Als ich neulich dem Lied der Krähen lauschte, das ich so gern höre, dachte ich spontan über Schönheit nach und realisierte einmal mehr, wie relativ sie ist. Mein Schön ist nicht dein Schön. So ist es auch mit anderen Begriffen wie zum Beispiel Wahrheit. Ja, jeder solche komplexe Begriff bedarf, um ihn halbwegs zu verstehen, einer Definition. Zuerst einmal einer persönlichen, vielleicht familiären Definition, danach aber auch einer gesellschaftlichen. Es bedarf kollektiver Absprachen. Wir brauchen Narrative.
Traditionelle Überlieferungen mit ihren Geschichten wie es sie zum Beispiel in Religionen gibt, gelten in der jeweiligen Kultur als wahr, als Wahrheit, weil Menschen aus ihnen wahrhaftig seit Menschengedenken Trost schöpfen. Und weil wir Menschen uns eher aus Dingen, die außerhalb von uns selbst definiert werden, Weisheit erhoffen statt den Dingen in uns zu trauen. Wir erhoffen uns aus den als wahr definierten Erzählungen Wegweisung, Erkenntnis, Freispruch, Rechtsprechung, Rückhalt, wir sehnen uns nach etwas Endgültigem, Absolutem, Verlässlichem.
Wir? Nun ja manche. Viele. Einige. Ich nicht mehr wirklich. Aber manchmal ertappe ich mich beim Gedanken, wie einfach das Leben sein könnte, wenn man an etwas Absolutes glauben kann.
Aber dann fällt mir schnell wieder ein, dass ich das nicht will, nicht mehr. Auch wenn ich natürlich nicht wirklich an nichts glaube, denn ich glaube an Zusammenhänge, ich glaube an die Natur und all das Sicht- und Unsichtbare, das zwischen allem, was lebt und was ist, geschieht. Doch an etwas Absolutes – an ’die eine einzige Wahrheit’ – zu glauben, finde ich je länger je gefährlicher.
Glauben vergrößert in aller Regel die blinden Flecken, die wir alle haben. Irgendwann fängst du nämlich an, jene Dinge, die du von Natur aus hinterfragen würdest, nicht mehr zu hinterfragen (Rassenlehren zum Beispiel, Diskriminierungen von Minderheiten und so weiter). Solche blinden Flecken können fatale Folgen haben. Vielleicht hörst du auf, zu hinterfragen. Vielleicht hörst du auf, hinzuschauen.
Hinschauen tut oft weh. Aber auch Nicht-Hinschauen kann quälend sein.
Schaue ich nicht mehr hin, quält mich die Ungewissheit, beim Hinschauen die Gewissheit. Beides tut weh. Leben tut oft weh.
Und dabei sehen wir ja immer nur einen Ausschnitt vom Ganzen. (Doch was ist schon das Ganze?)
Was immer du liest, ist immer nur eine Perspektive, so gut recherchiert und so objektiv diese auch sein mag. Die endgültig richtige Sichtweise gibt es nicht.
Ob es auch für Liebe verschiedene Sichtweisen gibt? Vermutlich. Und vielleicht ist auch Bedingungslosigkeit letztlich nicht einfach nur das, was du dir darunter vorstellst, denn jeder Begriff ist, ich erwähnte es bereits, von deiner persönlichen Geschichte geformt worden, angelehnt an so etwas wie jene bereits erwähnte kollektive Absprache der jeweiligen Gesellschaft.
Höre ich das Wort BANK sehe ich spontan diese eine rote Bank auf einem Spazierweg meiner Kindheit. Gleich danach sehe ich Irgendlinks selbstgebaute, die lange unter den drei Birken stand. Und ich rieche Sommer und Heu.
Jede*r sieht eine andere Bank, manche sehen vielleicht kein inneres Bild, manche sehen etwas Abstraktes. Manche haben Wörter und manche fühlen die Bank unter sich, wenn sie das Wort hören, andere riechen den Wald, während sich andere einen Park drumrum vorstellen.
Unsere Geschichte schreibt sich in uns weiter und weiter. In jedes Wort hinein. Ist das nicht faszinierend? Schön?
Ah, was war da gleich noch mit der Schönheit?
+++
Auf Twitter bat ich gestern darum, zum Thema BANK frei zu assoziieren. Sehr spannend, was dabei herausgekommen ist.
Ein herzliches Dankeschön, an alle, die geantwortet und/oder den Tweet geteilt haben.
Von Hundespazierganz bis Korruption und Banküberfall ist fast alles dabei. Guckt selbst:
Freie Assoziationen gesucht, also Bilder, Wörter, Gefühle, Sinnliches.
Was fällt dir ein zum Wort:
BANK …(Schreibe bitte, ohne vorher die anderen Kommentare zu lesen.)
(Gerne #RT)
— SoSo (@_auchICH) 26. Februar 2020