Als erstes würde ich hier ein Bild unseres Autos posten. Stell es dir einfach vor.
Von hinten. Die Köpfe der beiden Figuren als Silhouetten sichtbar. Einander zugewandt im Gespräch. Er oder sie am Steuer natürlich just in dem Moment eingefangen, wo sie oder er kurz den Kopf gedreht hat, um etwas zu sagen. Ein Bruchteil einer Sekunde lang, denn die Aufmerksamkeit gilt ansonsten der Straße, natürlich.
Rechts und links des Autos sähe man zwei Sprechblasen. In seiner Blase stünde:
Ich darf nicht dran denken, dass ich – wäre ich letzten Freitag alleine unterwegs gewesen – umgedreht hätte. Weißt du, dort, im Stau vor Frankfurt. Ich wäre umgedreht und ich wäre nicht nach Berlin gefahren. Zu grässlich war der Stau. Und erst die überfüllte Raststätte! Und das verkotzte Klo … Aber das hätte ich dir und Frau Freihändig ja nicht antun können. Und nun bin ich froh, dass wir weitergefahren sind.
In ihrer Sprechblase stünde:
Boah, dann bin ich also dran schuld, dass wir dort waren. Super!
Natürlich würden noch weit geistreichere Sachen in den Blasen stehen, da wir sehr oft sehr geistreiche Gespräche führen. Oft aber auch nicht. Oft – wie am letzten Montag, unserm letzten Berlin-Tag – spinnen wir einfach drauf los und halten die Ideen manchmal als Sprach- oder Textnotizen auf den iPhones fest. Sprechblasen der etwas andern Art.
Von Anfang an
Mein kleiner Reisebericht über unsere Tage in der großen Stadt beginnt mit meiner Fahrt von der Schweiz, wo ich zuhause bin, zu meinem Liebsten, wo ich auch zuhause bin. Als ich das französische Elsass durchquerte, begriff ich:
Jedes Land, ja sogar jede Region, hat eine eigene Bildsprache in allem. Von der Sitzbank hin zur Verkehrstafel bis zum Werbedesign und der Architektur. Selbst die Natur richtet sich danach … Oder ist sie es gar, die die Menschen ihrer Gegend angestiftet und inspiriert hat?
Nach einem sommerlichen Donnerstagabend am Grillfeuer packten wir am Freitag unser Gepäck in Irgendlinks Wagen und fuhren kurz nach Mittag los.
Die Reise
Gibt es über sie etwas zu erzählen? Stau hatten wir, wie gesagt, und langten deswegen erst um halb zehn statt wie gehofft um acht Uhr in Kreuzberg an. Ach, und geregnet hat es fast immer – bis auf ein zweistündiges Teilstück mittendrin. Nein, die Reise ist nicht wirklich erwähnenswert.
Berlin
Frau Freihändigs großartiger Gastfreundinschaft ist es zu verdanken, dass wir kostenlos logieren durften. Und dazu ernst noch in einer wunderbaren Altwohnung, in die ich mich sofort verliebt habe.
Am Samstag stromerten wir über den Kreuzberg am dortigen Denkmal vorbei (so viele Denkmäler wie in Berlin auf einem Haufen habe ich wohl noch nie gesehen!) zu Fuß Richtung Stadtmitte und nahmen unterwegs auf der Lindenstraße ein paar tolle Galerien mit. Gallery Weekend-Berlin-sei-Dank. UrbanArtWalks mag ich einfach. Was es da nicht alles zu sehen gibt.
Am Abend gutbürgerliche Küche im Tucholskys, weil überall sonst voll war. War aber okay und gemütlich, auch weil wir von unsern Freunden weitere Geschichten über Berlin und das Leben hier erfuhren. Als nicht wirklich geschichtsaffine, aus einem (pseudo-)neutralen Land stammende Person komme ich immer wieder an meine Wissensgrenzen und kann alles Gehörte nicht annähernd fassen noch verstehen.
Nach einem Verdauungsspaziergang samt letztem Bier – vorbei an der Sophienstraße und vielen mit Graffitis dekorierten Alt- und Neubauten – lassen wir uns müde ins Bett fallen.
Sonntags standen – wie schon in einem früheren Artikel erwähnt – unter anderem das Holocaust-Denkmal (siehe folgende Bilder),
sowie das Brandenburger Tor und die Siegessäule auf dem Programm.
Am Abend schließlich das (bereits verbloggte) Konzert von P.A.S. in Neukölln.
Tempelhof ist am Montag dran, denn dort zieht es Irgendlink und mich geradezu magisch hin. Dieser stillgelegte Flughafen, der Westberlin, als es belagert war, das Überleben ermöglicht hatte, hängt heute irgendwo in der Warteschlange für eine Neunutzung, über die wir uns, wie bestimmt viele Berlinerinnen und Besucher, viele Gedanken machen. Die Luftbrücke hat nicht nur Leben gerettet, sondern auch viele Menschen das Leben gekostet. Was hat diese Erde unter unsern Füßen schon alles erlebt?, denke ich wie wir über das weitläufige Gelände wandern.
Solange dieser Platz nicht anders genutzt wird, freut er sich, trotz seiner gewichtigen Geschichte, über die Besuche der vielen Spaziergänger, Radfahrerinnen, Skaterinnen, Jugger (ja, ich habe nachgeschaut, was das ist, guck hier), Geocacherinnen* (die, wie ich einige Meter ins Vogelschutzgebiet schleichen müssen, um einen Cache* zu heben) und – ja, natürlich! – auch KünstlerInnen.
Eine witzige Minigolf-Anlage hat es uns – auf dem Weg zum Columbiadamm – sehr angetan. So viel Charme haben diese theoretisch spielbaren Skulpturen, dass sich ein Besuch dieser Kunst-“Ausstellung“, Mini Art Golf namens nuture, auf jeden Fall lohnt.
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Von da aus urbanartwalken wir via Duden- und Monumentenstraße nach Schöneberg. Unterwegs der Jogger, der mitten auf dem Trottoir an einer Haustreppe Liegestützen übt.
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Am der Türe des Museums der Unerhörten Dinge an der Crellestraße lesen wir, dass dieses Bijou, das wir uns anschauen wollen, nur von Mittwoch bis Freitag geöffnet hat.
Schade. Aber Schöneberg gefällt uns trotzdem. Besonders der Bioladen dort – der sich offensichtlich höchster Beliebtheit erfreut … 🙂
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Berlin ist ein Land für sich, sage ich, wie wir zurück über die Brücke spazieren und mit den Augen den Gleisen der Ringbahn folgen.
Ein Land, indem so vieles geschehen ist, so vieles möglich scheint, so viele Menschen träumen und schon so viele Tränen geflossen sind. Eine Stadt, so reich und so arm wie die ganze Welt. Eine Welt für sich. Ein Abbild der Welt.
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Auf dem Rückweg in die Wohnung queren wir einen Spielplatz wie ich ihn noch nie gesehen habe. Die Fläche eines Fussballplatzes voll Sand. Mit Spielgeräten, Kindern, Müttern, Vätern, Opas, Omas, Bänken … eine Stimmung, die mir gefällt. Multikulti. Friedlich. Ein Ort der Begegnung – zwischen den Generationen und zwischen den Nationen. Alles geht – geht alles?
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Jeder letzte gemütliche Abend und jede gemeinsam gebaute Pizza gehen leider irgendwann zu Ende. Eine letzte Nacht im gemütlichen Gast-Heim … Danke-danke, liebe Frau Freihändig!
Halle
Am Dienstag verlassen wir die große Stadt und fahren weiter nach Halle an der Saale. Zu Emil, einem lieben Mit-Blogger. Eine weitere tolle und sehr inspirierende Begegnung, wie ich schon in einem Artikel zuvor geschrieben habe.
Reich beschenkt mit Büchern (leihweise zu lesen) und Halloren-Kugeln (ganz und gar einzuverleiben) fahren wir über die Landstraße Richtung Autobahn. Gut so, denn wir müssen unterwegs ja noch Brot und Käse kaufen.
Die Heimkehr
Wir fressen Kilometer um Kilometer – dazu regnet es wieder. Ich bin sehr müde, als ich in Kirchheimbolanden, wo wir noch ein paar Liter Benzin nachschütten, das Steuer wieder Irgendlink überlasse. Sehr müde bin ich, sehr sehr müde. Doch als wir zuhause auf dem einsamen Gehöft ankommen, sind wir beide so aufgekratzt, dass an Schlafen noch lange nicht zu denken ist.
Wie sagte doch Fassbinder so schön? Schlafen kann ich, wenn ich tot bin.
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Bilder:
Durch Draufklick vergrößerbar. Nikonbilder und undogmatische Appspressionismen (iPhoneArt mit Gimpunterstützung).
All pics: copyright by Sofasophia.
* Geocaching ist eine Outdoor-Schatzsuche in der realen Welt. SpielerInnen dieses Spieles versuchen, versteckte Behälter, Geocaches genannt, mithilfe eines Smartphone oder GPS-Gerätes zu finden, um anschließend ihre Erfahrungen online zu teilen. Mehr auf www.geocaching.com.