Wie schön du bist!

Wie schön du bist! Ich sage es ihm oft und ja, ich meine es auch immer genau so.

Was aber ist dieses Schön überhaupt, das ich hier meine? Denn es ist nicht dieses Schön aus der Werbung und hat weder mit makelloser, faltenfreier Haut mit oder ohne Schminkkleister drauf noch mit perfekten weißen Zähnen zu tun, noch weniger mit toller Kleidung und erst recht nicht mit der Topfigur. Und nein, mit dem Alter erst recht nicht.

Schön ist ein Platzhalter.

Ein sehr persönlicher sogar. Schön ist ein Synonym für. Schön ist ein Gefühl um.

Mit diesem Wort versuche ich etwas Unfassbares auszudrücken. Dieses Etwas hat mit Geborgenheit zu tun, mit Resonanz, mit dieser Wohltat für Herz und Augen und ja, auch mit Liebe. Was die Frage aufwirft, was man eigentlich liebt. Beim anderen. Bei sich selbst.

An meinem Liebsten liebe ich dieses Mehr-als-die-Summe-einzelner-Eigenschaften, sein Ganzsichsein. Wie schrieb die gute A. gestern? »Menschenschutzgebiet – Orte, an denen man einfach sein darf. Ich denke, das ist so auf dem einsamen Gehöft.« Recht hat sie.

Das ist es, was ich liebe: Wenn wir Menschen einander Raum geben fürs Seindürfen und -können wie man ist. Stichwort Selbstliebe. Denn sie ist ja nichts anderes als das: Mich so nehmen, wie ich bin. Mir erlauben, so zu sein, wie ich bin.

Warum das zuweilen so schwierig ist?
Umso schöner*, wenn es hin und wieder gelingt.

 

Für J., weil du so schön* bist

 


*… ja, genau, dieses Schön!

Weil ich ein Mensch bin

Es ist diese ewige, seltsame, unfassbare Ambivalenz. Zerrissenheit sogar. Oder Hin- und Hergerissenheit. Das Leben auf der Wippe. Es ist dieses Mal so-mal so, das uns vermutlich ganz besonders von den Tieren unterscheidet.

Wie ich immer tiefer in die Schichten von Knausgårds Buch Lieben einsinke und dabei erschrocken feststelle, dass auch andere, außer mir, solche beinahe abstrakten Sinneswahrnehmungen haben, wie er sie beschreibt, werde ich mir bewusst, dass ich vermutlich bisher von Lieben erst einen kleinen Vorgeschmack erhalten habe. Ich liebe weder mich noch andere so vollumfänglich, dass ich einfach jederzeit in der Liebe sein kann. Immer ist mein Lieben verknüpft mit subjektiven Ereignissen, mit Erfahrungen, mit Bedingungen, mit Zusammenhängen. Es ist kein Lieben-an-sich. Kein Lieben um der Liebe willen. Mag sein, dass das furchtbar negativ klingt, furchtbar depressiv sogar. Ist aber nicht so gemeint. Ich bin mir einfach nur, einmal mehr, meiner Beschränktheit, meiner Grenzen bewusst. Und dass ich vermutlich gar nicht anders sein kann als so. Weil ich als Mensch so bin.

Wären da bloß nicht diese unerreichbar hohen Ansprüche an mich. Diese perfekte, losgelöste, den andern ganz und gar meinende, objektive, umfassende Liebe gibt es sie vielleicht unter uns Menschen gar nicht – außer in unseren romantischen Vorstellungen? Selbst als die Mutter eines kleinen Buben, die ich ja mal war, muss meine Liebe mit Bedingungen verknüpft gewesen sein wie, dass mein Sohn wunderbar, herzig, schlau … ist

Mag sein, dass unser Geschmack – alles was uns gefällt – äußerlich von den Umständen neu tariert wird, wenn uns jemand sympathisch ist, den wir im ersten Moment mit unseren bisherigen, inneren Wertmaßstäben nicht attraktiv fanden. Dass wir jemanden auf einmal schön finden, einfach darum, weil er uns sympathisch ist. Und dass sich sodann der Inhalt unseres Schön-Begriffes verändert. Doch sind äußerliche Aspekte denn nicht nicht immer irgendwie trügerisch? Ohne blinden Menschen da mit Vorurteilen meinerseits zu nahe treten zu wollen, doch zuweilen frage ich mich ja schon, ob es vielleicht einfacher ist, Menschen zu mögen, wenn man sie nicht sieht? Ist dafür nicht sogar die Welt der sozialen Medien ein Beweis?

Möglich, dass auf Grund von Stimmen, Texten, Berührungen, die Wahrnehmung eine reinere ist, eine wahrere, eine unabgelenktere, doch ist nicht selbst dann Lieben von subjektiven Faktoren abhängig? [Oh, ich merke schon … das, was ich da schreibe, kann ein anderer Mensch wohl nur schwer verstehen.] Ach. Und Liebe als etwas Universelles zu verstehen ist ja vielleicht gar nicht Sinn eines kleinen Lebens wie meinem. Universelle Liebe ist ja vielleicht nur das Innenfutter für unsere Illusion vom Liebengott?

http://waslesen.ch/wp-content/uploads/2014/04/Lieben.jpgWenn ich Knausgård lese, der noch ziemlich am Anfang des Buches über einen Kindergeburtstag-Nachmittag schreibt, über die Menschen dort und über die Begegnungen und wie er diese hinterher auch gleich wieder aus seinem inneren Speicher löscht und die keine Spuren bei ihm hinterlassen haben, und wie er emotional losgelöst ist von all den Menschen, die er im Grunde liebt, frage ich mich, zuerst entsetzt, dann begreifend, wie das sein kann. Denn ich merke, dass auch ich, wenn ich allein bin und an andere denke, manchmal nichts fühle, wo doch ganz viel Liebe sein sollte. Nicht nichts, aber nicht Wow-Liebe, sondern einfach: Ich bin da. Du dort. Und nun lasst mich doch bitte alle in Ruhe! Diese Verbundenheit, die ich unter allem und von allen zu allem und mit allem ahne, weiß, diese Verbundenheit fühle ich nämlich nicht immer.

Denke ich an Irgendlink, ist da immer, auch nach all den Jahren, dieser kleine Herzhüpfer, dieses kleine Aus-dem-Takt-kommen meines Herzschlages. Immer. Ich halte das für Liebe. Ich halte es für Verbundenheit. Die größtmögliche, die geht. Dieses Das-Beste-für-ihn-wollen ist immer da. Aber zugleich ist da auch mein Wollen. Es soll ihm möglichst gut gehen, doch er soll bitteschön täglich bloggen, möglichst schnell vorankommen (und bitte möglichst ohne Regen und Stress), möglichst viele schöne Pausen haben. Und am liebsten wäre mir, er wäre immer hier bei mir, mit mir.

Aber das alles geht nicht. Nicht alles. Nicht gleichzeitig. Alles, was lebendig ist, ist immer in Bewegung, im Prozess, in der Veränderung, in der Wandlung. Hin und Her. Wieder die Schaukel, siehe oben. Den Nullpunkt gibt es immer nur einen Bruchteil einer Sekunde lang im Vorbeischwingen. Die totale Stille ist immer nur im Jetzt. Nichts kann ich aufhalten. Alles schwingt. Alles fließt. Alles pumpt sich, wie es Irgendlink heute (hier) gebloggt hat, von A nach B und so weiter.

Getriebensein? Ist es das? Ist das die große Verwechslung? Dass wir eigentlich zu sein und zu lieben meinen, es aber mit diesem ewigen Strom verwechseln?

„Denn Sinn ist nichts, was wir bekommen, sondern etwas, das wir geben.
Der Tod macht das Leben sinnlos, weil alles, wonach wir jemals gestrebt haben, mit ihm aufhört, und er macht das Leben sinnvoll, weil seine Gegenwart das wenige, was wir davon haben, unverzichtbar, jeden Augenblick kostbar macht.
Aber in meiner Zeit war der Tod entfernt worden, er existierte nur noch als fester Bestandteil in Zeitungen, Fernsehnachrichten und Filmen, wo er nicht den Abschluss eines Verlaufs markiere, die Diskontinuität, sondern angesichts der täglichen Wiederholung im Gegenteil eine Veränderung des Verlaufs, eine Kontinuität bedeutete, und so seltsamerweise zu unserer Sicherheit und zu unserem Halt geworden war.“

Zitat aus Lieben von Karl Ove Knausgård

Die Erkenntnis, dass ich im Grunde immer wieder bei Null, das es so also gar nicht wirklich gibt, anfange, macht mich demütig. Nichts wirklich zu verstehen, nichts wirklich Wesentliches – nur solange ich darüber nachdenke, ist das Ding wesentlich, für mich – zu leben. Aber vielleicht geht es genau darum? Wegzukommen von diesen großen hehren Zielen. Nicht, dass ich nicht noch immer die ganze große weite Welt retten wollen würde … Aber weiß ich denn wirklich, was sie braucht, um gerettet zu werden? Wovor und wohin?

Ist es da vielleicht für mich nicht besser, mich treiben zu lassen? Mich hinzugeben? Dem Schreiben zum Beispiel. Den Worten. Und zu verstehen, dass Liebe immer subjektiv ist.

richtig sterben?

Ich weiß, ein heikles Thema. Je nachdem, was wir erlebt haben, tut es weh, über Selbstbestimmung bis zuletzt, nachzudenken, doch ich kann grad nicht anders. In letzter Zeit habe ich mich so intensiv mit Tod und Sterben auseinandergesetzt, bei anderen darüber gelesen (bei Larapalara über das ewige Leben und warum es keine Option ist, zum Beispiel, oder bei Luisa Francia, die ihre betagte Mutter pflegt) sowie selbst darüber geschrieben.

Gerne teile ich hier ein paar meiner Gedanken.

#Triggerwarnung: Sterben, Tod, Sterbehilfe

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Den richtigen Tod. Ja, ich wünsche ihn mir. Das für mich richtige Sterben. Dass ich den Zeitpunkt spüre, wenn es für mich zu gehen heißt.

Wir alle haben wohl schon von jenen Natives gehört, Ureinwohnerinnen und Ureinwohnern, die – wenn ihre Zeit gekommen ist – in die Wüste gehen und auf den Tod warten.

Wie könnte die Alternative, die Analogie dieses weisen Umgangs mit dem Tod in unserer Zeit, in unserer Gesellschaft aussehen? In der Schweiz ist die aktive Sterbehilfe zum Glück weniger tabuisiert als in vielen anderen Ländern. Die passive Sterbehilfe gehört hier sogar längst zum Pflegealltag. Und dennoch haftet dem Thema – und wie ich meine zu Unrecht – etwas unmoralisches an. Menschen sollen sich nicht zu Gott machen und über Leben und Tod bestimmen, sagen die Gegnerinnen und Gegner unter anderem. Und dass mit solchen Möglichkeiten Druck auf alte Menschen ausgeübt werde. Mag sein, aber, ist es denn nicht auch ein Eingreifen ins göttliche Drehbuch, wenn jemand nur dank eines fremden Herzens, fremden Blutes oder dank eines Antibiotikums weiterlebt, wo er doch natürlicherweise (= gottgewollt) gestorben wäre? Was wissen wir schon wirklich über diese letzten Dinge?

Ich stelle es mir schön vor, eines Tages Abschied von meinen mir lieben Menschen zu nehmen, weil ich bewusst entschieden habe, dass ich genug gelebt habe. Bevor alle Gebrechen, die das Altwerden mit sich bringt, meine Lebensfreude und Lebenslust niederdrücken können. Frieden machen mit dem Leben, Frieden machen mit dem Tod. Und dann den Cocktail trinken. So stelle ich ihn mir vor, meinen richtigen Tod.

Ich kenne Menschen, deren Meinung mir lieb und teuer ist, die dennoch mit meinen Gedanken sehr hadern. Und ja, ich verstehe ihre Argumente. Wird meine Vision vom “richtigen Tod für alle” legalisiert, werden viele alte Menschen, die (böse ausgedrückt) nur Kosten verursachen, aber keine Leistungen mehr erbringen, nur noch mit einem schlechten Gewissen leben. Ganz besonders dann, wenn sie – anders als ich – keine selbstbestimmte Sterbeabsicht haben. Es könnte sie möglicherweise moralischer Druck einholen, ihnen oder ihren Nächsten und womöglich werden sie glauben, keine Daseinsberechtigung mehr zu haben. Ja, mag sein. Dennoch sollten wir als Gesellschaft lernen, über diese Thematik freier zu sprechen. Und vor allem soll der Wert jeden einzelnen Lebens nie in Frage gestellt werden. Ich spreche von wahrer Selbstbestimmung. Dazu gehört dann eben, dass jene, die den Cocktail wollen, ihn bekommen und jene, die ihn nicht wollen, keinerlei Druck haben dürften.

Schwierig, ich weiß, und ich habe nicht wirklich eine Ahnung davon, wie das gemacht werden kann.

Aber ich wünsche mir nicht nur für mich den richtigen Tod. Ich wünsche ihn mir für alle. Dazu gehört, dass wir das Tabu, das dem Tod anhaftet, überdenken. Unsere Angst vor der anderen Seite, die wir nicht kennen, ist natürlich und natürlich zutiefst menschlich. Immerhin geht es um die Endgültigkeit des Endes unseres irdischen Lebens. Da wir, im Gegensatz zu früheren Generationen, nicht mehr von einer in der Gesellschaft verankerten Religion aufgefangen werden, wird alles noch unfassbarer. Endloser, abgründiger. Da wartet auf die meisten von uns kein Himmel.

Nun ja, an den biblischen Himmel habe ich schon lange zu glauben aufgehört, nicht aber an etwas anderes, etwas Ewiges, Verbindendes, Inneres. Ich weiß nicht, ob es ist. Ob da etwas kommt. Ich weiß nur, dass ich in mir eine Ahnung habe, die alle meine Versuche, an nichts mehr glauben zu wollen, überlebt hat. Eine Ahnung, die von Ewigkeit und Liebe spricht.

Der Himmel und die Hölle sind in uns. Glaube ich. Alles ist in uns. Wieso sollte dann, wenn doch in allem, das ist, in allem das lebt, nicht – wie es uns das Wasser mit seinem Kreislauf und die Natur mit ihren Jahreszeiten lehren – etwas sein, das immer weiter geht? Über die Form, über die Gestalt mache ich mir keine Gedanken. Nicht mehr. Weil ich die Antwort nie kennen werde. Und weil es gut ist, nicht alles zu wissen.

Zu meiner Ahnung gehört auch, dass dasjenige, was dieses Alles ausmacht, viel größer ist, als das was wir sehen, glauben, erkennen, verstehen. Einfach deshalb, weil uns dazu die Sinne, die Rezeptoren fehlen, die verstehen könnten. Wir haben in uns (noch) keine Programme, die diese Wunder lesen und entschlüsseln können.

Könnten wir sie lesen, könnten wir sie entschlüsseln, wären es keine Wunder mehr, wäre alles klar. Und genau darum, so vermute ich, haben wir diese Programme nicht mitbekommen, vom Leben, von Wem-auch-immer. Um das Staunen nicht zu verlernen und die Demut. Möglicherweise werden diese uns fehlenden Rezeptoren im Laufe der Evolution des Menschengeschlechtes nach und nach entstehen? Möglicherweise.

Und möglicherweise ist alles ganz anderes als es je eine Prophetin, ein Lehrer, eine Spinnerin, ein Visionär, eine Magierin vorausgesagt hat?

Möglicherweise ist sogar der Tod etwas ganz anderes als wir denken.

Möglicherweise besteht der einzige Schreck des Todes darin, dass die Menschen, die weiterleben, es ohne den verstorbenen Menschen tun müssen.
Mit dieser Lücke.
Mit dem großen Fehlen.
Erfüllt von Leere bis zum Rand.

Das ist für mich der Fluch des Todes.
Das ist für mich das schier Unerträgliche.
Das, was ich nicht begreifen will.
Das, was mich immer wieder leiden lässt: Dass ich den geliebten Menschen nicht mehr berühren kann.

Verlust.
Für immer verloren.
Eine Amputation, die weit über Körperliches hinausgeht.
Die Seele wird angestochen.
Die Seele verliert ihren Halt.
Die Seele sackt in sich zusammen.

Leere, die bodenlos ist.
Schmerz, für den es nie Worte geben wird.
Ein Jetzt, das nie aufhört.
Eine Ewigkeit voll Nie.

Lesen. Auch dazwischen.

Mein Sonntag in Bildern …

Keine-r stirbt schöner
Keine und keiner stirbt schöner | | Danke, liebe Filomena, für deine wunderbaren Vorfrühlingsboten.

 

Spuren im Schnee
Krähen legen Spuren im Schnee

 

Sonnengeschichte
Wolkengeschichte & -geschiebe eines Sonntagssonnenuntergangs

 

Was auf Bildern nicht sichtbar ist,
steht zwischen den Zeilen
und zwischen den Pixeln.

Dazwischenlesen – glücklich, wer es gelernt hat.

Doch viel wird Interpretation bleiben.
Dein Versuch, meins in deine Codes zu übersetzen,
deins in meine.

Verstehen?
Wer versteht sich darauf?

Das Herz ist keine Maschine.
Mehr als eine Pumpstation*.
Es hört und liest.

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* Herzlichen Dank an Glumm für diese Metapher.

Zwiebelrituale und andere Geheimnisse

Du sitzst am Tisch und schnippelst Zwiebeln. Fast immer, wenn wir zusammen kochen, schnippelst du die Zwiebeln. Lass es uns Zwiebelritual nennen. Jetzt. Hier. Du sucht dir dazu immer das größte Schneidebrett und setzest dich zum Schnippeln hin, während ich gerne im Stehen schnipple. Ich stehe dazu am liebsten neben der Spüle. Ich mag diese Ecke. Da bin ich nahe an allem wichtigen dran: am Wasser, am Feuer. Während ich mich um das Putzen und Zerkleinern des Lauchs kümmere, stehst du bereits hinter mir, am Herd, und schaufelst die Zwiebeln in den Topf, den ich auf die Herdplatte gestellt und mit Olivenöl beträufelt habe. Auf deinem Brett liegen noch eine zerkleinerte Tomate und eine geschnippelte Paprika. Ich reiche dir mein Schneidebrett mit den Lauchstücken und bekomme es gleich wieder leer zurück um mich an die Zucchini zu machen. So jedenfalls mein Plan. Doch das halbe Weißkohlstück, das ich zum Waschen neben die Spüle gelegt habe, kapert meine Aufmerksamkeit und lässt mich die grüne Stange vergessen.
Wie klingt Krautsalat?, frage ich dich, der du hochkonzentriert das Gemüse würzst.
Lecker! Gute Idee!
Hm, ich habe aber keine Weinbeeren mehr. Was meinst du – wir könnten ja zerkleinerte Datteln reinschnippeln?
Mjam, das probieren wir. Und eine Orange, wie du neulich mal gesagt hast?
Au ja, so machen wirs!
Ähm, die Zucchini? Gell, die soll auch in die Sauce rein?

Hin und her spülen unsere Worte. Und wir mit ihnen. Wie ein Tanz, der sich, einmal gelernt, immer und überall tanzen lässt. Wir sind die Töne. Wir sind die Notenlinien. Wir sind die Instrumente. Und wir sind die, die unser Liebeslied komponieren. Ton für Ton.
Während die Spaghetti munter vor sich hin blubbern, schmeckst du bereits die Salatsauce ab – immer ist bei dir ein bisschen Honig mit im Spiel. Mehr verrate ich aber hier nicht. Auch das ein Ritual, ein Teil unseres Tanzes, denn deine Saucen sind ein Tanz für die Sinne. Und dass es als letzte gemeinsame Mahlzeit vor unsern jeweiligen räumlich-zeitlichen Trennungen meistens Spaghetti gibt, ist ebenfalls Teil unseres Küchentanzes.
Später, am Auto, der Abschied. Schon wieder. Viel zu kurz die gemeinsame Zeit. Sage ich. Seufze ich. Und bin unaussprechlich dankbar für all die schönen Augenblicke.
Heute an der Aare. Sonne im Gesicht. Glitzernder Fluss, der mit seinen Strömungen wunderbare, vergängliche Kunst schafft, die es so nie mehr geben wird. Die drei gefundenen Caches. Egal, dass wir den einen am Schluss nicht gefunden haben. Hinterher, zuhause, die heiße Schokolade.


Ich erzähle dir, wie wir als Kinder am Abend zur Milchi spaziert oder geradelt sind. Wie wir dort, in der Bauernzentrale, offene Milch kauften – noch lauwarm, frisch ab Kuh sozusagen, mit dem Litermass aus dem großen Bottich geschöpft. Oder tagsüber im Dorfladen, offen, ab Milchzapfstation. Ich sehe den Milchkessel am Radlenker baumeln. Wie oft wir wohl gestürzt sind und die Milch verschüttet haben? Die weiße Pfütze auf der Straße, von Regengüssen und Hundezungen bald weggeleckt.
Ich erzähle dir, wie unsere Mutter abends die Milch im größten Topf gekocht hat und wir Kinder sie hüten mussten. Eins der wenigen Ämtli, die wir neben dem Einkaufen zu erledigen hatten. Nicht zu früh durften wir den Herd ausschalten, aber auch nicht zu spät, natürlich nicht, sonst lief die Milch ja über. Der richtige Moment war, wenn sie schäumte und langsam stieg.
Sie leiht scho d’Schueh a, nannte ich das, und stellte mir dabei tatsächlich einen sich Schuhe anziehenden Milchtopf vor.
Überlaufen tat sie ziemlich oft, mit offenen Schuhbändeln noch, sozusagen, mitten auf den Herd. Weißer See mit schwarzen Inseln. Bei meinem Bruder tat sie es am häufigsten. Verbrannte Milch auf Herdplatte – ein Geruch nach Kindheit. Und ich sehe mich, wie ich mit einem Suppenlöffel die Milch auf dem Herd in eine Tasse schöpfe. Kostbares Gut! Täglich vearbeitete unsere Mutter die abgekochte Milch zu Natur-Joghurt, das am Morgen stichfest ins Frühstücksmüesli gelöffelt wurde. Jeden Tag verbrauchten wir drei Liter Milch. Der Liter, ich erinnere mich, kostete, als ich noch klein war, aber schon einkaufen und rechnen konnte, weniger als einen Franken. Wir bekamen nämlich immer einen goldenen Zweiräppler pro Liter zurück, wenn wir bei Herrn G. in der Milchi mit drei Franken zahlten. Später stieg der Preis. Wie bei allem. Und heute, ich gestehe es, weiß ich nicht mehr, was ein Liter Milch kostet.
Wir stehen auf dem Parkplatz neben dem Haus. Das Auto ist beladen. Letzte Worte. Letzte Küsse. Ich winke, bis die Rücklichter um die Ecke verschwunden sind. Rücklichter, die verschluckt werden, wird es immer geben. Aber auch Scheinwerfer, die auf mich zukommen. Und neue Umarmungen. Und immer wieder neue und vertraute Tanzschritte mitten in der Küche.
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Bilder:
undogmatische Appspressionismen (iPhoneArt mit Gimpunterstützung).

Was ich mag

Wenn ich die Augen öffne, dich zu sehen. Meistens erwachen wir praktisch gleichzeitig und liegen ruhig und mit geschlossenen Augen nebeneinander. So heißen wir den neuen Tag willkommen. Dann die Augen öffnen, dich neben mir zu sehen, ein feines Lächeln auf deinem ganzen Gesicht. Ein Tag, der so beginnt, ist einfach schon von vornherein ein besserer Tag als einer ohne dich.
Die ersten Sätze, das erste Lachen, die ersten Wortgespinste des Tages mit dir zu tauschen. Und einen ersten Kuss. Staunen, dass du da bist. Staunen über das Geschenk des Lebens. Du und ich. Ich und du.
Ich mag es, wie du dich bewegst – wie sich deine Gedanken bewegen, wie sich deine Worte, deine Hände, deine Haare, deine Lippen bewegen. Ich mag es, wie du inne hältst. Ich mag das Stillsein mit dir. Ich mag es, wie wir miteinander reden, schweigen, spinnen und lachen, wenn wir zusammen wandern, Rad fahren, Auto fahren. Ich mag den Moment, wenn wir nahe davor sind, einen Geocache zu finden. Diese Spannung! Meine Bereitschaft, dich den Cache finden zu lassen, diese Freude, wenn du mich das Teil finden lässt. Diese Übermut, wenn wir beide im gleichen Moment den richtigen Einfall haben, wo das Versteck liegt.
Ich mag es, wie du selbst tragischen Momenten einen Glanz von Liebe und Hoffnung verleihen kannst – weniger mit Worten als mit deiner Präsenz. Wie du mit deiner Gegenwärtigkeit den Sorgen um die Zukunft, die uns zuweilen zentnerschwer auf den Schultern hocken, ein Schnippchen schlagen kannst und aus Stroh Gold spinnen. Wie du den Wert hinter den Dingen erkennst und ihn in dein Leben holst. Wie du mit einfachsten Mitteln und unter einfachsten Umständen ein zufriedener Mensch sein kannst.
Ich mag es, wie wir zusammen am gleichen Strick ziehen und verrückte Projekte ausdenken – auch wenn die meisten davon mangels Zeit und Geld nie in die Wirklichkeit geholt werden. (Oder doch?)
Deine Verlässlichkeit und Verbindlichkeit mag ich, die neben deiner Abenteuerlust und deiner eremitischen Affinität möglicherweise wie ein großer Gegensatz aussehen. Allerdings nur im ersten Moment.
Ich mag deine immer tiefer werdenden Lachfältchen um die Augen und um den Mund. Und dein Grinsen, das dem eines Schuljungen gleicht, wenn du einen witzigen Text gefunden oder einen schrägen Blogkommentar ausgetüftelt hast – ach, es ist/du bist so lebendig.
Ja, ich mag deine Lebenslust, deine Liebeslust, deine Weisheit und deine Arglosigkeit. Frei von Raffinesse bist du dennoch klug und durchschaust den Lauf der Dinge – und trotzdem gibst du dich dem Leben und deinen Lieben hin.
Nein, ein Engel bist du nicht, weder fehlerlos noch ohne Schwächen – zum Glück! Auch bist du viel mehr als all das. Und all das ist eh nur eine subjektive Momentaufnahme.
Ich danke dir für jede Sekunde, die wir zusammen erlebt haben, ob im Alltag oder auf Reisen. Mit dir ist das Leben farbiger, lebendiger, tiefer, heiterer und jederzeit voller Liebe.
Und den Rest, mein Liebster, den Rest werden wir sehen und erleben. Den ganzen Rest. Doch jetzt gratuliere ich dir einfach dankbar und aus tiefsten Herzen zum neuen Lebensjahr.
Carpe diem.