Metapheröses

Ich mag ja Metaphern aller Art. Technisches und Alltägliches ganz besonders.

Heute Nacht lief ein längst überfällige Update auf dem weniger gebrauchten Teil meines Rechners. Nnennen wir das Kind doch beim Namen: auf Windows. Viele Stunden hat der Rechner dafür geschuftet, denn es muss irgendwann im November gewesen sein, als ich das Betriebssystem das letzte Mal benutzt hatte. Warum ich es noch immer auf dem Rechner habe, weiß ich nicht mehr so genau*. Jedenfalls gabe es viel upzudaten, sehr sehr viel.

Als ich mich heute Morgen an den Rechner gesetzt hatte, war endlich alles wieder so, wie es sollte. Alles lief rund (na ja, außer dass sich alle Browser nicht mit dem Internet verbinden konnten, obwohl das Internet lief, aber da es mir ja nur ums Updaten gegangen ist, war das ja egal).

Wie gerne ich mir selbst doch auch ab und zu so ein Update verpassen würde?, blitzt es in meine Gedanken.

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Ich dualboote also. Wenn ich den Rechner einschalte, entscheide ich in den ersten Sekunden, welches Betriebssystem ich starten möchte. Kurz gesagt führt mein Rechner also ein Doppelleben. Meistens halten wir beide uns im Ubuntu-Universum auf, wo ich mich wohl und heimisch fühle; und so sicher, wie es eben irgendwie auf dieser Welt geht.

Doppelleben führe ich selbst auch irgendwie, oder gar Mehrfachleben. So füttere ich zum Beispiel zwei (oder mehr) Blogs und zwei Kurznachrichten-Dienste.

Ja, ich gestehe es. Ich habe noch ein Blog mehr. Ein weiteres Text-Blog. Ich will wieder ins fiktive Schreiben gelangen. Etwas, das mir früher so wichtig war, mir aber in den letzten Jahren mehr und mehr abhanden gekommen ist. Möglicherweise hilft es mir ja, wenn ich mich in einem neuen Gefäß ausschließlich auf kleine fiktive Texte konzentriere? Vielleicht wird sogar eines Tages etwas Ganzes daraus, denn ich habe in meinem großen Vorrat an fiktiven Texten gelesen und versuche, den roten Faden zu finden, für den es sich zu schreiben lohnt.

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Ich bin dankbar dafür, dass es Menschen gibt, die wunderbare, tolle, wichtige, nahrhafte Texte schreiben. In solchen Texten finde ich immer wieder für mich so wichtige Erkenntnisse.

Nun stelle ich mir vor, wie die tollen Erkenntnisse eines anderen Menschen durch das Aufgeschriebenwerden konzentriert und komprimiert werden – verzippt sozusagen – und wie ich dann, während ich den Text lese, diese Erkenntnisse, diess ZIP, dieses Konzentrat, in meiner inneren Festplatte entpacke, öffne, installiere, mir zu eigen mache.

Sagte ich schon, dass ich Metaphern mag?



*Früher war es wegen Word gewesen, doch inzwischen sind meine Open-Source-Schreibprogramme Word längst ebenbürtig, zumal ich davon nur eine uralte Version habe, die heute längst überholt ist.
Auch wegen iTunes, also zur Datensicherung meines iPhones, brauche ich es im Grunde auch nicht mehr, denn iTunes gibt es eh bald nicht mehr. Außerdem sichere ich ja meine Bilder regelmäßig. Alle anderen Daten auf dem Handy gibt es noch anderswo auf meinem Rechner.

Er radelt wieder

Er radelt sogar schon fast eine von geplanten knapp drei Wochen. Von Herrn Irgendlink ist die Rede. Seine Fernrad-Reiseblog-Projekte waren vor der Pandemie geradezu legendär. Mitreisen konnten alle, die Lust auf velosophische Radabenteuer zwischen Nordkap, Gibraltar, Bodens- und Nordsee und um das eine oder andere Bundesland hatten. Lesend konnten wir ihn begleiten – im Blog und auf Twitter. Und dann kam die Pandemie.

Vor dem Lockdown hatte er geplant, ein drittes Mal innerhalb von zwanzig Jahren, nach Andorra zu radeln, um herauszufinden, wie sich das Land und der Weg verändert haben. Doch dann kam ihm der Lockdown dazwischen. Diesem jedoch verdanken wir zwei fiktive Reisebücher, die sich lesen, als wäre der Reisekünstler höchstpersönlich unterwegs.

Sehr sehr lesenswert:
1. Zweibrücken-Andorra, die Dritte.
2. Radlantix

Die pandemische Lage lässt es inzwischen wieder zu, dass er das im Sommer 2019 wegen Starkregen und Überschwemmungen abgebrochene Reiseprojekt #Umsland/Bayern weiterführen kann.

Kommt alle. Reist alle mit.

Reiserad geleht an rote Metallbank auf Brücke, vor Fluss und Bergen im Hintergrund, darüber Blauhimmel

Hier gehts zum verbloggten E-Book der 2018 und 2019 erradelten Streckentexte.

In seinem täglichen Blog servieren wir euch wieder Texte und Bilder in gewohnter Manier. Ich bin erneut als Homebase an Bord und füttere euch mit Kartenlinks und kleinen abendlichen Zusammenfassungen.

Ich stelle fest, dass mir dieses Mitreisen sehr gut tut. Ein wenig Altes im Neuen, ein Stück Heile Welt, ein bisschen Frieden im Alltag, der von Krisen geprägt ist.

Ausgelesen #40 | Blauwal der Erinnerung von Tanja Maljartschuk

Das Ende am Anfang. Eine namenlose Ich-Erzählerin hat in alten ukrainischen Zeitungen einen Nachruf gefunden. Neugierig geworden besucht sie im Nordwesten der Ukraine in einem kleinen Dorf das Museum, das ebenjenem einst berühmten politischen Philosophen und Publizisten Wjatscheslaw Lypynskyj gewidmet ist. Dieser hatte sich zeitlebens für eine freie Ukraine eingesetzt. Am Tiefpunkt einer schweren Lebenskrise findet die Erzählerin Halt darin, Lypynskyjs Leben zu ergründen, da sie trotz ihrer sechs veröffentlichten Bücher, «die kaum jemand braucht», feststeckt.

Das Buchcover zeigt im oberen Drittel die Fotografie einer Blauwalschwanzflosse, Darüber der Autorinname. Unter der Flosse öffnet sich das weiße Titelblatt wie längst aufgeschnitten. Darüber steht der Buchtitel in leichten, schwarzen Buchstaben. Die Erzählung mäandert zwischen diesen zwei Menschen, die Verluste, Krankheiten und eine selbstzerstörerische Leidenschaft für die eigenen Überzeugungen verbinden. Außerdem sind beide heimat- und wurzellos, von der Liebe enttäuscht und seelisch wund. Unvergleichlich intensiv schreibt die Autorin Tanja Maljartschuk über das Leben mit Depression und Angststörung.

Die in der Ukraine geborene Autorin, die heute in Wien lebt, erzählt in ihrem Roman sehr bildhaft zwei Geschichten von Entwurzelung, die sich immer wieder schmerzhaft berühren. Darüber hinaus ist «Blauwal der Erinnerung» auch eine hochaktuelle Geschichte vom Kampf der Ukraine um Unabhängigkeit.


Roman von Tanja Maljartschuk, 2019
Kiepenheuer & Witsch
Aus dem Ukrainischen von Maria Weissenböck

  • Hardcover
    288 Seiten
    ISBN: 78-3-462-05220-6
    22,00 € inkl. MwSt.
  • eBook (epub)
    ISBN: 978-3-462-31958-3
    18.99 €
  • Taschenbuch
    288 Seiten
    Erscheint am 09.06.2022
    14,00 €
    ISBN: 978-3-462-00418-2