Fast hagelartige harte Tropfen prasselten auf uns herab, so dass wir schnell wieder in die Kirche flohen. Blitz und Donner über Göteborg. Selbst durch die dicken Kirchenmauern hören wir das Gewitter.

So sitzen wir also zum zweiten Mal im Pilgergastraum in einem Nebentrakt des Gebäudes. Auf bequemen Polsterstühlen. Danke, Schwedenkirche.

Schon gestern Abend, als wir uns der Stadt genähert hatten, hatte sich der Himmel verschleiert und kurz nachdem wir am Askim Camping Göteborg unser Zelt aufgebaut, gekocht und gegessen hatten, mussten wir vor unseren ersten diesjährigen Schwedenregentropfen ins Zelt flüchten. Es hörte zum Glück bald wieder auf, so dass wir an den wunderbaren Nordseestrand spazieren konnten. Was für unbeschreibliche Stimmungen, die meine Handybilder in der Collage unten nur annähernd wiedergegeben können.

Nach der Dusche waren wir soeben wieder im Zelt, als es erneut heftig zu regnen anfing: Gutes Timing. Regentropfen auf dem Zeltdach als Schlummerlied. Selten schlief ich besser.

Den gestrigen Morgen hatten wir in Örebro verbummelt, sind aber doch noch irgendwie weggekommen. Über die Autobahn und Landstraßen fuhren wir häppchenweise weiter südwestwärts. Vorwärtsprokrastination. Da eine Pause, dort ein Pipihalt und schließlich noch den Vänernsee, unweit von Lidköping, mit meinen Füßen bekannt machen. Die Hitze war gewaltig. Ich bin froh, dass die Nacht Kühlung brachte.

Ein bisschen seltsam ist mir zu Mute. Der Abschied von Schweden – auf unbestimmte Zeit – macht mich traurig. Die bevorstehende Überfahrt nach Frederikshavn, im Nordosten Dänemarks macht mich hibbelig und beides zusammen erzeugt eine Spannung, die ich nicht sehr mag. Darum ist es vielleicht ganz gut, dass wir jetzt hier sind. Diese Ruhe tut gut.

Das Gewitter scheint sich, während ich geschrieben habe, verzogen zu haben.

Ob wir zurück zum Hafen sollen? Oder Weiterbummeln?

Diverse Strandsonnenuntergangsstimmungsbilder als Collage
Diverse Strandsonnenuntergangsstimmungsbilder als Collage

Örebro | #kursnord

Örebro also. Grad recherchiert Irgendlink, dass jenes flächendeckende Kunstevent – Open Art –, das uns vor drei Jahren den Stadtspaziergang durch Örebro so vergoldet hat und im doppelten Sinn zu einem Artwalk hat werden lassen, nur alle zwei Jahre stattfindet. Aha. Das erklärt einiges.

Wir parken in einer Nebenstraße und finden – oh Wunder! – einen Automaten, der Münzen frisst. Wir kaufen uns zwei Stunden Parkzeit. Für vier Kronen. Nicht viel, aber es fühlt sich gut an, so als würden wir damit unsere bisherigen Parkschulden aus Malmö und Uppsala gleich mitbezahlen. Das Ticket sagt, dass wir hier bis Montagmorgen halb neun stehenbleiben dürfen. Oh, Wochenende ist gratis? Steht das irgendwo? Oder weiß man das hier einfach? Egal. 40 Cent tun nicht weh.

Schwedischer Parkautomat

Die Suche nach allgegenwärtiger Kunst – Open Art – wie letztes Mal, vor drei Jahren, fällt also, wie gesagt, flach. Egal. Die Stadt ist auch so faszinierend. Ein kunterbuntes Getümmel. Von oben, auf dem großen Pilz – einem Aussichtsturm in Nordosten der Stadt, wo wir uns einen ersten Überblick verschafft hatten – war alles so weit weg gewesen. Nun stecken wir auf einmal mittendrin. Samstagsnachmittagfreizeitmenschsein ‘in da City‘. Handy und Kamera im Anschlag nähern wir uns dem Schloss.

Junggesellinnen und Junggesellen geben sich heute allüberall den Abschied aus dem alten Leben. Und – zack! – beim Schloss reichen sich nun auch die Bräute den Stab weiter. Vorne rein, hinten raus. Örebros Schloss scheint das Las Vegas Schwedens zu sein. So viele Hochzeitspaare habe ich echt noch nie aufs Mal gesehen. Und da drüben – wir haben uns auf eine schattige Bank gesetzt – wird ein Junggeselle mit einer Fußballelf auf dem Rücken sogar in den Bach gestürzt. Seine ernüchternde Taufe ins neue Leben? Sollten wir eines Tages je heiraten, machen wir bei sowas nicht mit!, schwören wir uns.

Auf dem Weg zurück zum Auto verirren wir uns. So viele Straßen, Sträßchen, Gassen und Gässchen aber auch! Und so viele Fotosujets. Fast bin ich überfordert von all diesem vielen Sehen. Dazu die Hitze.

Auf dem Zeltplatz zurück stellen wir fest, dass unser Zelt, das wir – wie vor drei Jahren – auf einem Hügel im Schatten von Kiefern aufgebaut hatten, nun doch Sonne abbekommen hat. Heiß ist es selbst hier und müssten wir nicht noch einkaufen, hätte ich mich einfach ein bisschen ins Zelt gelegt und ein Nickerchen gemacht.

Irgendlink erinnert sich ans Coop, ganz nah beim Campingplatz. Da hinten. Hinter den neuen Häusern, zeigt er vage Richtung Süden. Wir schlüpfen durch den Hinterausgang und spazieren durch die neue Siedlung. Nett sieht sie aus, schön gebaut. Modern. Steril noch irgendwie und mit wenig Grün. Einige Wohnungen sind bereits bewohnt. Wie es sich wohl lebt in so einem Neubaugebiet? Niemand nativ. Alle wurzellos, sinniere ich vor mich hin. Ohne Quartiertraditionen. Alles möglich, alles neu. Chancen zum einen, große Herausforderung zum andern. Sich neu erfinden zu können klingt möglich, ist aber durch die gesellschaftlichen Vorgaben wohl doch eher eine Illusion.

An Baustellen vorbei, auf Holperpfaden, finden wir den Eingang des Megaeinkaufszentrums. Diesmal zahlen wir mit Bargeld, weil wir ja morgen schon Schweden verlassen werden. Mit schweren Taschen – ein paar leckere Geschenke mit im Gepäck – ächzen wir zurück.

Kleine Siesta. Es ist sieben. Spaßbad ja oder nein? Vor drei Jahren war der Eintritt noch im Campingplatzpreis inbegriffen. Diesmal ist es nur noch der Eintritt ins Außen- und Innenschwimmbad. Die Lost City-Rutschen, auf die sich Irgendlink so gefreut hat, kosten jetzt zusätzlich. Hm.

Dennoch spazieren wir hinüber und schwimmen ein paar Runden im Inbegriffen-Bereich. Sich ins Spaßbad reinmogeln ist nicht möglich, weil wir elektronische Armbänder tragen, die manche Türen öffnen, manche nicht. Weil aber die Verbindungstür zwischen Schwimmbecken und Spaßbad zufällig offen steht, gönnt sich Irgendlink dann doch einmal Rutschen. Doch schon werden wir auf die Schließzeiten aufmerksam gemacht.

Nach dem leckeren Abendessen – es ist kühl geworden – ziehen wir uns in die eigenen fünf Zeltwände zurück, wo ich bei meinen Recherchen entdecke, dass wir uns   morgen auch ab Göteborg rüber nach Dänemark verschiffen lassen könne statt ab Varberg. Was einige Pluspunkte hat: Ich mag Göteborg, es ist ab hier weniger weit zu fahren und der dänische Zielhafen – Frederikshavn – liegt zudem auch näher bei Dänemarks nördlichstem Punkt – Skagen –, den mir Irgendlink zeigen und sich auch selbst nochmals anschauen möchte. Hier radelte er vor sieben Jahren, als er die Nordsee umfuhr, vorbei. Lange her.

Die Nacht ist weniger laut als wir befürchteten. Die samstagfeierabendlichen Stimmen im nahen Wohnquartier verklingen und auch die nahe Straße brummt erträglich laut.

Jetzt sitzen wir an der noch sanften Morgensonne vor dem Zelt und hacken vor uns hin. Ich mag das.

Diverse Szenen aus Örebro (Fassaden, Objekte etc.) zu einer Collage zusammengestellt

Hier kommen wir nie wieder weg | #kursnord

Weil ich heute so gar keine Lust zum Bloggen habe, heute nur eine kleine Liste zur späteren Erinnerung. Wenn ich mal alt bin und so.

Ein Tag in Uskavigården:

Gemacht:

  • Kurzes Bad
  • Rumgammeln
  • Frühstück
  • Zwei Partien Minigolf (yesss, wat mutt dat mutt)
  • Gemeinsam entscheiden, dass wir noch eine Nacht hierbleiben werden
  • Auf den Steg gehen und schwimmen
  • Vor der Hitze in den Schatten wechseln
  • Der Platz füllt sich allmählich mit Wochenendwohnmobilen
  • Dösen
  • Lesen
  • Muffin essen
  • Wir bekommen nette Wohnwagen-Nachbarn mit Hund auf unserer Zeltwiese
  • Nach Nora fahren
  • Artwalk/Spaziergang durch den Ort  an vertraute Plätze (2015)
  • einkaufen
  • kochen (Backofenseidank gibts Pizza)
  • noch eine Partie Minigolf
  • wegen der relativen Kühle heiß duschen
  • ins Bettchen hupsen

Gedacht:

  • Das Leben kann auch mal schön sein

Gefühlt:

  • Mir geht es seit zwei Wochen richtig gut

Fotografiert:

1.) Hier bin ich vor drei Jahren vom Zug aus Örebro in den Bus nach Uskavigården umgestiegen
2.) Die Straßen von Nora
3.) Öffentlich Luftpumpe für Räder, Kinderwagen, Rollstühle etc.

Heute fahren wir weiter nach Örebro. Hoffentlich ist der Camping nicht allzu voll. Wegen Wochenende und so.

Zuhausegefühle, aber in schwedisch | #kursnord

Ljusdal ist größer als wir dachten, stellen wir fest, als wir gestern Morgen die Stadt wieder verlassen. Am Abend hatten wir noch überlegt, zwei Nächte zu bleiben, doch die Landstraße Nummer 84, die nah am Zeltplatz entlangführt, ist doch recht laut. Nicht unbedingt nachts, aber morgens ging es früh los. Zuerst jedoch galt es, endlich unser Minigolfturnier weiterzuführen. 

Vor drei Jahren hatten wir nämlich damit angefangen. Seither gilt: Keine Reise ohne Minigolf. Daheim spielen wir das ja nie, es hat also diesen herrlichen Geruch von Ferien an sich, dieses Spiel. 

Tagesformabhängig gewinne mal ich, mal gewinnt er. Gestern war er dran. Ich scheiterte vor allem an der letzten Bahn. Eine metallene Rampe, an deren Ende ein ballverschlingender Schlitz zu treffen war. Fast möchte ich das als Gleichnis für meine Angst vor finalen Schritten sehen.

Weiter Richtung Süd und Richtung West also. Über Landstraßen, über Schotterpisten. Die über dreihundert Kilometer, die auf einer Autobahn vielleicht in drei bis vier Stunden zu fahren wären, dauerten bei uns einen ganzen Nachmittag. 

Mit vielen Pausen. Fotopausen. Pinkelpausen. Einkaufpausen. Tankpausen. Und ja, gestern sogar mit einer längeren Badepause. Denn die Sonne knallte doch ziemlich aufs Autodach. Draußen waren es angenehme fünfundzwanzig Grad, plusminus, und wir fuhren inzwischen durch das Land der Seen – kaum hörte einer auf, fängt der nächste an –, der Wälder, der falunroten Gehöfte, die wie hingetupft in der löwenzahngelbgrünen Landschaft standen. Immer wieder mal Hinweisschilder zu Badeplätzen … und da: auf einmal tauchte der Richtige auf. Man merkt sowas. Ich wendete und fuhr ein paar Meter zurück. 

Herrlicher See, gemütlicher Platz. Wir allein. Zeit für ein Nickerchen. Wir haben schon eine Weile gedöst, als ein zweiter Wagen parkt und eine Familie aussteigt. Zuerst reden die Kinder laut, dann flüstern sie. Oh, sie haben gesehen, dass wir schlafen. Wie rücksichtsvoll!

Eine junge Oma, eine junge Mutter und zwei Kinder. Das Mädchen vielleicht elfjährig, der Junge vielleicht sechs oder sieben. Sie steuern sofort auf den Steg zu und setzen sich in Kleidern drauf. 

Mist, lache ich, grad wo ich ins Wasser wollte. (Ich bin da ja ein bisschen eigen und gehemmt, was meine Kaltwasserangst betrifft und brauche oft ganz lange, bis ich es wage, loszuschwimmen.) Wenn die es schaffen, dann schaffen wir es auch, sagen wir zueinander, und so ziehe ich mich um. Die sehen ja schließlich ganz nett aus und so. Auf einmal verlassen sie den Steg, gehen zur Umkleide und ich nutze die Gunst der Stunde und wate ins Wasser. Kühl, es ist kühl. Nicht kalt. Nein, einfach nur erfrischend kühl. Ein bisschen unter meiner Wohlfühlgrenze, ein bisschen über meiner Schmerzgrenze. Dennoch, es lockt. Gerade als ich das Wasser wieder zu verlassen entschieden habe, ist ja doch recht kalt!, kommt das Mädchen schrittweise über den Sandstrand ins Wasser. In ihrer Unterhose. Sie verhält sich ähnlich zögerlich wie ich. Wir grinsen uns verschwörerisch zu. Sie wagt es auch nicht. Inzwischen ist der Liebste erwacht und beschließt ebenfalls, sich umzuziehen.

Gemeinsam gehen wir ins Wasser, zögerliche Schritte der Angewöhnung. Nicht mehr draußen, noch nicht richtig drin, doch jetzt fühlt es sich nicht mehr so kalt an wie das erste Mal. Und auf einmal bin ich drin und es ist wunderbar und herrlich und erfrischend und ich möchte am liebsten nie mehr da raus.

Tue es aber natürlich irgendwann doch. Das Mädchen schaut uns staunend und ein bisschen neidisch zu, wie wir unsere Badegenussgefühle herausjubeln. Sie hat es noch immer nicht weiter als bis zu den Oberschenkeln geschafft.

Als wir uns an die Sonne, auf unsere Tücher, legen, schafft sie es. Ich bin richtig stolz auf sie, applaudiere ihr zu und sage zu Irgendlink: Vielleicht hat sie ja, wie wir, einen Deal gemacht: Wenn die es schaffen, gehe ich auch hinein. So machen wir doch alle irgendwie unser Tun von jenem der anderen abhängig. Na ja, nicht immer, aber manchmal. Oft unbewusst.

Schließlich fahren wir weiter und landen in vertrauten Orten. Falun, wo wir vor drei Jahren, als Irgendlink ans Kap geradelt war, ein Ferienhäuschen gemietet hatten. Später Ludvika, wo wir damals auf dem Weg von Örebro, unserem Treffpunkt damals, gezeltet hatten. Und auf einmal sind wir mitten in einer netzlosen Pampa und wollen doch einfach nur unseren Lieblingszeltplatz auf jener Reise von Örebro nach Falun, Uskavigården, wiederfinden. Einzig das GPS Kit weist uns in kartenlos die ungefähre Richtung, denn auf der Straßenkarte ist der Camping nicht verzeichnet. Doch plötzlich haben wir wieder Netz und auf einmal ist alles wieder vertraut. (Hier schrieb ich damals.

Dort haben wir eingekauft, weißt du noch?, schwatzen wir, und dort bin ich in den Bus gestiegen.

Und dann sind wir da. Unsere riesige Zeltwiese ist komplett frei. Nur ein paar andere Camper sind außer uns noch auf dem Gelände. Und da ist der See. Ähnlich warm wie der Badesee unterwegs. 

Warm ist es, als wir um zwanzig Uhr das Zelt aufbauen. Und die Nacht ist fast lau und am Morgen knallt uns die Sonne aus dem Zelt und jetzt, wo ich da sitze, liebäugle ich bereits mit einem erfrischenden Bad. Später. Erstmal frühstücken. Und Minigolf – die Revanche.

Vielleicht gegen Abend dann weiter nach Örebro, wo die Kunst lockt und das Spaßbad und der Campingplatz, an welchem wir mit Ray, unserm schottischen Freund, damals zusammensaßen. Mal schauen. Auch noch eine Nacht hierbleiben, läge drin.

Ach, und eigentlich wollte ich ja noch über uns Menschen und unsere Bedürfnisse, Schwächen und (Un-)Zulänglichkeiten schreiben, über die echten und über die uns von außen aufgenötigten und darüber, dass letzlich alle menschgemachte Infrastrukturen – Toiletten, Einkaufstempel, Krankenhäusere etc. – auf die einen aufgebaut sind (was ich okay finde), aber aus den anderen, den künstlich erzeugten – Sicherheits- und Jugendwahn zum Beispiel –, Profit schlagen.

Aber ach, die Schönheit dieses Augenblicks hier am See, am Tisch, inmitten all des Grüns, Wildgänsekrächzen im Hintergrund, macht. mich so gegenwärtig und die Versuchung, alles Mühsame einfach auszublenden, ist  unwiderstehlich.

Erstmal Tee trinken.

Tagesbildercollage

Kurs Süd, aber zögerlich | #kursnord

Jetzt kann ich es nicht mehr leugnen. Wir fahren südwärts. Vorhin haben wir die Rückreiseroute ausballdowert. Uskavigården und Örebro sollen am Weg liegen, zwei Orte, die wir vor drei Jahren lieb gewonnen haben, wollen wir wieder sehen. Das eine zum Übernachten, das andere um der Kunst willen. Dann weiter Richtung Vaberg, südlich von Göteborg, mit der Fähre nach Dänemark und von Skagen dann schließlich in die Südpfalz. So irgendwie. Aber vermutlich wird dann doch alles anders. Was würde mich doch das Korsett einer fix geplanten Reise einschnüren! Ich bin froh um unsere So-tun-als-ob-Freiheit, die wir uns beim Reisen nehmen. Freiheit, so hatten wir neulich sinniert, auf dem Spaziergang durch Militärsperrgenbiet auf Härnösands Halbinsel, Unfreiheit, Freiheitsentzug ist im Grunde der Entzug des Rechts auf persönliche Bedürfnisse. Und darauf, die Dinge so zu tun, wie ich sie tun will, die Wege so zu gehen, wie ich sie gehen will. (Sorry, das mag jetzt zynisch klingen für Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen Dinge nicht so tun können wie sie am liebsten wollen würden. Kenn ich ja selbst in anderen Lebensbereichen.)

Vermutlich ist Freiheit eh in der Welt der Dinge eine Art Illusion, denn wir alle werden von so vielen Dingen beeinflusst und müssen auf so viele Dinge reagieren, dass Freiheit wohl letztlich nur in uns drin gedeihen kann.

Dennoch: Beim Durch-die-Lande-Gondeln fühle ich mich zumindest so frei, dass ich zuweilen vergesse, dass ich in zehn Tagen wieder im eigenen Bett schlafen werde. Fast kann ich mir die eigene Wohnung kaum noch vorstellen. Das Dorf. Die Schweizer Straßen. Alles sehr weit weg. Physisch gesprochen über zweitausend Kilometer mit dem Auto. Innerlich wohl noch weiter.

Wie wir gestern vor uns her prokrastinierend auf dem Campingplatz Norrfällsviken ausmisteten, rumräumten, bloggten, frühstückten, duschten, philosophierten und es nach zwölf oder später wurde, bis wir endlich wegkamen, realisierte ich, wie gerne ich noch im Norden geblieben wäre. Ja, ein Tag länger vielleicht, das wäre eigentlich schon noch gegangen. Aber. Aber die Rückreise soll nicht zu einem Rennen gegen die Zeit werden. Kein Stress. Kein Rückreisestress. Das würde dieser genialen Tour nicht gut stehen.

Irgendlink, der Gute, wie er gestern mit der Technik gehadert hat, als sein Notizbuch auf dem Handy seinen gestrigen Blogartikel verschlungen hat. Schreibst du ihn nochmals?, fragte ich ihn hoffnungsvoll. Er haderte. Es ist doch so: Sich selbst kopieren ist schwer. Nur schon einmal gedachte Gedanken, wenn du sie nicht genau so sofort aufschreibst, wirken hinterher, wenn du sie, ohne dich an die genaue originale Satzabfolge zu erinnern, zu rekonstruieren versucht, schal, abgestanden, unauthentisch, leblos, fad. Selbst wenn sie inhaltlich mit der originalen Version übereinstimmen, fehlt ihnen die erste Begeisterung. Verstehe das jetzt, wer will.

Jedenfalls schrieb er seinen Text dann doch ein zweites Mal. Diesmal, und das merkte ich erst hinterher – im Auto Richtung Süden -, klemmte es beim Publizieren. Sein Artikel war sogar nur lokal auf seinem Handy gespeichert. Müühsam das. Lange Rede kurzer Sinn. Von außen sieht manches einfacher aus als es ist. Die Bloggerei ist Arbeit, Herzarbeit, geliebte Arbeit, ja, das natürlich schon, aber Arbeit, die Zeit beansprucht. Und wie ich am Anfang dieser Reise schon schrieb: dennoch ist es irgendwie notwendig, um den vielen Gedanken, Erfahrungen und Erlebnissen ein Gefäß zu geben.

Ich bin heute jedenfalls froh, dass ich vor acht Jahren, auf meiner ersten gemeinsamen Skandinavientour mit Irgendlink, bereits live gebloggt habe. (Wobei es live ja nicht wirklich trifft, denn ich schreibe einen Tag ‘hinterher’ über bereits Erlebtes. Ein bisschen mehr live sind wohl dann unsere Twittereien, die wir unter dem Hashtag #kursnord schreiben.)

Wie wir gestern also endlich, nach einem kleinen Spaziergang in einem Seltene-Orchideen-Garten in der Nähe vom Zeltplatz zuerst über Land und schließlich auf der Autobahn Richtung Süden fuhren, wurde es uns beiden schmerzlich bewusst: Der Norden ist nun wieder für eine ganze Weile Vergangenheit. Das tat fast physisch weh, als würde ich an einem starken Gummiband laufen, immer weiter weg, während sich das Band immer weiter spannt … und schließlich reisst. Ich glaube, mein Nordband riss irgendwo nach jener Brücke, jener genialen Autoseilbrücke, die den Beginn der Höga Kusten-Region einleitet. Dort schließlich hielten wir eine Siesta, machten Bilder, nahmen Abschied.

Richtung Sundsvall fuhren wir die gleiche Strecke wie auf dem Weg nach Norden, doch bereits einige Kilometer danach schoben wir uns von der Küstenautobahn weg ins Landesinnere.

Klimazonenwechsel. Vom Frühling in den Vorsommer katapultiert, von nördlicher Kargheit in grüne Opulenz. Lönnebergabilderbuchschwedische Bauernhöfe. Holperpisten.

Wir hatten uns nämlich kurz vor Sundsvall an jenen wunderbaren, ziemlich schrägen Zeltplatz erinnert, den wir auf ebendiesem Straßenstück vor acht Jahren fast zufällig gefunden hatten. Ob er noch existierte? Der Platzwart hatte ein Faible für schräge Sachen gehabt, durchaus wörtlich, denn das Badehaus stand ziemlich windschief in der Landschaft. Schon älter war der Mann gewesen, ein Jazzfan und Sammler, ein Mann mit vielen Geschichten. Der Platz war ziemlich überschaubar gewesen, direkt an einem See und wir durften gratis mit dem Ruderboot raus. Bergsjö.

Irgendlinks geografisches Gedächtnis ist beinahe fotografisch, während meins sich eher an Begebenheiten, Stimmungen, Sätze und Begegnungen erinnern kann. Doch auch mit diesen beiden Erinnerungsströmen im Doppelpack finden wir den Wegweiser zum damaligen Platz nicht. Dass er nur sehr unauffällig ausgeschildert war, wissen wir noch genau. Nun denn.

Fünfzig Kilometer weiter ist der nächste bereits offene Platz, den ich in unserm Campingführer gefunden habe. Und vielleicht gibt es unterwegs noch etwas, das nicht im Führer steht.

Über Land holpern wir weiter und erreichen kurz nach zwanzig Uhr Ljusdal Camping. Ein sehr schöner Platz mit auch noch reltiv wenig Gästen, aber hier ist deutlich mehr los als ein paar Breitengrade nördlicher. Vor allem die sehr nahe Landstraße brummt. Das Zelt ist schnell aufgebaut und eingerichtet und schon bald kochen wir uns etwas Feines.

Waren wir eigentlich bisher nachts immer an Gewässern?, frage ich mich. Hier ist nämlich auch ein See. Ein sehr schöner sogar. Ihm verdanken wir einen weiteren wunderschönen Sonnenuntergang, der allerdings auch bereits deutlich früher läuft und deutlich schneller als die Tage zuvor. Sogar eine Feuerstelle mit Bank finden wir und ein bisschen Feuerholz.

Die Nacht ist kühl, aber nicht kalt und jetzt knallt bereits die Sonne aufs Zeltdach. Es soll sommerlich warm werden heute. Glaub ich gern.

Collage aus Szenenbildern des Tages

Die Milch ist keine Milch | #kursnord

This way goes very beautiful to the things, ulken wir in wort-für-wort-übersetzendem Englisch, nachdem wir das erste eher flache Wegstück zur Slåttdalsskrevan, die uns letztlich nicht unwesentlich so weit in den Norden geködert hat. Die ersten vielleicht fünfhundert Meter gehen wir auf zweispurigen, schmalen Brettern, die auf Holzstammstücken aufgelegt und festgenagelt sind. Eben hatte ich noch gespottet: Was kommt als Nächstes? Rollbänder, auf denen man wie am Flughafen bergan geschoben wird?

Doch dann das: Bergan erwarten uns nicht etwa berneroberländische, lieblich mit Moos bewachsene Wanderwege, sondern karge Geröllhalden. Überhaupt: Der Slåttdalsberget ist eine einzige überdimensionierte Geröllhalde. Wenn auch eine wunderschöne Geröllhalde, zugegeben. Mein Schweizherz hatte am Morgen noch milde gelächelt, als mir Irgendlink vom höchsten Berg an der Hohen Küste erzählt hat. Um die 260 Höhenmeter über Meer sei er hoch. Und ja, dem Berg ist es gelungen mich zu überraschen, mich Demut zu lehren.

Auf solchen Geröllfeldern zu gehen ist buchstäblich ein Balanceakt. Eine Meditation. Auge, Fuß und Hirn arbeiten in absoluter Übereinstimmung. Das Auge sieht die nächsten Steine, die zur möglichen nächsten Schrittkombination taugen, meldet dem Hirn die gewünschte Fußauflageform – hinten, mittig, vorne – und schon, Zack!, ist in Sekundenbruchteilen der Schritt getan. Und ja, es sind viele Schritte. Weil wir hier nicht einfach geradeaus gehen können. Weil wir über die Steine, Felsen, Kieselsteine mäandern, mal kletternd, mal tänzelnd. Es geht zur Sache, really. It goes to the things. Und in die Knochen. Und Gelenke. Wir legen Pausen an der noch zaghaften Sonne ein, klettern uns bergan und schließlich finden wir die Pforte zur Schlucht, ein Durchgang zwischen Felsen. Die Schlucht selbst? Unbeschreiblich und auf all den vorher gesehenen Bildern von ihr längst nicht so imposant wie in echt. Boah! Dafür hat sie die Mühe gelohnt, die vielen Autokilometer. Die kalten Nächte. Die kargen Mahle. Wir überschlagen uns in der Aufzählung all der gebrachten (fiktiven) Opfer. Und aaahen und ooohen zum unzähligsten Mal auf dieser Tour. Vor der Schlucht verewigen wir uns im fleddrigen Gipfelbuch, picknicken, und klettern schließlich hinunter, über eine Holztreppe zuerst, dann über Geröll und Schneefelder. Kalt ist es in diesem Spalt zwischen den Felsen. Als ob ein Riese mit einem Handkantenschlag die Felsen zerteilt hätte. Der Weiterwanderoptionen sind viele: Auf einem ähnlichen Weg -allerdings über das Bergplateau – zurück zum Eingang Süd des Skuleskogen-Naturreservats, wo wir ein paar Stunden zuvor das Auto geparkt haben oder um die beiden Seen weiterunten oder um die Seen herum und dann auch noch auf die Insel. In reinen Kilometern nicht soo weit. Aber die Höhenmeter. Die Unwegsamkeit. Die Anstrengung. Nach der Schlucht, auf einem felsigen Plateau, findet uns die Wärme. Die Sonne hat die Felsen aufgewärmt und die Aussicht ist unglaublich. Weite. Die Seen unter uns. Dahinter, unter hellblassblauem Himmel das Meer. Darin unzählige Schären. Wachsende Schären, die sich nach den Lasten des Drucks von tonnenschwerem Eis über all die vielen Jahre nun wieder entfalten, nach oben wachsen.

Hier entscheiden wir uns schließlich für die Variante ‘Zurück über den Berg’. Weil das deutsche Paar, dem wir vorhin begegnet sind, davon so geschwärmt hat.

Und ja, es hat sich gelohnt. Obwohl ich kurz davor war, aufzugeben (so müde Füße, so müde). Obwohl es sooo steil war. Aber sowas von steil. Eine nicht gerade ungefährliche Kraxelei. Aber der Berg. Wen er ruft, der kann nicht nicht folgen. Weitsicht auf einem felsigen Plateau.

Der Abstieg war erstaunlich moderat, vom Weg her ebenso wie von der Steigung/Neigung. Und irgendwann waren wir dann doch froh über die Bretterwege, denn, wie ich schon sagte, this goes very beautiful to the things.

Auf dem Rückweg kauften wir Tiefkühlpizze, die wir in der Campingküche backen würden. Überhaupt. Wir könnten ja eigentlich, es war ja dann doch wieder ziemlich kühl geworden, eh in der Küche essen. Die Heizung anwerfen.

Später, am Feuer, hält die innere Wärme an, gemütlich ist es. Wir philosophieren und twittern, als auf einmal ein Fuchs auftaucht. Er kommt immer näher, schnuppert, verhält sich wachsam, aber nicht irgendwie bedrohlich. Umkreist uns. Umkreist das Feuer. Schnuppert an der Tasche mit den Küchensachen. Findet nicht, was er erhofft hat. Guckt uns an, guckt das Feuer an. Kommt näher. Bleibt stehen. Ich sehe ihm in die Augen, sage, dass wir ihm nichts tun, und sage auch, dass er uns nichts tut Alles gut. Irgendwann zottelt er weiter.

Wie immer stellen wir vorm Ins-Zelt-Gehen die Sachen für die morgendlichen Heißgetränke, die wir im Zelt genießen, bereit. Trangia, Becher und Zutaten. Trangia muss eh da stehen, weil, wenn es kalt wir, können wir uns und das Zelt damit schnell ein wenig aufheizen.

Die Nacht ist kühl, aber nicht so frostig wie auch schon. Wir sind inzwischen ziemlich gut drin, solche Nächte unbeschadet zu überstehen.

Am Morgen kocht Irgendlink Kaffee und Tee für uns, während ich noch im warmen Schlafsack liege.

Die Milch ist keine Milch und den Tee hat bestimmt der Fuchs geholt, murmelt er. Das hier ist Blaubeersaft.

Oh nein, dann muss ich, als ich gemerkt habe, dass ich die Tetra mit dem Trinkjoghurt statt der Milch in der Hand hatte, den Tee auch gleich wieder zurückgestellt haben. Drei Tetra aufs Mal haben mich gestern Abend wohl schlicht überfordert, murmle ich zurück.

Später. Er: Du, da schwimmt eine Mücke in deiner Tasse.

Ich: Schnell: retten. Reanimieren.

Er: Ich glaube die ist tot.

Ich: Schnell: bestatten!

Und auch sonst haben wir es richtig toll.

Heute fahren wir weiter Richtung Südwesten. Ins Landesinnere. Richtung Dalarna. Auf den Spuren des Nordkapradlers von 2015.

Collage aus Bildern des Tages. Szenen sind im Text erwähnt.

Der Fuchs schleicht durch den Wald

Küstenhoch am Kieferholzfeuerchen | #kursnord

Ein bisschen planlos fuhren wir los, gestern Vormittag, nachdem wir das Zelt abgebaut, gepackt und uns von Gerard verabschiedet hatten. Einzig die Richtung war klar. Irgendwie und irgendwo in der Nähe von Örnsköldvik. Auf einer Halbinsel hatten wir im Zeltplatzführer einen offenen Zeltplatz ausgemacht. Norrfällsviken. Nicht wirklich weit also. Auf der tollen Hängebrücke, die wir beim Wandern auf der Hin- und Herfahrt schon passiert hatten, hielten wir die erste Pause. Die zweite kurz darauf, nachdem wir die E4 verlassen hatten.

Da, dort drüben sind wir gewandert. Unser Wanderwaterloo!, scherzen wir und beschließen spontan, nochmals zu diesem tollen See zu fahren, an dem wir auf unserer Wandertour vorbeigekommen sind. Sogar ins Wasser gehen wir. Ich allerdings nur sehr punktuell, während der Liebste sich die volle Dröhnung gibt. Allerdings auch nur gaaanz kurz, denn für uns Heißduschende ist die Schmerzgrenze bei etwa zwanzig Grad erreicht, bei ihm ein bisschen weiter unten – je nach Lufttemperatur … und das gestern war deutlich drunter.

Später, im ICA von Nordingra, das auch Post, Apotheke, Alkoholladen und Wettbüro ist, die dritte Pause. Picknick auf dem Dorfplatz vor dem Laden, und als Nachspeise ein Eis vor dem Eiscafé. Die Eisverkäuferin sagt, dass vor zwei Wochen noch Schnee lag. Brrr.

Grob fahre ich Richtung E4 weiter, Karten – wozu? Ist ja noch eine Weile bis Örnsköldvik. Da auch Irgendlink, der Lotse, die Karten ignoriert, gondle ich einfach mal weiter. Grob Richtung Nord, die eigentlich eher Richtung Ost war. Wir aaahen und ooohen uns durch die kleinen Weiler, die richtig belebt und lebendig wirken, sehr untouristisch, natürlich, ungekünstelt … und fühlen uns wohl dabei.

Als ich auf einmal an einer Sackgasse zu einem Camping stehe, beschließen wir, doch mal auf die Karte zu schauen. Um festzustellen, dass das genau jener Zeltplatz ist, den wir angepeilt hatten. Krass: Finden ohne Suchen!

Riesiges Teil, dieser Platz. Rezeption zu. Schranke auf, Servicehäuser offen. Wir finden einen unglaublich schönen Platz mit Feuerstelle und Tischbank-Garnitur, wo wir in einem Kieferwäldchen das Zelt aufbauen. Wildzeltfeeling mit Badehaus in etwa fünfzig Metern.

Ich wasche ein bisschen Wäsche, wir hängen rum, dösen; und schließlich, es ist kühl geworden, wandern wir zum Meer.

Da ist ja auch immer noch Zeltplatz, boah ej – eine Zeltwiese mit direktem Meerblick! Wären wir doch! Hätten wir doch! Aber nein: Es ist gut, wie es ist. Denn unser Platz ist im Grunde perfekt für uns. Ruhig. Nur für uns. So wie wir es mögen.

Dieser Strand ist exorbitant. Rötliches und graues Gestein, Felsen, Kies. Da meint man zuweilen, man hätte alles gesehen, und dann das!

Wir genießen nochmals richtig fette Abendsonne, wärmen uns auf und gehen schließlich zum Zelt zurück, kochen lecker und setzen uns an ein Kieferfeuerchen, das uns die Abendkühle beinahe vergessen lässt.

Heute wollen wir eine Wanderung machen. Hoffentlich eine nicht gar so lange wie die vorvorgestrige!

Tagescollage mit im Text erwähnten Szenen