Etwas bremst dich immer aus! Mit diesem Satz bin ich gestern Nachmittag zuhause gelandet. Hier zuhause, hier in der Pfalz, hier auf dem einsamen Gehöft. Bin wieder zurück aus der Schweiz, wo ich noch immer und immer auch zuhause bin. Doch ist daheim mehr und mehr einfach mitten in mir drin.
In der Meinung, dass alles in Ordnung ist, da meine blecherne Gefährtin doch neulich erst im Service war, fuhr ich los. Es galt die periodische Autokontrolle zu bestehen. Natürlich, die Nervosität fährt zu solchen Anlässen immer mit, doch im Grunde war ich sicher, dass wir es schaffen würden, mein Sternchen – deutsch für Starlet – und ich. Mit Irgendlink hatte ich am Tag zuvor noch den letzten Flugrost abgeschmirgelt und dies und das vergoldet, so dass ich mich beinahe neu in die alte Dame mit den vielen Dellen verliebte.
Doch was musste ich erfahren, wie ich da auf der Prüfspur stand? Mein Auto sei krank! Ein bisschen nur, zum Glück. Seine Ölwanne ist rostig und muss ersetzt werden. Ebenso die Hinterreifen. Für Normalsterbliche unsichtbare, für den Fachmann im Prüfzentrum wohl sichtbare Abnutzung des Gummis um die Felgen rum. Sehen Sie: hier und hier! Nein, ich will hier nicht mit Details langweilen, doch gebe ich zu, dass mich die Diagnose doch überrascht hat. Und geschmerzt. So als wäre eine Freundin krank. Na ja, das ist mir mein Auto irgendwie. Wie viele Abenteuer wir doch schon zusammen erlebt haben!
In der Schweiz habe ich ganz nebenbei ein paar tolle Menschen getroffen. Ein schöner Nebeneffekt meines Besuches in der Schweiz. Ohne mein Dazutun hatte nämlich meine Schreibgruppe genau jenen Abend zu ihrem Treffabend auserkoren und traf sich schließlich statt in Bern extra wegen mir in Biel, wo ich bei meiner Freundin K. gastierte. Was für ein toller Abend!
Auch den Mittwoch verbrachte ich in der Schweiz, fuhr weiter zu meiner Freundin L. und begriff einmal mehr, wie wunderbar es ist Freundinnen zu haben. Wunderbar nährende Gespräche da wie dort. Ein Austauschfluss – erfrischend und wohltuend. Auch zeigten sich sowohl K. als auch L. begeistert von meinen iPhone-Bildern. Fast identisch waren ein paar von ihnen beiden geäußerte, kritische Gedanken zur iPhone-Kunst:
Eigentlich ist es ja nicht wirklich fair, dass du mit nur ein paar wenigen Berührungen des Bildschirmes so tolle Bilder machen kannst!
Okay, ja, habe ich gesagt, das mag easy aussehen. Die paar wenigen Berührungen sind allerdings nicht einfach Automatismen, sie sind der eigentliche künstlerische Prozess.
Kunst ist immer eine Synthese von initialer Idee, Handwerk, Wissen und Können betreffend das Material, dazu kommen Inspiration, und Phantasie. Nicht zu verachten: ein bisschen Zufall. Kunst ist ein Weg. Kunst ist es, den Augenblick wahrzunehmen und festzuhalten, und Kunst ist auch dessen Echo. Kunst ist das Erlebnis, der Ausdruck, die Lust am Hinsehen und Hinfühlen. Und Kunst ist noch viel mehr.
Li Ssi hat dazu in ihrem Blog einen genialen Text zitiert:
Ich brauche nicht in die Geschichte der Philosophie einzutauchen, um darauf zu bestehen, dass es in der Kunst K E I N E R E G E L N gibt und keine Chance für Schwachköpfe und Blödmänner, die an Regeln und Gesetzen und verbotenen Bereichen festhalten, und keinen Grund für Hierarchie, der zufolge „breit“ besser als „schmal“ ist und „männlich“ wünschenswerter als „weiblich“. Es gibt in der Kunst kein Gefühl, das nicht ausgedrückt, und keine Geschichte, die nicht erzählt werden darf, es sei denn, man hat ein Brett vorm Kopf. Die Verzauberung entsteht durch das Fühlen und das Erzählen, das ist alles. (Zitat Ende)
Quelle: Siri Hustvedt: Der Sommer ohne Männer
Während ich nordwärts heimwärts fahre – besonders auf dem letzten Wegstück, wo die Autobahn aufhört – und während sich die Ebenen verschieben – kaum bin ich hier, schon bin ich dort, fahre rauf und runter –, stelle ich fest, dass ich doch nicht in einer flachen Welt leben möchte, wie ich sie mir beim Radfahren zuweilen wünsche. Die verschiedenen Ebenen, der Wechsel der Dimensionen machen mein Leben reich. Kaum hier, schon dort …, ja, das muss so sein, so und anders. Immer wieder andere Ebenen. Langer Atem, den ich brauche, immer wieder. Viel Kraft, die wir brauchen, um all die Wechsel, all die vielen Baustellen, auf denen wir leben, auszuhalten. Schiefe Ebenen oft genug, Schräglagen, Geraden, Paralleluniversen …
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Baustelle 1: Meinen Wohnraum fertig gestalten, so dass ich mich wieder vermehrt um meine anderen Projekte kümmern kann.
Als da wären:
Baustelle 2a: An meiner iPhoneArt-Gallery weiter spinnen. Mich verbessern. An meinem Handwerk arbeiten. Mein Auge schulen.
Baustelle 2b: Meine WhiteWall-Seite, meinen Internet-Bilderladen, wo jede und jeder meine Bilder in genialer Qualität für sich selbst bestellen kann, weiter kreieren. Mehr dazu, wenn ich so weit bin. Und ja, inspiriert dazu hat mich natürlich Irgendlink, dessen eigener WhiteWall-Shop ich allen nur wärmstens empfehlen kann.
(((Ach ja … heute haben wir unsere Bilder, die wir ebendort bestellt haben, voller Freude von allen Seiten betrachtet, gedreht, gewendet. Fazit: Super Qualität! Bestellen! Aufhängen! Weitersagen! )))
Baustelle 3: Jener Foto-Wettbewerb zum Thema „short-lived“, zu dem alle iPhoneographInnen eingeladen sind. In Frankreich irgendwo wird es eine Ausstellung zu besagtem Thema geben. Da will ich mitmachen.
Baustelle 4: Mein Blog, das ich nicht vernachlässigen will.
Baustelle 4a: Für mein Blog kleine, feine, weise Artikelchen über die einzelnen Apps, diese süchtigmachenden Bildbearbeitungsprogramme des iPhones, schreiben.
Baustelle 5: Meine Manuskripte vollenden und voranbringen. Verlagssuche zum Beispiel. Ich sage da nur „Loch im Eis“!
Baustelle 6: Lebensschülerin sein. Immer. Überall. Ob mit Irgendlink unterwegs oder allein. Oder mit meinen Freundinnen und Freunden. Nähe. Distanz. Balancieren auf dem Lebensseil.
Baustelle 7: Für „meine“ Zeitschrift endlich die beiden ausstehenden Buchbesprechungen schreiben und abliefern.
Baustelle 8: Endlich mal wieder an meiner Galerie mit den Nikon-Bildern weiterbauen.
Ach und nicht zu vergessen:
Baustelle xyz: Mein Auto instand stellen lassen und es zur neuerlichen Prüfung innert dreißig Tagen erneut in die Schweiz begleiten. Mich der Lehrmeisterin Straße hingeben. Lehrmeisterin? Ja, sie hat mir neulich gesagt, dass gutes Autofahren nicht in erster Linie bedeutet, dass ich technisch einwandfrei unterwegs bin, sondern dass ich risikobewusst und sozialkompetent fahre und dass ich mir meiner Mitwelt bewusst bin, will heißen, weder mich über andere zu ärgern noch anderen Anlass zu geben, sich über mich zu nerven. Und so weiter.
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Banaler Text, denke ich, wo ich ihn durchlese. Hm. Die Angst vor der Banalität? Ja, die gibt’s. Die kennt wohl jeder kunstschaffende Mensch. Doch nein, ich will sie nicht mehr füttern. Ich schreibe hier, was ich will. Banal oder nicht.
Etwas oder jemand bremst uns immer aus!, schrieb ich oben. Und meistens bin ich es sogar selbst, die mir auf dem Schlauch steht, geht es mir soeben durch den Kopf. Hm, aber stimmt das wirklich?
Das Leben ist eine Aneinanderreihung von Kompromissen!, habe ich zu Freundin K. gesagt. Und das, stimmt das? Ja und nein. Ja, denn ich bewege mich ständig in Relation zu allen anderen, bin nicht allein, der Platz ist beschränkt. Choreografie des Lebens. Schwerkraft und Zusammenspiel von Zufall und Fügung. Lebenstanz. Ich bin immer umgeben von anderen, die da sind, weil sie da sind, wie ich ebenfalls in ihren Leben irgendwie da bin. Warum auch immer. Doch müssen sich Selbstbestimmtheit und Kompromissfähigkeit ausschließen? Sie könnten sich doch eigentlich wie Essig und Öl begegnen, im Salatsaucen-Tanz sozusagen.