Donnerstag, 4. Juni 2009
Pfingstmontag ist Vergangenheit. Unser Schreibmarathon war genial! So was Inspirierendes habe ich schon lange nicht mehr erlebt und gemacht! Die Idee stammt aus dem Buch “Writing to the Bones” von Natalie Goldberg, die, so viel ich weiss, neben der Schreibarbeit auch therapeutisch und schamanisch arbeitet.
Schreibmarathon – das heisst Schreibenschreibenschreiben in der Gruppe. Die erste Runde zehn Minuten lang (mit per Los gezogenem Thema oder ohne). Dann lesen alle einander ihre Schreibe vor. Ganz wichtig: Keinerlei Kommentare abgeben!!! Wieder schreiben (allenfalls unter Bezugnahme auf Themen der anderen), diesmal eine Viertelstunde. Und wieder vorlesen. Und wieder schreiben und vorlesen. Usw. Die Schreibsequenzen werden jedes Mal ein bisschen länger. Da kommt der Flow!!! Ist bisschen wie Tanzen. Geil! Vor allem, weil es auch mal schräg sein darf, das Schreiben, unperfekt. Kreativ. Lebendig.
Heute auf dem Weg zur Arbeit gedacht: Das Leben ist doch nur spannend wegen der Fallmaschen. Wir sind zwar alles Ästheten und Ästhetinnen und lieben Schönes. Doch wenn alles immer perfekt und wunderschön wäre, puh!, was wäre das Leben langweilig!
Es sind in einem Gesicht ja gerade die winzigen Asymmetrien, die es lebendig machen. Jedenfalls in den Gesichtern der anderen. Bei uns selber sollte natürlich alles schön sein, perfekt, ästhetisch.
Auf dem Weg von der Post ins Büro habe ich mir alle möglichen Menschen angeschaut. Alle wollen den äusseren Eindruck von Schönheit, Harmonie und “Ich habe das Leben im Griff” vermitteln. Alle. Ich auch.
Und doch: Wie langweilig es wäre, wenn alles immer aufginge. Wenn wir wirklich immer alles im Griff hätten. Wenn es keine Fallmaschen gäbe. Wie schnell es mich langweilen würde, wenn ich immer die Lücke zwischen zwei Autos erwischen würde, um die Strassenseite zu wechseln. Zum Beispiel. Oder wenn mein MP3-Player immer jenes Stück anwählen würde, das ich jetzt am liebsten hören möchte. Oder immer alles so wäre, wie ich es mir wünsche. Wie ich es will. Wie ich es möchte. Falls ich das überhaupt weiss. Oft genug weiss ich ganz und gar nicht, was ich will. Dann tu ich so, als ob das, was ich gerade tue, das wäre, was ich will.
So schönen wir uns die Welt zusammen. Ohne Nachhilfe und ein bisschen die Augen zukneifen, wäre das Leben nur schwer zu ertragen. Manchmal. In genau diesen Augenblicken wünsche ich mir meine Unschuld zurück. In jeder Beziehung. IN JEDER!