unterwegs

Die heutige Geschichte von unterwegs hat Susanne Popp verfasst.

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ich war unterwegs
zum größten moment
meines lebens
kurz davor
berühmt zu werden
also: quasi prominent

gerade fühlte ich mich froh
da merkte ich voller schreck:
mein fahrschein war weg
und zwei sitzreihen weiter
stand der kontrolleur
also ich ging vorsichtshalber
aufs klo

während ich
um das gesicht zu wahren
tat, was man so tut
an diesem ort,
ging der moment vorbei –
das war vor ein paar jahren
doch meine Stimmung
blieb heiter

ich bin unterwegs
zum größten moment
meines lebens
kurz davor
berühmt zu werden
also: quasi prominent

Text für die Reihe Geschichten von unterwegs auf Sofasophien, Fallmaschen & Herzgespinste

open book with letters falling into the pages

© für Bild & Text: Susanne Popp | 2013

Unterwegs …

Sie döst. Dunkel ist es. Auf einmal geht das Licht an.
Billettkontrolle, sagt eine Männerstimme. Das Licht tut in den Augen weh. Immer nur hell ist der Horror.
Es blendet. Machen Sie das Licht wieder aus, bitte!, sagt sie und reicht ihm ihren Fahrschein. Sie muss doch schlafen.

Ratatata.1.Tag-1_Bahnhof Agno
Als sie von der Toilette zurück kommt, ist ihr Koffer weg. Die Tasche auch. Ebenso das Handy. Das Geld. Die Ausweise.

Wer ist sie nun? Glück gehabt, das Ticket steckt in einer Falte des Schlafsacks.

Da, wo sie hinfährt, da, wo niemand sie kennt, wird sie eine andere sein. Morgen früh, wenn sie den Zug verlässt.

© by Sofasophia 2014

Vom Warten

Warten wir nicht immer auf irgendetwas? Wir vielleicht nicht – ich aber auf jeden Fall. Als ich klein war, wartete ich darauf, groß zu werden. Und heute warte ich im Winter darauf dass es Frühling wird. Im Frühling warte ich auf den Sommer, im Büro auf den Feierabend, und am Bahnhof auf den Zug.

warten auf den zugDank der neugekauften App Polamatic (ja, sie macht süchtig, ich gestehe es), macht das Warten wenigstens ein bisschen weniger Kein-Spaß als ohne sie. Dass der Zug eine halbe Stunde verspätet eintrifft, finde ich dennoch ein bisschen lästig. Tatsächlich fällt sogar der Originalzug aus, dafür erbarmt sich der Nächste, eine halbe Stunde später, aller Wartenden – und wird noch voller als voll. Am Anfang stehe ich noch ohne Mantel in der Sonne, doch bald wird es mir dann doch zu kühl. Die letzten Sonnenstrahlen schwinden und endlich kommt unser aller Zug doch noch.

In B. angekommen spaziere ich gemütlich nach Hause, statt mit der Fahrrad möglichst schnell heimzuradeln. Am neuen Hochschul-Campus vorbei. Es ist noch nicht mild. Lauer Frühlingsabend. Kurz nach sieben Uhr. Blütendüfte. Ich knipse ein Mondbild mit Baum und schnuppere an Blüten, mich zum tausendundersten Mal fragend, warum nachts Blüten stärker duften als tags.

Zuhause finde ich meinen Schlüsselbund nicht. Nicht dort, wo ich ihn normalerweise befestige. Ich suche alle Taschen ab. Kein Schlüssel. Bestimmt habe ich ihn in aller Hast im Büro stecken lassen. In der einen Hand die Post, in der andern meine Tasche, dann auf den Zug rennend (der eine halbe Stunde zu spät gekommen ist). Bestimmt steckte er dort und mein Kollege hat ihn beim Verlassen des Hauses entdeckt und auf den Tisch gelegt.

Gut, dass ich einen Reserveschlüssel im Gärtchen versteckt habe. Bloß wo? Huch, er ist weg. Was nun? Mit dem Licht meines Telefons suche ich alles ab. Kein Schlüssel. Aber das kann doch nicht sein? Jemand muss ihn gestohlen haben. Jemand geht tagsüber in meine Wohnung und schaut sich meine Bilder an. Meine Bücher. Meinen Laptop. Ich fühle mich nackt. Sitze auf der Bank in meinem Gärtchen und überlege, was ich tun soll. Zu Freundin T. radeln und dort warten, bis der Liebste kommt? Hoffentlich hat dieser seinen Wohnungsschlüssel im Gepäck.

lieblingsthingsIch sitze und denke. Ich spüre jene Angst, die Menschen kennen müssen, bei denen eingebrochen worden ist. Ich sitze und auf einmal spüre ich den Schlüsselbund an meiner Gurtschlaufe. Ach ja, ich hatte ja gar keine Zeit, den Schlüssel woanders hinzuklemmen als an die Gurtschlaufe! Wie konnte ich das nur vergessen?! Ich hatte ja keine Jacke an und bin gerannt!

Erleichtert öffne ich die Haus- und Wohungstür, doch noch bleibt das Rätsel mit dem verschollenen Zweitschlüssel zu lösen. Später, mit mehr Ruhe und besserem Licht, finde ich auch den gut versteckten Reserveschlüssel und atme beruhigt aus.

Und wenn der Liebste nun auch bald da ist, ist für heute genug gewartet.

Und dann? Fängt dann endlich das Sein an?  🙂

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Appspressionismus: Bilder von A-Z auf dem iPhone kreiert (fotografiert & montiert mit den Apps TurboCollage und Polamatic).