So oder anders, aber immer irgendwie

Was wäre, wenn … ja, ich weiß es: Fragen, die so anfangen, sind müßig. Dennoch beflügeln sie die Phantasie. In beide Richtungen, zum schlimmsten und zum besten Fall hin. Der Marktwirtschaft, dem Bildungswesen würde ein bisschen mehr Phantasie im Dienste des Menschen gut tun.

Gestern, in meinem Kurs, den mir das Amt zur besseren Vermittlung auf dem Arbeitsmarkt aufgedrückt hat, gingen wir der Frage nach, wie der Arbeitsmarkt in 10 Jahren, also am 16. September 2026, aussehen könnte.

In einer Kleingruppe untersuchten wir den Aspekt Arbeitswelt, während eine andere Gruppe das Einkaufsverhalten 2026 und eine dritte das Leben in Familien – beim Feste feiern zum Beispiel – versuchten zu skizzieren. In unserer Gruppe diskutierten wir sehr kontrovers. Würde die Technik überhand werden, wäre ein gewisser Teil unserer Arbeit, den wir heute von Hand erledigen, überflüssig, denn Maschinen würden ihn erledigen. Wir müssen also weniger arbeiten. Sind wir deswegen zufriedener? Was tun mir mit unserer freien Zeit?

Glück, sagt R., zumindest Glücksgefühle, können bereits heute durch Impulse in den entsprechenden Hirnzentren erzeugt werden. Für alles gibt es Generika. Imitate. Implantate. Ersatz. Wir diskutieren, während R. unsere Gedanken in eine kleine Powerpointgeschichte einfließen lässt, über alternative Währungen und Tauschsysteme – Zeit gegen Zeit zum Beispiel – über ein Grundeinkommen für alle, über die bereits heute aktive Bewegung des Umdenkens (zum Beispiel in Bezug auf biologischen Anbau und gegen Tierfabriken) und über Selbstversorgung, wir sprechen über Alternativen in der Stromerzeugung (mit einem Chemiker und einem Stromfachmann in der Gruppe naheliegend) … Ich frage uns, wie wir unser Alter erleben werden, wir Über-Fünfzig-Jährigen? In Mehrgenerationenhäusern?

Eigentlich zeichnen wir in unserer kleinen Gruppenvision eher das auf, was wir uns wünschen, als das, was vermutlich sein wird. Und ehrlich: es macht mir Angst. Ich freue mich wenig auf die Zukunft. Bestenfalls auf die persönliche, auf die globale kaum. Die macht mir Angst. Macht mich traurig. Wütend auch.

Wird die Empathie verschwinden?

Wie werden wir mit Sinnlichkeit umgehen, mit Bedürfnissen wie jenem nach Nähe, nach persönlichen Gesprächen, und wie mit Bedürftigkeiten, mit sozialen Problemen, mit Stimulanzien?

Ein animierter Film über die Arbeitswelt 4.0 zeigt uns schließlich, dass bald alles hier völlig sauber, übersichtlich und geordnet verlaufen wird und für alles und alle gesorgt wird. Wir werden alle gechipt sein. Für Kinder, für Alte, für alles gibt es eigens dafür organisierten Bereiche. Wir sind jederzeit über Clouds mit allen vernetzt und kommen jederzeit an alle Informationen. Gesprochen wird in diesem Film von Freiheit und Selbstbestimmung, aber, ähm, wieso muss ich denn immer an den Frosch im Wasserbad denken, der nicht merkt, dass sein Badewasser erhitzt wird, bis er schließlich an der Hitze verreckt? Und selbst wenn es sich bei der Geschichte mit dem Frosch nur um eine Metapher handeln sollte, bei uns Menschen greift sie.

Selbstbestimmung in einem total kontrollierten System, das natürlich nur zur Sicherheit überwacht wird. Der schwarze Schimmel reitet durch die Welt.

Stopp. Ich will das nicht. Nicht so. Ich will Raum für Absichtslosigkeit, Wildheit, Übermut, Kunst, Ausdruck, ich will Raum für unkontrolliertes Dasein in der Natur. Ich will Sinnlichkeit erlebt, riechen, schmecken, fühlen, tasten, erleben, erfahren. Auch wenn es zuweilen weh tut. Aber nichts zu fühlen, alles in vollkommen geordneten Bahnen zu erleben, wäre mein Tod.

Was wäre, wenn ich weder Synästhetikerin noch Hochsensible wäre? Wie würde ich die Welt wahrnehmen; wie hätte ich die Welt als Kind wahrgenommen und wäre ich dann ebenfalls depressiv geworden? Oder hat – umgekehrt – eher die Veranlagung zur Depression meiner Synästhesie und Hochsensibilität die Türen geöffnet? Ich vermute ersteres. Meine Fähigkeit – Gabe oder Fluch –, Dinge hinter den Dingen wahrzunehmen, führt zuweilen dazu, die Welt nicht so – nicht so optimistisch zum Beispiel, so positiv – zu sehen, wie es die Mehrheit der Menschen tut. Auch in der Kursgruppe erlebe ich unterschiedliche Nuancen, sensibler wahrgenommene und eher sehr einfache Weltbilder. Neben den MacherInnen gibt es Zaudernde wie ich, Zweifelnde, Ängstliche. Menschen, die in dieser Gesellschaft – zumal in der Welt der Arbeit – keine Perspektiven mehr ahnen.

Heute Morgen erinnerte ich mich an einen Satz, den eine Kurskollegin, die ebenfalls immer wieder depressive Episoden hat, vor einer Woche zu mir gesagt hat: »Das Schöne am Älterwerden ist doch auch, dass wir uns nicht mehr dagegen wehren müssen, so zu sein, wie wir sind. Sondern einfach zu sagen: Das und das gehört zu mir.«

Richtig. Ja. Aber. Klar gibt’s ein Aber. Denn schnell betrete ich, wenn ich auf dieser Schiene fahre, die Falle der Resignation, der Stagnation. Oft sogar fahre ich in die Sackgasse, doch manchmal kann ich rechtzeitig die Weichen stellen, damit ich auf jener Spur bleiben kann, die mich weiterbringt. Akzeptanz kann ich nicht umgehen. Gerade bei Charaktereigenschaften, die letztlich mich ausmachen, kann ich letztlich nur Ja sagen, weil ich mich sonst über kurz oder lang kaputt machen würde. Dass ich zum Beispiel eher die Tüftlerin und Denkerin bin als die Macherin sollte mich nicht kümmern. Es ist so. Gut. Also. Ja, das bin ich.

Zum Abschluss des gestrigen Kurstages haben wir uns einen Youtube-Film angeschaut, der mich echt zu Tränen gerührt hat. Leider finde ich ihn trotz schon fast stundenlanger Suche über die Suchmaschinen nicht, darum erzähle ich ihn kurz:

Gezeigt wird ein kleines Kind, außer einer Windel nackt, das ein ungefährliches Wohnzimmer erforscht. Einen Karton ausräumt. Aufs Sofa klettert. Beim Runterfallen umpurzelt. Wieder aufsteht. Das klingelnde Telefon berühren will. Einen Hund, der sich aufs Sofa legt, begrüßt. Ganz und gar angstfrei, neugierig und wertfrei geht es auf alles zu, was es begreifen möchte. Der Off-Text spricht mich in Du-Form an. »Du hast die Welt entdeckt. Du hast dir alles angeschaut. Du warst so neugierig. Du hattest keine Angst. …« Gegen Schluss dann ungefähr so: »Meinst du, dass das alles verloren gegangen ist?« (Ich zitiere nicht exakt, nur den ungefähren Wortsinn/Inhalt). Unterlegt war das Video mit Musik, die für mich nach Ragtime klang.

Hier -> lang geht’s zum Film. Danke, liebe Silvia Kling für den Link!

Dreihundertdreissig

Verrückt ist es nicht. Oder doch? Für mich schon. Auch wenn andere größere Zahlen haben.

Ich gratulierte mir gestern zu meinem 330. gefundenen Geocache und erinnerte mich an meine Anfänge. Meine ersten drei Caches habe ich, sagt das Logbuch, am 20. Dezember 2009 gesucht und gefunden – zusammen mit Irgendlink, der mich in dieses tolle Hobby eingeführt hat. 1579 Tage bin ich nun also schon Geocacherin. Im Durchschnitt habe ich ungefähr jeden fünften Tag einen Cache gefunden. Die meisten mit Irgendlink und/oder andern Cachern und Cacherinnen zusammen, ein paar auch allein.

regen_kommSuchen, finden … ja, das ist etwas, das ich mag. Die Philosophin und das Kind in mir jubeln gleichermaßen, wenn sie ein neues Erdversteck finden, ein weiteres Logbuch öffnen und den Namen erneut hineinkritzeln dürfen.

kaputtAuch nach Antworten suche ich immer wieder von neuem. Meist nur, um sie, wenn ich sie gefunden habe, wieder zu verwerfen. Die meisten taugen nur einen Augenblick. Aber das ist nicht schlimm. Das Leben findet immer im Augenblick statt.

Gestern, nachdem ich beim Liebsten auf dem einsamen Gehöft eingetroffen war um die Ostertage bei ihm zu verbringen, beschlossen wir schon bald, das schöne Wetter, das ich mitgebracht hatte, auszunützen und die Caches-Runde  beim nahen Flughafen Pottschütt zu machen. Alle zwölf Caches, davon zwei Mysteries und einen Bonus, haben wir gefunden und dabei eine wunderbare Gegend mit einem einmaligen Weitblick entdeckt.

Geocaching ist besser als jeder Wanderführer, sagte ich neulich, da kommt man an Orte, die sonst nirgends stehen.

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Appspressionismus: Bilder auf dem iPhone kreiert und mit Gimp verkleinert und wassergezeichnet.

The Days after

Zugegeben, die letzten Tage war ich ein wenig neben der Spur. Schuld daran war sicher das Patent Ochsner-Konzert am Freitagabend im Bierhübeli Bern. Ein wunderbares und sehr beglückendes Erlebnis, das ich um keinen Preis missen möchte. Wie wir zu viert ganz oben auf der Galerie standen und bei den Songs mitrockten, die umwerfende Erkenntnis:
Hey! Ich bin rundum glücklich. Hier mit Irgendlink, T. und R. zu sein ist einfach nur und  total schön!
Zuvor waren wir zwei noch an unserm geliebten Glasbrunnen im Bremgartenwald gewesen. Bereits unterwegs zum Bierhübeli, kam der Anruf meiner Ticketkäuferin. Sie sagte, wo sie mich erwarte. Somit hat auch dieser Teil des Abends super geklappt.

Patent Ochsner im Bierhuebeli_by Irgendlink
Pic by Irgendlink

Gestern fuhren wir nach Baden zum Geocachen. Ein schöner Burgruine- und Altstadtspaziergang, obwohl es geflockt hatte und wir uns beinahe den A*** abgefroren haben.
Baden von der Ruine aus
Baden an der Limmat
Heute schien bereits am Morgen die Sonne. Wir beschlossen nach Obersiggenthal zu fahren. Dort hatte ich auf der Karte einige überblickbare Multicaches gesichtet. Heute zog es uns nämlich eher in den Wald.

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Unten im Dorf parken wir und steigen danach die wirklich steile Dorfstraße bergan.
Obersiggenthal Tuer im Dorf
Am Waldrand angekommen finden wir auch schon die erste Station, eine Verkehrstafel aus deren Piktogrammen und Beschriftung es die Zahlen zu generieren gilt. Mit diesen – wenn man sie denn richtig interpretiert – lässt sich die Richtung und die Entfernung peilen um die zweite Station zu finden.
Meine Hand als Notizzettel
Es ist wieder furchtbar kalt und schneit. Vielleicht deshalb sind wir nicht gleich aufmerksam und gründlich wie sonst. Anders kann ich es mir nämlich nicht erklären, dass wir nicht merken, dass der Pfeil uns an einen Ort, der 250m entfernt war, hinschickt. Ist ja unlogisch, wo wir doch 153 Meter Luftlinie eingegeben haben. Zu unserer Verteidigung sei gesagt, dass Irgendlink seine Brille nicht dabei hat, wir aber die Koordinaten in seine GPS-App eingeben. Wir gehen durch den tiefverschneiten, Stein und Bein gefrorenen Wald und lassen uns zu Abkürzungen hinreissen, die uns zu schönen Hochsitzen führen. Doch irgendwann begreifen wir, dass etwas nicht stimmen kann. Irgendwann drückt mir Irgendlink sein Telefon in die Hand, weil er ja doch nicht genau sieht, wohin wir eigentlich müssen. Einzig den Richtungspfeil erkennt er. Ich sehe, dass wir inzwischen um die dreihundert Meter vom eigentlich 153 Meter entfernten Basis-Punkt sind. Klar, Luftlinie und Waldwege sind zweierlei, das weisß jede Cacherin, aber eine so große Abweichung kann eigentlich auf so kleine Distanzen nicht sein.
Schließlich übertrage ich die Daten von seiner GPS-App auf meine, da ich übers Schweizer Handy-Netz die Karten laden und so unseren Standort besser orten kann. Ich überprüfe dabei auch gleich die Peildaten und begreife endlich: Wir sind von falschen Basisdaten ausgegangen! Da ein paar Caches, die wir geladen haben, zur gleichen Serie gehören und ähnliche Namen haben, haben wir schlicht und einfach die Daten eines anderen Caches als Basisdaten für die Peilung eingegeben *shameonus* …
Wie blutige Anfänger!, sage ich. Wir lachen über uns, denn letztlich ist es eben einfach schön, wo wir sind. Inzwischen schneit es auch nicht mehr. Mir macht der Spaziergang durch den Wald, trotz gefrorener Rotznase, total Spaß. Das Sonnenlicht durchbricht beinahe die Wolkendecke. Hell ist es wieder geworden und der Schnee blendet.
Wer viel im Wald unterwegs ist, weiß es: Längst ist nicht jeder Wald gleich. Dieser hier hat, finde ich, etwas märchenhaftes an sich. Es ist sehr ruhig hier und ich genieße es, hier zu sein. Und die tollen Hochsitze hätten wir ohne unser Missgeschick auch nie entdeckt.
Bei den errechneten Koordinaten finden wir den versprochenen Grenzstein – ta-ta-ta-taaaa! – nein, nicht auf Anhieb, sondern gar nicht! So betrachte ich erneut unsere Berechnung und stelle fest, dass ich statt eine drei- nur eine zweistellige Zahl für die Gradberechnung ermittelt habe. Schnell korrigiere ich den Fehler und notiere mir mit zunehmend klammen Fingern im Schnee die neuen, richtigen Koordinaten, um sie von der einen in die andere App, ins GPS-Kit, eingeben zu können.
Heute ist mein brillenloser Liebster für einmal wenig aktiv, was die technische Seite der Cachesuche betrifft. Dafür muss schon bald seine linke Hand als Notizzettel hinhalten, als wir beim gesuchten Grenzstein ankommen und die neuen Zahlen finden, mit denen wir die Koordinaten für den Finalcache ermitteln.
Seine Hand als Notizzettel
Leider liegt der Cache, wie wir bald entdecken müssen, mitten zwischen zwei Wegen an einem vollgeschneiten Hang. Wir zwei Weichei- und Warmdusch-Cachende frieren inzwischen doch zu sehr und haben keine Lust darauf, durch den halbschienbein hohen Schnee zu waten. So drehen wir, zehn Meter vor der Findung, einfach um.
Und die Moral von der Geschicht’?, sage ich. Manchmal sind Umwege dazu da, schöne neuen Ecken zu entdecken.
Aber,
entgegnet mein Liebster, aber wer weiß schon, welchen schönen Platz wir entdeckt hätten, wenn wir diesen Umweg NICHT gemacht hätten, sondern von Anfang an richtig gelaufen wären? Die Moral heißt also eher: Wir können nie zwei Wege gleichzeitig gehen und wir wissen auch nie, was uns auf dem anderen Weg erwartet hätte.
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Bilder:
undogmatische Appspressionismen (iPhoneArt mit Gimpunterstützung).
* Geocaching ist eine Outdoor-Schatzsuche in der realen Welt. SpielerInnen dieses Spieles versuchen, versteckte Behälter, Geocaches genannt, mithilfe eines Smartphone oder GPS-Gerätes zu finden, um anschließend ihre Erfahrungen online zu teilen. Mehr auf www.geocaching.com.

Die spinnen, die GeocacherInnen*

Also wirklich! Wenn man schon lesen kann, dann sollte man es auch tun. Vorher. Aber, wenn ich ehrlich bin, ist es gut, dass wir es vorher nicht gelesen haben. Ein Nachher wie jetzt hätte es wohl so nicht gegeben. Muskelkater allerdings auch nicht.
Der am Morgen gefasste Plan, den voraussichtlich einzigen halbwegs schönwettrigen Tag dieses Wochenendes – nach Regen- und vor Schneetagen – mit einer kleinen Geocache-Tour* auf dem Bözberg zu vergolden, klingt verheissungsvoll. Den Bözberg kennt Irgendlink aus seiner Jugendzeit – von einer Radtour zu einem Freund seines Vaters. Und da diese nicht unerhebliche Erhebung, die den stolzen Namen Berg trägt, praktisch um die Ecke liegt, steht diesem Plan nichts im Weg. Wir fischen im Netz ein paar Koordinaten von Geocaches, die in der Nähe voneinander liegen und begeben uns auf die Spuren der Römer. Klingt es denn nicht schön, als Geocaches Suchende einer armen Magd zu helfen oder auf dem Römerweg zu wandern?
Bald parken wir auf einer kleinen Straße, die in einen Feldweg mündet. Auf Irgendlinks Vorschlag hin, parke ich in einem zweiten Anlauf ein bisschen mehr auf die Wiese als beim ersten Mal. Für den Fall, dass ein Traktor käme. Man weiß ja nie.
Eisiger Wind schlägt uns entgegen. Wie froh ich um meine Handschuhe bin. Dass ich zwei Stunden später schwitzen werde, kann ich mir nicht vorstellen, als wir vom Altstalden Richtung Gallenkirch wandern. Den ersten Cache des Tages haben wir bereits in Neustalden auf dem Vorbeiweg gefunden.

gefunden
Pic by Irgendlink, apped by Sofasophia (Gimp) – Ich logge den ersten Cache.

Der zweite, mein 199. Cache, ist den Römern gewidmet, die sich ja damals im Aargau ziemlich breit gemacht und überall Spuren hinterlassen haben. Auch in meinem Wohnort. Da ganz besonders. Dass sich die Römer nicht immer einig waren, muss ich vergessen haben, lese es aber heute auf einem Gedenkstein, an dem wir vorbeispazieren. Auf dem Bözberg sind auch, so lesen wir weiter, ein paar Schlachten gegen meine Vorfahren, die Helvetier, geschlagen worden. Leider zu Ungunsten meiner Vorgängerinnen und Vorgänger.
Überlebt müssen sie aber trotzdem irgendwie haben, sonst wäre ich nicht hier!, sage ich.
Meine 199 finden wir ebenfalls ziemlich schnell, doch nun fängt das Verwirrspiel an. Da ich mir den dritten Cache zuhause nicht aufs iPhone geladen habe und Irgendlink eine nur rudimentäre Karte geladen hat, die wir auch noch falsch interpretieren, gehen wir zuerst ein Stück in die falsche Richtung. Erst als ich mich entschliesse, den Cache aus dem relativ guten Handynetz zu laden, und wir damit eine gute Karte zur Verfügung haben, wird die Suche einfacher. Wir müssten entweder ein Stück zurück oder einen großen Bogen über den alten Römerweg machen. Zweiterer lockt mehr.
Faszinierend, im Wald dem steinigen Weg mit seinen ausgefahrenen Wagenspuren zu folgen und nach einem Abstieg wieder aufwärts zu wandern. Auf einmal stehen wir an einem Hügel und hören tief unter uns das Wasser rauschen. Genau dorthin, in diese Schlucht hinunter, zeigen unsere Richtungspfeile. Es sind ja bloß vierzig Meter Luftlinie. Nur!?
Ich will quer den Hang hinunter, doch Irgendlink findet diesen Plan lebensgefährlich. Na ja, ich eigentlich auch, aber was wottsch? Irgendwie müssen wir ja runter? Bald finden wir so etwas ähnliches wie einen Pfad, dem wir, mehr rutschend als wandernd, schließlich folgen, nur um nach ungefähr hundert Höhenmetern Rutschpartie einen seriösen, den offiziellen Wanderweg zu finden. Okay, immerhin müssen wir also nicht wieder querwaldauf klettern beim Rückweg. Auch nicht schlecht. Noch sind unsere Schuhe übrigens einigermaßen sichtbar unter der Schlammschicht.
Doch das war ja auch erst der Anfang (frieren tun wir längst nicht mehr), denn noch trennen uns fünfzehn Luftlinienmeter vom Ziel. Ein Klacks. Ungefähr eine Dreiviertelstunde Kletterei in drei Akten. Beim ersten Mal runterklettern schwöre ich mir: Nie mehr! Ein paar Mal verdanke ich mein Leben nur noch einigen jungen Bäumen, die mich abbremsen.
Ein Wanderstab, ein Königinreich für einen Wanderstab!, seufze ich.
Dein Wunsch sei dir erfüllt!, sagt er, stellt sich mir buchstäblich in den Weg und schon geht es viel einfacher. Unten angelangt, suche ich erst Mal eine Weile nach Irgendlink, der nicht den gleichen Weg hinuntergeklettert ist und bereits beim Wasserfall vorne nach dem Cacheversteck gesucht hat. Als ich ihn endlich entdecke, ist er bereits wieder oben. Ohne den Cache gefunden zu haben. Auch ich suche mit den Augen die Gegend ab, doch zugegeben, ich bin heute nicht wirklich scharf darauf, jeden Stein hochzuheben.
Oben kommen wir endlich auf die Idee, die Detail-Beschreibung des Geocaches und seine Gefahrenbewertung zu lesen. Auch der Hinweis auf das Versteck und das, was in früheren Logs steht, sind aufschlussreich.
Wie blutige Anfänger haben wir übersehen, dass der Cache auf einem hohen Terrainniveau eingestuft ist. Auch lesen wir, dass der Cache in der unmittelbaren Nähe des Wasserfalles sein muss. Ich schlage vor, dass wir uns von der oberen Seite dem Wasserfall nähern, was sich aber in der Praxis nicht als ideal erweist. Wieder nach unten gekrabbelt stellen wir fest, dass wir uns doch zu weit vom Cache entfernt haben und so krabbeln wir wieder den Hügel hoch. Irgendwann kommt der Punkt, wo Dreck egal wird. Die Hosen sind bis zu den Unterschenkeln verspritzt, die Schuhe kaum mehr unter dem Matsch zu sehen und die Hände erdbraun, denn sie dienen zwischendurch als Krabbelhilfen, wenn wir uns mit ihnen nicht grad an Bäumen festkrallen.
Erneut oben angelangt beschließen wir, einen allerletzten Versuch zu wagen. Eine dritte Rutschpartie in die Schlucht hinunter – diesmal mit ein bisschen mehr Informationen bezüglich des Verstecks. Wir müssen nach einer Amphore Ausschau halten, wissen wir nun. Und sie muss an einem überschwemmungssicheren Ort sein. Unsere Augen suchen die Gegend ab. Irgendwann hat Irgendlink den Einfall, den Bach zu überqueren. Seine Jakobsweg-Wanderstiefel sind zum Glück wasserdicht und halbschienbeinhoch, sodass er diese Überquerung ziemlich unbeschadet übersteht. Drüben angelangt, steckt er seinen Kopf unter einen tropfenden Felsvorsprung und wird … fündig. Wir jubeln, doch mein Liebster schüttelt sich gleich darauf wie ein begossener Pudel, musste er doch unter eine Art Mini-Wassserfall greifen. In der hübschen, kupfernen Amphore, die er hervorgezogen hat, steckt eine wasserdichte Kunststoffröhre mit einem eingerollten Logbuch, doch wie er seinen und meinen Namen hinkritzeln will, bricht die Bleistiftmine ab. Pech aber auch!
Du hast doch auch einen Logstift dabei?, ruft er über den Bach, um das Tosen des nahen Wasserfalls zu übertönen.
Jaaa, ähm, nein, der ist im Rucksack. Im Auto!, rufe ich zurück. Mach halt Fingerabdrücke mit Lehmpfoten!
Das tut er und mit dem abgebrockenen Bleistiftspitz kritzelt er sogar noch unsere Initialen in die Abdrücke. Köstlich und echt römisch!
Das größte Abenteuer steht ihm aber noch bevor. Das wiederverpackte Teil muss zurück in die nasse Höhle. Einen heißeren Strip habe ich noch nie erlebt. Mütze, Outdoorjacke, Faserpelz, Pulli, T-Shirt lässt er elegant auf einen Stapel fallen und schließlich steckt er todesmutig seinen Kopf in die Tropfsteinhöhle, um das Ding wieder an seinen Platz zu legen. In uns allen steckt eben ein kleiner oder großer Held! Und dieser schafft es später sogar (mit meiner Schiebehilfe) das Auto aus der schlammigen Wiese herauszufahren.
Selber schuld, denk ich nur, ich hätte es eben nur halb in die Wiese gestellt.
Die folgende Montage erzählt die Geschichte unserer kleinen großen Schatzfindung.
eine kleine geschichte_sm2

(Draufklick für groß)

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Bilder:
Undogmatischer Appspresionismus (iPhoneArt mit Gimpunterstützung)
* Geocaching ist eine Outdoor-Schatzsuche in der realen Welt. SpielerInnen dieses Spieles versuchen, versteckte Behälter, Geocaches genannt, mithilfe eines Smartphone oder GPS-Gerätes zu finden, um anschließend ihre Erfahrungen online zu teilen. Mehr auf www.geocaching.com.